SZ + Riesa
Merken

180 Skelette, 14 Grüfte – und zwei Rasierschalen

Die Grabungen der Archäologen am Riesaer Rathausplatz sind abgeschlossen. 

Teilen
Folgen
NEU!
Ein Blick aus dem Riesaer Rathaus zeigt das Areal der archäologischen Grabungen. Diese wurden jetzt abgeschlossen.
Ein Blick aus dem Riesaer Rathaus zeigt das Areal der archäologischen Grabungen. Diese wurden jetzt abgeschlossen. ©  Klaus-Dieter Brühl

Riesa. Seit März hatte das Landesamt für Archäologie die Bauarbeiten auf dem Areal begleitet und dabei zahlreiche Überreste des ehemaligen Friedhofes rings um die Klosterkirche entdeckt. 

Bislang wurden 180, teilweise beschädigte Skelette, 14 Grüfte, Reste von Särgen, eine Totenkrone sowie zwei Schalen aus Keramik dokumentiert. Die Bestattungen können so auf das 12. bis Anfang des 19. Jahrhunderts datiert werden. Viele Funde wurden in der Erde belassen. Nur das, was durch den Bau gefährdet war, wurde geborgen und liegt nun im Landesamt in Dresden. (SZ/ste)

Die Bauleute der Strabag sind wieder am Zug. Die Erneuerung von Straße und Fußweg vor dem Rathaus gehören zum letzten Bauabschnitt.
Die Bauleute der Strabag sind wieder am Zug. Die Erneuerung von Straße und Fußweg vor dem Rathaus gehören zum letzten Bauabschnitt. ©  Klaus-Dieter Brühl

Es muss fix gebaut werden

„Wir liegen in den allerletzten Zügen“, sagt Grabungsleiter Volkhard Hirsekorn vom Landesamt für Archäologie zu den Arbeiten am Rathausplatz. Die Grabungen seien im Prinzip beendet. 

Allerdings werde man noch die Erneuerung des Fußweges am Rathaus begleiten, obwohl die Archäologen dort keine weiteren Funde erwarten. Dafür sei die Bautiefe zu gering. „Wir standen von Anfang an unter Zeitdruck“, so Volkhard Hirsekorn.

 Dank der zusätzlichen Helfer von der AGV sei man aber gut vorangekommen. Jetzt liege die Baustelle wieder in den Händen der Baufirmen – zum Tag der Sachsen Anfang September soll der Rathausplatz fertig sein.

Die Keramikschale ist mehr als 200 Jahre alt und wurde in einer Gruft am Rathausplatz gefunden.
Die Keramikschale ist mehr als 200 Jahre alt und wurde in einer Gruft am Rathausplatz gefunden. © Klaus-Dieter Brühl

Archäologen finden zwei alte Keramikschalen

In zwei der gefundenen Grüfte sind die Archäologen nahe der Grundschule auf Bauernkeramik gestoßen. Volkhard Hirsekorn datiert die beiden Schalen zurück ins 18. bis Anfang 19. Jahrhundert. „Sie stehen meist in Zusammenhang mit der Totenwäsche oder der Totenrasur“, sagt Landesamt-Sprecherin Cornelia Rupp, „die wurden meist mit ins Grab gegeben, da sie keiner mehr benutzen wollte.“ 

Die zwei Schalen sind sehr gut erhalten. Für die Keramik wurden wohl eine sogenannte Engobe, eine dünnflüssige Tonmineralmasse als Glasur, sowie sogenannte Malhörnchen zur Verzierung verwendet. Damit wurde u. a. ein Hirsch samt Tannenbaum gemalt. Grundsätzlich galten Grabbeigaben zwar als unchristlich. Trotzdem sei es ungewöhnlich, dass man am Rathausplatz bis auf eine Totenkrone keine persönlichen Gegenstände wie Schmuck fand.

Grabungsleiter Volkhard Hirsekorn dokumentierte im Mai die gefundenen Grüfte. Sie wurden wieder zugeschüttet.
Grabungsleiter Volkhard Hirsekorn dokumentierte im Mai die gefundenen Grüfte. Sie wurden wieder zugeschüttet. ©  Sebastian Schultz

Die Grüfte bleiben verfüllt unter der Erde

Zwischen dem aktuellen Bauschild der Strabag und dem Ende der Baustelle an der Klosterkirche haben die Archäologen insgesamt 14 Grüfte entdeckt. Sie alle haben einen rechteckigen, etwa zwei mal einen Meter großen Unterbau und sind einen knappen Meter hoch. 

Wahrscheinlich erst nach der Bestattung wurde darüber das Tonnengewölbe aus Backstein mithilfe eines Holz-Gerüstes errichtet, sagt Volkhard Hirsekorn. Das Gerüst blieb dann einfach in der Gruft zurück. Dafür spreche, dass man neben Sargbrettern und Sarggriffen aus massivem Eisen auch minderwertiges Holz in den Grüften entdeckt hat.

Pro Gruft wurde vor etwa 200 bis 300 Jahren immer nur ein Toter bestattet. Genaueres wisse man über die Skelette bislang nicht. Eventuell können forensische Untersuchungen im Landesamt Dresden Aufschluss geben: „Die Skelette wurden nur dann aus den Grüften genommen, wenn sie durch den Bau von einer Zerstörung bedroht waren“, so Volkhard Hirsekorn. 

Ansonsten wurden die Grüfte abgedeckt und verfüllt, um einen Einbruch der Hohlräume zu verhindern. Auch die gefundene Totenkrone blieb deshalb unter der Erde.

Die Skelette am Rathausplatz lagen bis zu zwei Meter unter der Erde. An manchen Stellen, zum Beispiel unter dem Markt-Areal, aber auch nur 50 Zentimeter. 
Die Skelette am Rathausplatz lagen bis zu zwei Meter unter der Erde. An manchen Stellen, zum Beispiel unter dem Markt-Areal, aber auch nur 50 Zentimeter.  ©  Sebastian Schultz

Die Gräber liegen in bis zu vier Schichten übereinander

Die Gräber liegen in bis zu vier Schichten übereinander: Insgesamt 180 Skelette und damit mehr als zunächst angenommen haben die Archäologen am Rathausplatz gefunden. Dort hat sich seit der Gründung des Riesaer Klosters ein Friedhof befunden. 

Durch den Bau bedingt, haben die Archäologen vor allem an der Straße vor dem Rathaus bis zu zwei Meter tief gegraben und dabei bis zu vier Lagen Gräber übereinander entdeckt. Auffällig: Zwischen Ratskeller und Klosterkirche (nicht im Bild) sind die Toten wahrscheinlich nur in Tücher gewickelt bestattet wurden. In Höhe Klosterkirche wurde dagegen eine Vielzahl von Sargnägeln gefunden, die auf eine Erdbestattung in Särgen hinweisen.

Auf beiden Seiten wurden zudem auch sogenannte Kopfnischengräber entdeckt. Die sind eher selten und werden auf das 12. und 13. Jahrhundert zurück datiert.