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AfD-Kreisrat tobt im Landratsamt

Der Oderwitzer Eberhard Hänsch soll an der Nötigung einer Mitarbeiterin der Behörde beteiligt gewesen sein. Ging es um Reichsbürger? Die AfD reagierte.

Von Anja Beutler
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Eberhard Hänsch ist für die AfD in Kreistag und Oderwitzer Gemeinderat eingezogen. Er fiel im Zittauer Landratsamt durch ungebührliches Verhalten auf.
Eberhard Hänsch ist für die AfD in Kreistag und Oderwitzer Gemeinderat eingezogen. Er fiel im Zittauer Landratsamt durch ungebührliches Verhalten auf. © Montage: Bildstelle/ Fotos: Lange/ privat

Als am 26. November gegen 16.30 Uhr die Polizei in der Zittauer Hochwaldstraße eintrifft, war die Situation eskaliert: Eine Mitarbeiterin des Landkreises hatte um Hilfe gerufen, weil sie sich von drei Männern bedrängt fühlte. Einer von ihnen ist Eberhard Hänsch, der für die AfD sowohl im Kreistag als auch im Gemeinderat in Oderwitz sitzt.

Zwar ist Hänsch offenbar nicht der Ausgangspunkt der Differenzen - die Polizei ermittelt gegen einen 44-jährigen Zittauer, gegen den sie nun auch ein Strafverfahren eröffnet hat. Aber die Beteiligung an dem Vorfall ist auch für seine Parteifreunde Grund genug, darauf zu reagieren. "Nachdem ich Kenntnis von dem Vorfall erhalten habe, habe ich den Fraktions- und den Kreisvorstand informiert, mein Missfallen über den Vorgang zum Ausdruck gebracht und Maßnahmen gefordert", erklärt der Vorsitzende der AfD-Kreistagsfraktion Hans-Gerd Hübner auf SZ-Nachfrage. Ein solches Verhalten, so findet Hübner, sei eines Kreistagsmitgliedes unwürdig.

Persönliche Entschuldigung der Fraktion

Es folgten dann Versammlungen von Fraktion und Vorstand - und die Möglichkeit für den Oderwitzer, sich zu äußern. Am Ende aber stehen nach alledem zwei Konsequenzen, beschreibt Hübner: "Herr Hänsch ist inzwischen aus der AfD ausgetreten und hat auch einen Antrag auf Niederlegung seines Kreistagsmandates eingereicht." Unabhängig von diesen beiden persönlichen Entscheidungen Eberhard Hänschs hätte ihn die Fraktion ohnehin in ihren Reihen ausgeschlossen, betonte Hübner.

"Ich habe mich außerdem im Namen der Fraktion bei der betroffenen Mitarbeiterin des Landratsamtes persönlich entschuldigt", teilt der Fraktionsvorsitzende mit. Nach SZ-Informationen war er tatsächlich zeitnah in der Zittauer Außenstelle des Landratsamtes und hat die bedrohte Mitarbeiterin mit einem Blumenstrauß um Entschuldigung gebeten.

Die Reaktion der AfD-Fraktion gründete in diesem Fall ausschließlich im Verhalten des bisherigen Parteimitglieds, machte Hübner deutlich und fügte an: "Über den Hintergrund der Auseinandersetzung oder deren Inhalte kann ich keine Angaben machen." Zu den Vorgängen, Hintergründen und seiner Sicht der Dinge wollte die SZ auch mit Eberhard Hänsch sprechen. Ein Kontakt- und Kommunikationsangebot nahm dieser aber über mehrere Tage hinweg bis zum Redaktionsschluss nicht wahr.

Möglicherweise wäre auch der Ausgangspunkt der Streitigkeit ein Grund gewesen, über die Eignung des Oderwitzers für die Parteiarbeit in den Gremien nachzudenken. Nach SZ-Informationen soll es sich bei dem Streit um einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis gedreht haben, der umgangssprachlich wegen seiner Farbe auch "gelber Schein" genannt wird.

Dieses Dokument klärt die Abstammung einer Person, er wird vom Landratsamt nur auf Antrag und nach schriftlicher Begründung ausgestellt. Allein der Wunsch nach einem solchen Ausweis reicht dafür nicht aus, wenn die Staatsangehörigkeit zweifelsfrei und daher auch nicht klärungsbedürftig ist. Üblich ist ein solcher Antrag beispielsweise bei Ausländern, die hier leben und feststellen lassen wollen, ob sie der Abstammung nach Deutsche sind.

Papier bei Reichsbürgern beliebt

In Reichsbürger-Kreisen ist das Papier allerdings sehr begehrt, erkennen doch die Mitglieder dieser Szene die Bundesrepublik nicht an. Dass es konkret um ein solches Papier gegangen ist, will die Polizei aus "ermittlungstaktischen Gründen" zwar nicht bestätigen. Allerdings werde in den Ermittlungen zu klären sein, ob der 44-Jährige der Reichsbürgerszene nahe stehe, teilte die Sprecherin der Polizeidirektion Görlitz, Katharina Korch auf Nachfrage mit.

Wie selten der Kreis inzwischen solche Staatsangehörigkeitsausweise ausstellt, zeigt sich indes an den aktuellen Zahlen: In diesem Jahr sind 13 derartige Papiere ausgestellt worden, im vergangenen Jahr waren es 16. Zu Hochzeiten lagen die Zahlen deutlich darüber: In den Jahren 2017 waren es 102 und 2016 insgesamt 83 solcher Papiere, was im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen seit 2015 stehen könnte, schließlich lag die Zahl der ausgestellten Ausweise im Jahr 2015 noch bei 39.

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