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Warum Pirnas Kamelien nur mit viel Glück überlebten

Im Landschloss Zuschendorf erblühen die Pflanzen wieder prächtig – was auch einigen Wundern und mehreren Enthusiasten zu verdanken ist.

Von Thomas Möckel
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Trägt den Namen eines Bewahrers: Kamelien-Sorte "Bernhard Lauterbach", benannt 1956, sie blieb die einzige DDR-Sorte.
Trägt den Namen eines Bewahrers: Kamelien-Sorte "Bernhard Lauterbach", benannt 1956, sie blieb die einzige DDR-Sorte. © Botanische Sammlungen Pirna-Zuschendorf

Die Botanischen Sammlung der TU Dresden am Pirnaer Landschloss Zuschendorf beherbergen einen gewaltigen Pflanzenschatz: neben Azaleen, Hortensien und anderen vor allem Kamelien, eine ursprünglich in Ostasien beheimatete Gehölzart. 1792 kam die erste gefüllte, weiße Kamelie nach Europa, die Blüten entwickelten sich rasch zur Modeblume.

Der meisten Kamelien in der Zuschendorfer Flora-Schatzkammer stammen aus der sogenannten Seidelschen Züchtung - Johann Heinrich Seidel war einst Hofgärtner am Dresdner Königshof - aber auch aus anderen Gärtnereien. Ein Großteil der von weiß bis rot in den schönsten Zwischenschattierungen blühenden Gehölze am Landschloss sind weit über 100 Jahre alt. Etwa 220 Sorten und Arten sind dort beheimatet, zu sehen in Gewächshäusern auf einer Schauglasfläche von 1.700 Quadratmeter.

Alljährlich Anfang März setzt das Blütenwunder ein. Abertausende Blüten sind dann zu bestaunen, hinzu kommen die sächsische und deutsche Kamelienblütenschau im Landschloss, bei denen Blüten aus Sachsen und später aus dem ganzen Bundesgebiet in wundervoll arrangierte Schaubilder drapiert werden, jedes Jahr aufs Neue ein Besuchermagnet. Die diesjährige Schau steht nach Aussage von Matthias Riedel, Leiter der Botanischen Sammlungen, unter dem Motto „Kamelien – Die Wechselspiele des Lebens“. Wechselvoll ist die Geschichte in der Tat, dass heute so viele der Gehölze in den Gewächshäusern zu sehen sind, grenzt schon an ein Wunder – und ist vor allem einer gehörigen Portion Glück sowie einigen Enthusiasten zu verdanken.

Mitten im Krieg das Leben geschenkt

"Schicksalhafte Ereignisse", sagt Riedel, "begleiten unsere Kamelien seit ihrer Geburt." Im Jahr 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde ihnen durch geschickte Gärtnerhände das Leben geschenkt. Da habe, so Riedel, schon eine Menge Weit- und Zuversicht dazugehört, dies in einer wirklich dunklen Zeit zu veranlassen. Der Krieg zog sich dann länger hin als gedacht, danach gab es Hungerwinter, kein Heizmaterial, hohe Inflation. Aufgrund der nicht enden wollenden Probleme gaben viele Gärtnereien auf.

Doch die Menschen lechzten auch nach Schönem, zudem sollte der Absatz der Gärtner angekurbelt werden. Als Lösung bot sich 1926 das 100-jährige Jubiläum der Sächsischen Gesellschaft für Botanik und Gartenbau „Flora“ für eine große Jubiläumsausstellung an. Drei Millionen Gäste besuchten die Schau mit weit über 1.000 Ausstellern. Allein die 50 mal 20 Meter große Halle der Dresdner Firma „T.J. Seidel“ war sensationell.

Doch bald darauf nahte die Weltwirtschaftskrise, auch dem Seidel-Betrieb ging es schlecht, ständig mussten Gärtner entlassen – und wenn es ging – wieder eingestellt werden. Hinzu kam, dass die Kamelien-Sortimente bereinigt wurden, Sammlungen wurden in vielen Gärtnereien als wenig nutzbringend abgeschafft – allerdings nicht in der Gärtnerei Seidel, die 1938 ihr 125-jähriges Bestehen feierte. So überlebten auch die heutigen Zuschendorfer Kamelien diese Zeit.

Üppige Blütenpracht: Schaugewächshaus in Pirna-Zuschendorf mit 100 Jahre alten Kamelien.
Üppige Blütenpracht: Schaugewächshaus in Pirna-Zuschendorf mit 100 Jahre alten Kamelien. © Botanische Sammlungen Pirna-Zuschendorf

Überwintert in japanischen Erdkästen

Kurz darauf kam jedoch die nächste Katastrophe. Wieder war Krieg, der Betriebsinhaber und sein ältester Sohn fielen an der Ostfront, die Frau stand nicht nur mit dem Betrieb, sondern auch mit den fünf Kindern allein da. Die Gärtnerei produzierte nun hauptsächlich Gemüse. Die Kameliensammlung überstand gleichwohl diese Zeit.

Dass die Zuschendorfer Kamelien generell überlebten, ist weitgehend zwei glücklichen Umständen zu verdanken. Um die Massenproduktion von Kamelien ausdehnen zu können, ohne teure Gewächshäuser zu bauen, führte Hermann Seidel bereits in den 1870er Jahren eine Idee aus Japan ein. Er ließ tiefe Erdkästen bauen, darin konnten die kälteempfindlichen Kamelien durch die Erdwärme gut überwintern. Im Winter wurden die Kästen mit Brettern und Laub abgedeckt und mussten - vor allem in Zeiten raren Brennmaterials - nur wenig geheizt werden.