SZ + Pirna
Merken

Stadtmuseum Pirna zeigt eine Spur der Steine

Die Ausstellungsstätte zeigt jetzt in einer Sonderschau spezielle Bildhauerkunst – Ergebnisse eines besonderen und traditionsreichen Symposiums.

Von Thomas Möckel
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Drei von 15 Künstlern: Ursula Güttsches, Marguerite Blume-Cárdenas und Liz Mields-Kratochwil (v.l.) stellen ihre Werke im Pirnaer Stadtmuseum aus.
Drei von 15 Künstlern: Ursula Güttsches, Marguerite Blume-Cárdenas und Liz Mields-Kratochwil (v.l.) stellen ihre Werke im Pirnaer Stadtmuseum aus. © Karl-Ludwig Oberthür

Im Jahr 1974 zog es Kunstschaffende aus Ost-Berlin zum ersten Mal in dieser Form aufs Land, in die Sächsische Schweiz, knapp 200 Kilometer weit von der DDR-Hauptstadt entfernt. Vor einem halben Jahrhundert initiierte der Bildhauer Karl Möpert das erste Berliner Bildhauersymposium im Steinbruch Reinhardtsdorf, in dem das Baumaterial damals noch industriell abgebaut wurde. Dass es einmal so lange Bestand haben würde, ahnte er damals noch nicht.

Möpert war stets auf der Suche nach guten Steinen, aus denen sich Kunst machen ließ, damals bekam er den Tipp, er solle doch einmal hinausfahren nach Reinhardtsdorf. Er verstand sich auf Anhieb mit den Arbeitern im Steinbruch. Die Steinbrecher entwickelten schnell ein Gespür für die Künstler, welche Steine sie bevorzugten. Darüber hinaus organisierte Möpert die Treffen und entwickelte verschiedene Konzepte dafür.

Schirmherr des Symposiums war anfangs der Verband Bildender Künstler der DDR mit Sitz in Berlin. An jedem Symposium nahmen sieben bis zehn Bildhauer aus Berlin und den DDR-Bezirken teil, eingeladen wurden aber auch Gäste aus Polen, aus der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Finnland, Österreich und aus der Ukraine. Der Kulturfonds der DDR förderte das künstlerische Werkstreffen mit Stipendien, Kosten für Unterkunft, Steinmaterial, Werkzeugen und Transporten. Der VEB Elbenaturstein wurde Partner.

Nach der Wende änderte sich das schlagartig. Das Symposium alljährlich fortzusetzen, wurde zu einem ökonomischen Problem. Gleichwohl gelang es, nun selbst finanziert und unterstützt von den Sächsischen Sandsteinwerken, das Treffen mit einer nun kürzeren Dauer fortzuführen. Als Möpert 2010 aus gesundheitlichen Gründen ausschied – er starb 2014 – übernahm die Bildhauerin Marguerite Blume-Cárdenas, Teilnehmerin der ersten Stunde, die Organisation – bis heute. „So haben wir es geschafft“, sagt sie, „dass dieses Symposium seit 1974 ununterbrochen stattgefunden hat.“ Dieses 50-jährige Jubiläum ist nun Anlass für eine ganz besondere Werkschau.

Sandstein-Pigmente in den Grafiken verarbeitet

Das Pirnaer Stadtmuseum zeigt jetzt die Sonderschau „STEIN BRUCH ZEIT“, um das seit einem halben Jahrhundert bestehende Bildhauersymposium im Steinbruch Reinhardtsdorf zu würdigen. Dreimal haben die Künstler bereits in der Ausstellungsstätte im Klosterhof ihre Werke gezeigt. Bei der neuen Ausstellung stammen die Exponate nicht nur aus dem aktuellen Schaffensjahr, sondern wegen des Jubiläums aus den vergangenen 27 Jahren, gefertigt allesamt von Teilnehmern des Symposiums.

Zu sehen sind insgesamt 13 Steinarbeiten sowie elf grafische Arbeiten, vertreten sind die Künstler Eva Backofen, Günter Blendinger, Marguerite Blume-Cárdenas, Inka Gierden, Karin Gralki, Ursula Güttsches, Sigrid Herdam, Ulrich Jörke, Liz Mields-Kratochwil, Karl Möpert, Emerita Pansowová, Robert Schmidt-Matt, Karin Tiefensee, Annette Tucholke-Bonnet und Berndt Wilde. Den Betrachtern präsentiert sich Figürliches wie ein männlicher Torso von Marguerite Blume-Cárdenas, außergewöhnliche Formensprache mit der „Spielkugel“ von Liz Mields-Kratochwil, Abstraktes mit „Bau der Coppelia VII“ von Sigrid Herdam und sogar Nahrungsmittel – mit dem bis ins Detail ausgearbeiteten Blumenkohl von Inka Gierden.

Ergänzt werden die sandsteinernen Figuren von Grafiken, die entweder im Steinbruch in Reinhardtsdorf entstanden sind oder sich dem Thema Steinbruch widmen. Ursula Güttsches hat beispielsweise in ihrem Bild „Feuerspur“ ganz fein gemahlene Sandsteinpigmente verwendet, die kleinen Körner sind gut zu sehen, hinzu kommen Wüstensand und Pigmente aus Lava-Gestein.

Steinbruch als unvergleichlicher Inspiration-Quell

Die im Pirna gezeigten Arbeiten bilden ein breites künstlerisches Spektrum ab, wenngleich es immer schwerer fällt, das Symposium aufrechtzuerhalten. „Seit der Wende“, sagt Marguerite Blume-Cárdenas, „bestimmt die Ökonomie die Größe der Kunst.“ Die meisten Arbeiten fallen längst kleiner aus, meist in solchen Größen, dass man die Werke noch ohne großen technischen Aufwand transportieren kann. Früher wagten sich die Bildhauer auch an größere Brocken, doch mittlerweile fehlt das Geld für Gabelstapler oder Lkws.

Auch die Dauer des Symposiums hat sich mittlerweile verkürzt. Früher, zu DDR-Zeiten, trafen sich die Künstler zweimal im Jahr für jeweils vier Wochen in Reinhardtsdorf, aus finanziellen Gründen schrumpfte der Zeitraum später auf einmal vier Wochen, derzeit sind es nur noch 14 Tage. Das liegt vor allem auch daran, dass die Quartiere inzwischen so teuer geworden sind, dass sich Übernachtungen über diesen Zeitraum hinaus nicht mehr finanzieren lassen.

Gleichwohl setzt Marguerite Blume-Cárdenas alles daran, das Symposium auch in den kommenden Jahren zu organisieren. Für sie ist der Austausch der Künstler untereinander wichtig. Außerdem ist man für diesen Zeitraum mal weg aus dem gewohnten Umfeld, in Reinhardtsdorf können sich die Kunstschaffenden rein auf das Kreative konzentrieren.

Überdies schätzen die Bildhauer an dem Symposium in der Sächsischen Schweiz das Ursprüngliche, nach wie vor gibt es im Reinhardtsdorfer Steinbruch weder Wasser noch Strom, alles entsteht in Handarbeit, selbst große Blöcke werden mit Keilen und Muskelkraft zerteilt, weil elektrische Geräte nicht funktionieren. Das meiste Werkzeug stammt noch aus DDR-Zeiten, die Künstler hüten es wie ihre Augäpfel. Unschlagbar ist auch die Inspiration, die von diesem besonderen Arbeitsort ausgeht. „Es ist doch toll“, sagt Marguerite Blume-Cárdenas, „dass die Kunst dort entsteht, wo der Stein abgebaut wird.“

Sonderausstellung „STEIN BRUCH ZEIT“, 25. Februar bis 23. Juni 2024, Stadtmuseum Pirna, Klosterhof 2, geöffnet dienstags bis sonntags sowie feiertags jeweils von 10 bis 17 Uhr, Eintritt sechs, ermäßigt vier Euro (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt).