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Als Großraschütz noch eine Schule hatte

Das Dorf, das 1960 nach Großenhain eingemeindet wurde, war bis 1997 Schulstandort. Ein 160-jähriges Schuljubiläum konnte ein Jahr vorher noch gefeiert werden. Doch dann ging eine lange Tradition zu Ende.

Von Kathrin Krüger
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1936 zum 100-jährigen Jubiläum der Schule erschien diese Postkarte. Sie zeigt das erste Schulhaus ab 1836 auf dem Gelände des heutigen BTZ der Handwerkskammer an der Kleinraschützer Straße und die weiteren Standorte auf der Schulstraße.
1936 zum 100-jährigen Jubiläum der Schule erschien diese Postkarte. Sie zeigt das erste Schulhaus ab 1836 auf dem Gelände des heutigen BTZ der Handwerkskammer an der Kleinraschützer Straße und die weiteren Standorte auf der Schulstraße. © Karte: Jannasch

Großenhain. In der Großenhainer Pflege gibt es bis 1835 – wenn überhaupt – hauptsächlich Wander- oder Reiheschulen. 69 Lehrer, davon lediglich 39 mit entsprechendem Abschluss, sind tätig. 23 kommen als Wanderlehrer nur wöchentlich ein Mal in einen Ort. Lediglich zehn können in einem Schulhaus arbeiten. Doch diese Häuser sind meist baulich in sehr schlechtem Zustand. Die Lehrer haben zwar freie Kost, aber ein guter Knecht verdient damals mehr! 

Superintendent Hering ist es zu verdanken, dass letztlich viele Wanderschulen aufgehoben und neue Schulgebäude errichtet werden. Das Schulgesetz von 1835 verbietet diese Wanderschulen dann sogar. Zwischen 1830 und 1840 werden 50 Einrichtungen neu gebaut bzw. erweitert. Eine davon ist die Schule Großraschütz. Anfangs lernen die Groß- und Kleinraschützer Schüler bis 1835 in einer laut Schulchronik gemieteten Bauernstube. 

Ein Lehrer unterrichtet alle Schüler in einer Klasse. Als das Gesetz über die Elementar-Volksschulen erlassen wird, wird eine achtjährige Schulpflicht unter geistlicher Oberaufsicht eingeführt. Vor allem Religion, Sprach- und Leseübungen sowie Rechnen und Gesang werden vorgeschrieben. Körperliche Züchtigung ist „in angemessener und schicklicher Weise“ erlaubt. Eingeschult wird damals zu Ostern bzw. Michaelis (29. September). Sehr guten Schülern kann ein halbes Jahr Schulzeit erlassen werden. Halbe Schultage sind der Mittwoch und der Samstag. Die von einem Schulvorstand erlassenen Festlegungen beinhalten u. a. die „ernstliche“ Verwarnung von Eltern, „wenn ihre Kinder an Tanzbelustigungen teilnehmen“. In die Schulkasse gelangt zum Beispiel neben Schulgeld auch ein Prozent der Einnahmen aller Haus- und Grundstücksverkäufe.

Zschieschen, das bisher einen Schulverband mit Mülbitz bildete – alles selbstständige Orte – schließt sich Großraschütz an. Denn hier wird 1836 für 300 Taler ein neues Schulhaus gebaut. Aufgrund der nun größeren Schülerzahl gibt es zwei Klassen: Die Älteren werden vormittags, die Jüngeren nachmittags unterrichtet. Die übliche Geschlechtertrennung wird in den kleinen Landschulen im Unterricht nicht praktiziert. Doch Jungen und Mädchen sitzen in getrennten Reihen. Das neue Schulhaus auf der heutigen Kleinraschützer Straße besteht aus einer Schulstube und der Lehrerwohnung mit Stube und Dachkammer. 

Die Baukosten teilen sich die königliche Landesregierung, die Gemeinden und das Rittergut Zschieschen. Die Eltern zahlen Schulgeld.

1840 leben in Großraschütz 180, in Kleinraschütz 130 und in Zschieschen 120 Einwohner. Die Schülerzahlen steigen bereits knapp zehn Jahre später so, dass bereits drei Klassen unterrichtet werden. 1860 wird das zweite Schulhaus gebaut, jetzt auf der Schulstraße. Ein Lehrer unterrichtet insgesamt etwa 150 Schülern. Bald sind es 180 Schüler allein in zwei Klassen. 38 wöchentliche Pflichtstunden zu je 60 Minuten müssen erteilt werden. 1874 dann die Aufstockung auf vier Klassen. Jetzt muss ein Hilfslehrer eingestellt werden. Auch Turnen wird Schulfach – allerdings vorerst nur für Jungen. 

Nicht nur ein Harmonium, sondern 1894 gleich noch ein zweites neues Schulhaus wird finanziert, schräg gegenüber dem vorigen Bau. Das alte entspricht nicht mehr den Unterrichtsanforderungen. Nun gibt es einen zweiten ständigen Lehrer und einen Hilfslehrer. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder ist auf 300 angewachsen. Zwei Jahre vor der Jahrtausendwende gibt es das erste Schulfest.

Es folgen der Einbau einer Zentralheizung, der Anschluss an die Wasserleitung, die Neugestaltung der Eingangsfront, die 1904 mit dem Anbau verbreitert wird. Ab April 1950 gibt es das erste warme Mittagessen, 1962 kommt der Pavillon hinzu, 1971 die Hort- und Speisebaracke. 1984 folgt die Namensweihe. 

Lehrer gegen Schüler: Ein Fußballspiel Lehrer/Eltern gegen Schüler auf dem Festplatz, dem Sportplatz der damaligen Spezialschule für Landwirtschaft, war am 1. Juni 1986 Teil der Feier 150 Jahre Schule Großraschütz.
Lehrer gegen Schüler: Ein Fußballspiel Lehrer/Eltern gegen Schüler auf dem Festplatz, dem Sportplatz der damaligen Spezialschule für Landwirtschaft, war am 1. Juni 1986 Teil der Feier 150 Jahre Schule Großraschütz. © Stadtarchiv
„Wir sind 160 Jahre jung“: Unter diesem Motto wurde Anfang Juni 1996 das Schuljubiläum der Grundschule gefeiert. Alle Klassen ließen sich etwas einfallen, auch einen Umzug hat es gegeben.
„Wir sind 160 Jahre jung“: Unter diesem Motto wurde Anfang Juni 1996 das Schuljubiläum der Grundschule gefeiert. Alle Klassen ließen sich etwas einfallen, auch einen Umzug hat es gegeben. © Harald Kühne
Freude am Rande der Stadt: Beim Umzug 1996 war das Ende der Schule schon abzusehen. Zu wenig Schüler brachten das Aus. Nur ein Jahr später war das Ende der Grundschule Großraschütz besiegelt.
Freude am Rande der Stadt: Beim Umzug 1996 war das Ende der Schule schon abzusehen. Zu wenig Schüler brachten das Aus. Nur ein Jahr später war das Ende der Grundschule Großraschütz besiegelt. © Harald Kühne
In historischen Kostümen: Dieses Foto zeigt die Klasse 7 in historischen Kostümen bei der 150-Jahrfeier der Schule. Im Festzug vom Sportplatz lief damals auch das Pionierblasorchester unter Karlfried Winkler mit.
In historischen Kostümen: Dieses Foto zeigt die Klasse 7 in historischen Kostümen bei der 150-Jahrfeier der Schule. Im Festzug vom Sportplatz lief damals auch das Pionierblasorchester unter Karlfried Winkler mit. © Stadtarchiv
Umzug zum 100-Jährigen: Am 30. August 1936 gab es einen großen Festumzug zum 100-jährigen Bestehen der Großraschützer Schule. Von der Schule liefen die Teilnehmer zum Festplatz auf den Bäckerwiesen am Stadtpark. 
Umzug zum 100-Jährigen: Am 30. August 1936 gab es einen großen Festumzug zum 100-jährigen Bestehen der Großraschützer Schule. Von der Schule liefen die Teilnehmer zum Festplatz auf den Bäckerwiesen am Stadtpark.  © Stadtarchiv
Die Anna-Seghers-Oberschule: Seit 1894 war die Großraschützer Schule Lernort für die Kinder aus dem Dorf, aus Kleinraschütz und Zschieschen und später auch aus Skassa. Viele Jahre befand sich hier eine zehnklassige Oberschule, nach der Wende dann die drit
Die Anna-Seghers-Oberschule: Seit 1894 war die Großraschützer Schule Lernort für die Kinder aus dem Dorf, aus Kleinraschütz und Zschieschen und später auch aus Skassa. Viele Jahre befand sich hier eine zehnklassige Oberschule, nach der Wende dann die drit © Stadtarchiv