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Südumfahrung Pirna: Endlich Licht am Ende des Kohlbergtunnels

Die Tunnelbauer schaffen den ersten Durchschlag zur Ostseite des Kohlbergs. Eine wichtige Person fehlt aber bei dem denkwürdigen Ereignis.

Von Thomas Möckel
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Der erste Durchschlag am Kohlbergtunnel ist geschafft: Mineure winken aus der Öffnung in der Ostwand.
Der erste Durchschlag am Kohlbergtunnel ist geschafft: Mineure winken aus der Öffnung in der Ostwand. © Karl-Ludwig Oberthür

Das große Wummern beginnt am Donnerstagnachmittag Punkt 13 Uhr, Schauplatz ist das künftige Ostportal des Kohlbergtunnels, Teil der Pirnaer Südumfahrung, die die Deutsche Einheit-Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH (Deges) seit 2017 errichten lässt. Die 3,8 Kilometer lange Trasse soll einmal die Pirnaer Innenstadt spürbar vom Durchgangsverkehr entlasten. Vor allem der Berufs- und Ausflugsverkehr soll auf diese Weise am Zentrum vorbeirollen.

Bislang war das Ostportal des Tunnels, das zum Gottleubatal zeigt, noch verschlossen, gesichert mit einer Art Vordach und einer Wand aus Spritzbeton. Die Tunnelbauer arbeiten sich vom Seidewitztal aus durch das Massiv, 300 Meter wird der Tunnel einmal lang sein, 250 Meter davon entstehen unter Tage.

Nun aber wummert es gewaltig hinter der Ostwand, immer im selben Rhythmus, tak, tak, tak, dumpf, monoton, laut. Dazwischen immer wieder Pause, Stille, dann wieder tak, tak, tak. Über 50 Menschen, meist blau oder weiß behelmt und orange bewestet, schauen gebannt in Richtung Geräusch, noch aber gibt es nichts zu sehen. Doch nach den nächsten Schlägen rieselt erster Beton herunter, erst zaghaft, dann immer größere Stücke.

Tak, tak, tak, auf der anderen Seite wummert es jetzt behutsamer, Metall quietscht auf Metall, der stählerne Meißel des Tunnelbaugerätes taucht auf, schiebt Beton und Stahlbewehrung beiseite, die Öffnung wird größer, ein Baulicht ist drinnen zu sehen, 13.10 Uhr fällt eine riesige Betonplatte aus der Ostwand. Dann wird es ganz still. Wenig später stellen sich sechs Tunnelbauer in das eben geschlagene Loch, winken, prosten sich zu. Die Zuschauer applaudieren.

Einen Meilenstein erreicht

Worauf die Mineure in der Öffnung, die im Durchmesser reichlich zwei Meter misst, anstoßen, ist ein wichtiger Zwischenschritt bei Pirnas größtem und teuerstem Straßenbauvorhaben. Ihnen ist nun der erste Durchschlag gelungen, so heißt das im Fachjargon, wenn der Tunnel von einer Seite zur anderen durchbrochen ist.

Noch ist der Durchschlag nicht vollkommen, aber zumindest auf der nördlichen Seite der künftigen Röhre ist nun Licht am Ende des Tunnels, aus dem Tunnel kann man jetzt auf die Pfeiler der späteren Gottleubatalbrücke schauen. "Für uns ist das ein Meilenstein", sagt Gunnar Wolf, Projektleiter für die bauausführende Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den Firmen "Alfred Kunz Untertagebau" und "Bistra Bau".

Das Frühjahr 2022 sei laut Wolf der Ziel-Termin für den ersten Durchschlag gewesen – ein Termin, der unter den gegebenen Bedingungen realistisch erschien. Denn eigentlich wollten die Mineure die Ostseite des Kohlbergs schon viel früher erreichen. Doch nicht alles lief auf der Baustelle wie geplant, und zu den bekannten geologischen Schwierigkeiten gesellten sich weitere Probleme hinzu.

Tunnelbau-Projektleiter Gunnar Wolf: Der erste Durchschlag ist für uns ein Meilenstein.
Tunnelbau-Projektleiter Gunnar Wolf: Der erste Durchschlag ist für uns ein Meilenstein. © Karl-Ludwig Oberthür
Spannung gegenüber: Zuschauer und Bauleute verfolgen die Arbeiten an der Tunnel-Ostwand.
Spannung gegenüber: Zuschauer und Bauleute verfolgen die Arbeiten an der Tunnel-Ostwand. © Karl-Ludwig Oberthür
Die dunkle Seite der Röhre: Blick vom Kohlbergtunnel durch die Öffnung in Richtung Gottleubatal.
Die dunkle Seite der Röhre: Blick vom Kohlbergtunnel durch die Öffnung in Richtung Gottleubatal. © Deges

Da auf dem Kohlberg ein streng geschützter Mischwald steht, verbot sich ein Tunnelbau in offener Bauweise. Die Röhre musste somit im sogenannten bergmännischen Vortrieb durch das Massiv getrieben werden – angesichts des mürben Gesteins im Kohlberg eine ohnehin sehr langsame Bauweise. Sprengen bringt laut der Fachleute an dieser Stelle nichts, weil die Explosionen aufgrund des bröseligen und wenig Gegendruck aufbauenden Berg-Innenlebens wirkungslos verpuffen.

Mehrere Monate Bauverzug

So bleibt nur, Fels und Erdreich aus dem Berg zu pickern. Wegen der schwierigen geologischen Verhältnisse haben die Fachleute die künftige Tunnelröhre in sechs Segmente eingeteilt, die nach festgelegter Reihenfolge aus dem Massiv gebrochen werden. Die vom Seidewitztal aus gesehen linke Tunnelseite ist dabei im Vorlauf, dann folgt die rechte, das Mittelteil bleibt am längsten als Stabilisator stehen. Bei einem Arbeitsschritt konnten die Mineure lange nur eine 80 Zentimeter starke Schicht aus dem Fels meißeln, danach musste immer aufwendig gesichert werden.

Tunnelanschlag, so heißt der offizielle Baubeginn, war im September 2020, Ende 2021 sollte der erste Durchbruch geschafft sein. Doch im Frühjahr 2021 mussten die Arbeiten am Tunnel coronabedingt mehrere Wochen ruhen, dann durfte eine Zeit lang nur tagsüber gearbeitet werden, weil die Nachtbeleuchtung zu viele Fledermäuse anlockte. Von Mitte Juli bis Mitte Oktober ruhte der Tunnelbau vollständig, weil sich die Baufirmen mit der Deges um Vertragsdetails und Geld stritten und zudem die Bautechnologie den besseren geologischen Bedingungen im Berginnern angepasst werden musste. Nun sind alle erleichtert, dass der erste Durchbruch geschafft ist.

Die Tunnelpatin fehlt

Allerdings war die kollektive Freude beim Tunneldurchschlag etwas getrübt, weil eine wichtige Person fehlte – die Tunnelpatin, sozusagen die irdische Repräsentantin der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. Als solche fungiert seit September 2020 Susann Dulig, Gattin des sächsischen Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD). Eigentlich wollten die Tunnelbaufirmen anlässlich des ersten Durchschlags gar keinen offiziellen Termin machen, dann aber doch, luden dazu aber so kurzfristig - am Nachmittag vorher - ein, dass nichts mehr zu machen war: Weil Osterferien sind, weilen Duligs im Urlaub.

Vertreter des Ministeriums waren entsprechend verschnupft, immerhin gelang es ihnen aber, einige Worte der Tunnelpatin aus der Ferne einzuholen. "Allen Beteiligten ist bewusst, dass Pirna auf eine Entlastung von Verkehrslärm und Abgasen wartet. Trotz der zusätzlichen Belastungen durch die Pandemie kamen die Bauarbeiten gut voran – und vor allem verliefen sie unfallfrei", lässt Susann Dulig ausrichten. Sie dankte den Mineuren für ihr Engagement und wünscht ihnen für die Zeit bis zur Verkehrsfreigabe optimales Bauwetter und einen reibungslosen Ablauf.

Das können sie auch brauchen, denn noch ist einiges zu tun. Laut Gunnar Wolf wollen die Tunnelbauer am Wochenende komplett den Durchbruch auf der vom Seidewitztal aus gesehen linken Tunnelseite schaffen. Auf der rechten Seite werden sie dafür noch vier bis fünf Wochen brauchen, etwa 25 Meter Fels trennen sie dort noch von der Ostwand. Wenn rechts der Durchschlag geschafft ist, können die Mittelsegmente entfernt werden. Theoretisch ist es möglich, den kompletten Tunneldurchschlag bis Ende 2022 zu schaffen, wahrscheinlicher ist aber das Frühjahr 2023. Nach dem Innenausbau könnte der Kohlbergtunnel insgesamt dann Mitte 2024 fertig sein.