Abgezockt vom Reiseunternehmen

Radebeul. Auf diesen Ausflug hatte sich Gisela Franke schon besonders gefreut. Paris im Advent, das klang nach einem schönen Angebot. Die Radebeulerin ist unternehmungslustig, mit ihrer Freundin aus Coswig war sie schon an vielen schönen Orten. „Wir kennen uns seit über 40 Jahren“, erzählen die Seniorinnen.
Früher arbeiteten sie zusammen in Radebeul im Kindergarten, seit der Rente sind sie regelmäßig zusammen auf Reisen. Doch aus Paris sollte nichts werden. Seit Monaten ärgern sich die Frauen jetzt mit dem Reiseunternehmen herum und kämpfen darum, ihr Geld zurückzubekommen.
Die Firma Aventia Touristik bietet Pauschalreisen an: Busfahrt, Übernachtung, Programm – alles ist organisiert. Gerade Rentner nutzen solche Angebote gerne, bei denen sie sich um nichts mehr kümmern müssen. Auch Gisela Franke und ihre Freundin buchen über den Anbieter.
699 Euro überweisen sie an das Unternehmen. Im November 2019 bekommen sie jedoch die Nachricht: Die Reise musste abgesagt werden, weil nicht genügend Teilnehmer zusammengekommen sind. Der Veranstalter bietet zwar einen alternativen Termin oder eine ganz andere Reise an die Bernsteinküste an, doch das möchten die Rentnerinnen nicht, sie wollen stattdessen ihr Geld zurück.
Offenbar kein Einzelfall
Den weiteren Ablauf hat Gisela Franke schriftlich festgehalten. Wie oft sie bei Aventia Touristik angerufen hat und ihr zugesichert wurde, dass das Geld zurücküberwiesen wird. Wie oft sie dort hingeschrieben hat, weil trotz Versprechen nichts kam. Inzwischen sind mehr als drei Monate vergangen, aber die Radebeulerin und ihre Freundin warten noch immer auf das Geld.
Auf ein Datum legte sich das Unternehmen nie fest. Von „zeitnah“ war die Rede. „Das ist ein dehnbarer Begriff“, schimpft die 83-Jährige. Eine Antwort auf ihren letzten Brief von Mitte Februar, in dem sie das Unternehmen mit Sitz in Cloppenburg in Niedersachsen noch einmal zum Zahlen aufforderte, ist nicht gekommen.
Offenbar kein Einzelfall. Im Internet finden sich zig Negativbewertungen zu Aventia Touristik. Immer wieder werden ähnliche Fälle geschildert: Die gebuchte Reise wurde wegen geringer Teilnehmerzahl vom Veranstalter abgesagt, das Geld aber nicht zurückgezahlt. Erst nach Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens habe er die Reisekosten erstattet bekommen, schreibt beispielsweise ein Mann, der mit dem Anbieter nach Prag reisen wollte.
Unternehmen taktierten oft
Auch bei Claudia Neumerkel von der Verbraucherschutzzentrale Sachsen klingeln beim Namen des Reiseunternehmens die Alarmglocken. Dieser Anbieter sei bekannt dafür, Reisen anzubieten, von denen viele nicht stattfinden. Die Kunden bekämen anschließend nur schwer ihr Geld zurück. Die Expertin empfiehlt, hartnäckig zu bleiben.
Leider sei es kein seltenes Verhalten in der Reisebranche, Rückzahlungen auf die lange Bank zu schieben. Die Unternehmen warteten oft ab und taktierten, ob der Kunde überhaupt einen langen Atem hat. „Die Anbieter müssen merken, dass die Kunden nicht von ihren Ansprüchen abrücken und dass sie sich bewegen müssen“, sagt Claudia Neumerkel.
Sie rät, Briefe immer per Einschreiben zu schicken, um den Kontakt belegbar zu machen. Wenn trotz allem keine Reaktion kommt, sollte man sich von einem Anwalt vertreten lassen. Das empfiehlt sie auch den Frauen aus Radebeul und Coswig, auch wenn damit wiederum Kosten auf sie zukommen.
Seniorinnen wollen hartnäckig bleiben
Bei kleineren Rückforderungen unter 150 Euro lohne sich das allerdings finanziell leider nicht. Betroffene können sich auch bei der Verbraucherzentrale melden und Tipps abholen. Gerade für ältere Menschen sei es nach wie vor eine sicherere Variante, Reisen im Reisebüro zu buchen, weil man dann bei Problemen einen Ansprechpartner vor Ort habe.
Auf eine Anfrage von Sächsische.de erklärte Aventia Touristik per E-Mail, dass der Fall ihnen zurzeit leider nicht bekannt sei. Man werde dies aber umgehend prüfen und dann gegebenenfalls zur Überweisung bringen.
Den beiden Seniorinnen aus Radebeul und Coswig ist die Freude am Reisen zwar noch nicht vergangen, an diesem Anbieter aber schon, sagen sie. Sie wollen weiter hartnäckig bleiben, um ihr Geld zurückzubekommen.
Update: Nachdem die Sächsische Zeitung den Fall veröffentlichte, hat das Reiseunternehmen das Geld an die Frauen überwiesen.
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