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Die zwei leeren Stühle im Gottleubaer Stadtrat

Regina Kielmann und André Webersen wurden gewählt - aber seit einem Jahr in den Sitzungen nicht gesehen. Was bedeutet das für die Arbeit und warum passiert nichts?

Von Heike Sabel
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Seit einem Jahr sind zwei Stühle im Gottleubaer Stadtrat dauerhaft leer.
Seit einem Jahr sind zwei Stühle im Gottleubaer Stadtrat dauerhaft leer. ©  Symbolfoto: Pixabay

Reichlich drei Jahre nach der Wahl ist der Stadtrat von Bad Gottleuba-Berggießhübel nicht mehr wiederzuerkennen. Zu den Rücktritten und Wechseln im Gremium und auf dem Stuhl des Bürgermeisters kommen auch zwei Stadträte, die schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen wurden: Regina Kielmann und André Webersen. Das letzte Mal nahmen sie vor einem Jahr an einer Sitzung des Stadtrates teil. Auf mehrfache schriftliche Nachfragen von Saechsische.de zu ihren Gründen reagierten beide bisher nicht.

Gewählt wurden sie im Juni 2019 für die AfD mit den zweit- und drittmeisten Stimmen aller Kandidaten. Aus der AfD sind sie 2021 ausgetreten und bildeten die Bürgervereinigung im Stadtrat. Dass sie seit nunmehr fast einem Jahr unentschuldigt fehlen, hat bisher keine Konsequenzen. Das hat Gründe.


Der erste ist eine fehlende verbindliche gesetzliche Regelung. Es liegt im Ermessen des jeweiligen Stadtrats, wann und ob er das Fehlen als Pflichtverletzung sieht und wie er es ahndet, sagt Kreis-Kommunalamtsleiter Thomas Obst. In der Praxis sei das erst nach mehrfachem unentschuldigten Fehlen üblich.

Sieben Wechsel seit der Wahl 2019

Der zweite Grund ist ein spezieller Gottleubaer. Würden die beiden zurücktreten, hätte der Stadtrat nur noch zehn Mitglieder - denn es gibt keine Nachrücker. Die zehn Räte wären weniger als zwei Drittel der in der Hauptsatzung festgelegten Anzahl von Stadträten. Damit müsste es eine Ergänzungswahl geben. Es muss nicht der gesamte Rat gewählt werden, sondern nur so viele Räte, wie es freie Plätze gibt. In diesem Fall sechs, weil vorher schon die Linken geschlossen zurücktraten und ein AfD-Sitz von Anfang an mangels Kandidaten frei blieb. Sechs Monate vorm Ende der Wahlperiode wird nicht mehr gewählt. Die nächste reguläre Stadtratswahl ist 2024.

Der Rat der personellen Veränderungen

  • Erste Veränderung: 2019 machte die damalige AfD-Fraktion Hinderungsgründe für Jens Leuner von der Liste Freie Bürger geltend. Leuner arbeitet im städtischen Bauhof. Die Rechtsprechung sieht das nicht per se als Hinderungsgrund für die ehrenamtliche Tätigkeit als Stadtrat. Der Streit eskalierte, Leuner trat von sich aus zurück. Für ihn kam Marco Morgenstern.
  • Zweite Veränderung: In der CDU-Fraktion trat Christina Pysarczuk zurücktrat, für sie rutschte der voriges Jahr zum Bürgermeister gewählte Thomas Peters nach.
  • Dritte Veränderung: Der parteilose Christian Helm wechselte von der CDU zu der Liste Freie Bürger. Damit hatten LFB und CDU nun jeweils fünf Mitglieder.
  • Vierte Veränderung: Im Herbst 2020 traten die drei Stadträte der Linken aus Protest gegen die aus ihrer Sicht nicht mehr sachliche Arbeit geschlossen zurück. Die formell angefragten Nachrücker auf der Linken-Liste machten vor allem Altersgründe geltend, sodass es die Fraktion seither nicht mehr gibt.
  • Fünfte Veränderung: Nach der Wahl von Madlen Rätze (CDU) zur Amtsverweserin im Dezember 2020 nahm Christina Witt-Funken ihren Platz in der CDU-Fraktion ein.
  • Sechste Veränderung: Als Thomas Peters (CDU) im April 2021 zum Bürgermeister gewählt wurde, schied er als Stadtrat aus. Für ihn rückte Ines Schönfeldt nach.
  • Siebente Veränderung: Ines Schönfeldt wechselt in die Fraktion der Liste Freie Bürger, die damit die Mehrheit erringt.

Auf die "normalen" Beschlüsse wirkt sich das Dauerfehlen der zwei Räte nicht aus. Da gilt die Mehrheit, vorausgesetzt, es ist mindestens die Hälfte Räte anwesend. Die beiden zählen da mit, die zurückgetretenen drei Linken nicht. Es müssen also mindestens sechs Räte anwesend sein.

Anders ist es, wenn ein Beschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit aller Mitglieder des Stadtrates gefasst werden muss, wie bei der Hauptsatzung. Dann zählen die beiden mit, ebenso der Bürgermeister. Zwei Drittel von 13 Stadtratsmitgliedern sind aufgerundet neun. Das könnte unter Umständen knapp werden. Da hilft auch die Stimme von Bürgermeister Thomas Peters (CDU) wenig.

Wer fehlt, erfüllt seine Pflicht nicht

Peters ist nicht begeistert vom Dauerfehlen der beiden Räte. Für ihn ist das Mandat durch Wahl ein Auftrag, dem sie nicht gerecht werden. Ähnlich sehen es die Liste Freier Bürger (LFB) und die CDU. Beide tun sich zunächst etwas schwer, da sie die Gründe des Fehlens nicht kennen. "Aber man sieht, wer mit der Stadt verwurzelt, hier aufgewachsen ist und diese auch voranbringen und gestalten möchte", sagt Andre Ziegenbalg (LFB). Für fünf Jahre gewählt zu werden, bedeute fünf Jahre Vertrauen und Pflicht. Ähnlich sieht es Robert Kühn für die CDU.

Der Wechsel der beiden von der AfD zu ihrer Bürgervereinigung hatte zwar für einige Räte einen gewissen Beigeschmack, doch beide seien erfahren und kompetent gewesen, sagt Ziegenbalg. Die Zusammenarbeit der LFB mit der CDU-Fraktion empfinde er als "sehr zielführend und im Sinne der Stadt". Auch dem stimmt Kühn zu. "Man kann nur hoffen, dass zur Wahl 2024 genügend Personen auf den Listen stehen, die die fünf Jahre Wählermandat auch komplett für das Wohl der Gemeinde einsetzen wollen."

Die aktuellen Stadträte in Bad Gottleuba-Berggießhübel

  • CDU-Fraktion: Robert Kühn, Markus Funken, Bodo Hippe, Christina Witt-Funken
  • Liste Freier Bürger: Heiko Knick, André Ziegenbalg, Christian Helm, Mirco Heymann, Marco Morgenstern, Ines Schönfeldt,
  • Bürgervereinigung: Regina Kielmann, André Webersen