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„Plötzlich kommt ohne Erklärung Geld“

Rechtsanwalt Jörg Dänzer hat mit der Unfallflucht von Reinersdorf einen höchst dubiosen Fall auf dem Tisch.

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Mario Hoffmann zeigte der SZ Ende November noch einmal vor Ort die genaue Unfallstelle, an der sein Sohn mit seinem Moped von einem Golf überfahren und liegengelassen wurde.
Mario Hoffmann zeigte der SZ Ende November noch einmal vor Ort die genaue Unfallstelle, an der sein Sohn mit seinem Moped von einem Golf überfahren und liegengelassen wurde. © Kristin Richter

Rechtsanwalt Jörg Dänzer aus Großenhain vertritt den 16-jährigen Danny Hoffmann, der am 18. April dieses Jahres von einem Auto auf seinem Moped an der Kreuzung Kalkreuth-Göhra trotz Vorfahrt überfahren und schwer verletzt wurde.

 Der Unfallverursacher machte sich nach kurzem Halt hinter der Kreuzung aus dem Staub. Viele Details sind seitdem bekannt. Dass der Verursacher in Ebersbach den Golf mit dunkelblauem Mineraleffekt abholte zum Beispiel, mit roten Kennzeichen eines Großenhainer Autohauses. 

Bekannt ist auch, dass der Täter nach seiner Flucht auch in Großenhain fast einen Crash verursacht hätte und dazu Anzeige erstattet wurde. Die Ermittler fanden jedoch bislang weder das Tatfahrzeug, das angeblich nach Osteuropa verkauft sein soll, noch konnte dem Verdächtigen nachgewiesen werden, dass er tatsächlich selbst gefahren ist.

So ist der Stand, seit der Fall im Mai in Kripo live rekonstruiert wurde. Gerade als nichts mehr vorwärtszugehen scheint in den Ermittlungen, platzt die Nachricht herein, dass Jörg Dänzer von einer Haftpflichtversicherung 15 000 Euro Schmerzensgeld-Vorschuss überwiesen wurden. Ohne Erklärung und freiwillig. Die SZ fragte Jörg Dänzer, wie er den Fall sieht.

Herr Dänzer, ist Ihnen das schon einmal passiert, dass eine Versicherung freiwillig zahlt?

Nein, das habe ich wirklich noch nicht erlebt, dass eine Versicherung freiwillig zahlt, vor allem ohne ein Schreiben.

Ohne Schreiben? Wie kam es denn dann dazu?

In den Ermittlungsakten wurde eine mögliche Versicherung genannt, die habe ich zunächst angeschrieben. Als Antwort kam, dass das genannte Kennzeichen zu einer anderen Versicherung gehört. Also habe ich mich dorthin gewandt. Und die haben tatsächlich anstandslos die ersten 15 000 Euro gezahlt. Ohne Anschreiben, ohne Erklärung.

Weil herauskäme, wer gefahren ist?

Könnte man so sagen. Aber die Versicherung muss mir das als Anwalt des Opfers nicht mitteilen. Der Versicherte muss das seiner Versicherung gegenüber allerdings schon sagen, das steht in allen Verträgen. Ob die Versicherung beim Versicherungsnehmer Regress fordert, ist eine ganz andere Geschichte.

Was werden Sie jetzt tun?

Zunächst abwarten, ob noch ein Schreiben eintrifft und dann die nächste Rate für meinen Mandanten geltend machen.

Jörg Dänzer ist seit der Wende Anwalt. Er arbeitet in Kanzleien in Dresden, Großenhain und Dippoldiswalde.
Jörg Dänzer ist seit der Wende Anwalt. Er arbeitet in Kanzleien in Dresden, Großenhain und Dippoldiswalde. © Eric Münch

Wie läuft so etwas? Ergibt sich ein Schmerzensgeld aus den Behandlungskosten oder gibt es Pauschalen für Verletzungen in Deutschland?

Im Idealfall ist die Behandlung abgeschlossen und es besteht Klarheit über die Behandlungs- und Folgekosten. Soweit zur Theorie. Das ist selten so. Bei Danny liegt der Fall noch schwieriger. Es ist weder absehbar, wie viele Operationen noch nötig sein werden, geschweige denn Folgeschäden.

Danny hat zwölf Hauptbrüche, 30 Frakturen und ein Schädel-Hirn-Trauma davongetragen. Er konnte seine Lehre nicht anfangen und wird diesen Beruf wohl nie lernen können. Da ist gar nichts abschätzbar. Grundsätzlich kann man sagen, es gibt einen umfangreichen Schmerzengeldkatalog mit allen relevanten Urteilen zu den verschiedensten Verletzungen, an denen sich die Gerichte orientieren.

Unter Anwälten salopp als Knochentabelle bekannt. Aber da sind wir erst beim Thema Haftung. Was später einmal mit möglichen Rentenansprüchen ist, kann noch niemand sagen.

Das klingt, als liefen solche Prozesse öfter auf Gutachter-Gefechte hinaus.

Oft ist das der Fall. Umso erstaunlicher ist es ja, dass hier ohne mit der Wimper zu zucken gezahlt wurde.

Ist denn nun die Handyortung in diesem Fall erlaubt oder nicht? Darum gibt es immer noch Unklarheit.

Ich sage mal so, wenn es genügend begründete Verdachtsmomente gibt – schon. Die Untersuchungen laufen noch, so die Staatsanwaltschaft. Es bringt auch nichts, da zu schimpfen. Man mag ja die Regelungen dazu finden, wie man will, aber wenn eine Handyortung erfolgt und dann heißt es, das war nicht zulässig, dann zählt nichts vor Gericht. Egal was herauskommt. Und das will doch sicher auch niemand. Am wenigsten die betroffene Familie. Auch wenn das sehr schwer auszuhalten ist.

Wenn die Ermittler das Handy haben, gibt es dann vielleicht andere interessante Fakten?

Ja. Die Ermittler konnten feststellen, der Verdächtige hat am Tag nach dem Unfall zwei Dinge gegoogelt. Einmal, die Folgen nach einer Unfallflucht und zum Zweiten, wie man Folie von Autoscheiben entfernt.

Oh. Reicht das nicht?

Wir werden es sehen.

Das Gespräch führte Birgit Ulbricht.

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