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Alternativen zum Pflegeheim sind oft nicht besser

In Sachsen gibt es immer mehr Pflege-WGs. Doch eine Barmer-Analyse zeigt Qualitätsmängel bei neuen Wohnformen.

Von Steffen Klameth
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© Christoph Schmidt/dpa (Symbolfoto)

Leipzig. Für viele Studenten sind sie das ideale Zuhause auf Zeit, nun werden sie zunehmend auch unter Senioren populär: Wohngemeinschaften (WG). Die Barmer schätzt, dass es deutschlandweit rund 4.000 Pflege-WGs und etwa doppelt so viele betreute Wohnanlagen gibt. „Der deutsche Pflegemarkt steht vor einem Umbruch“, lautet das Fazit einer am Mittwoch in Leipzig vorgestellten Studie.

Für Pflegebedürftige können die neuen Wohnformen eine attraktive Alternative zum Heim sein. Sie leben in einer Wohnung, können ihren Alltag weitgehend selbst gestalten und erhalten pflegerische Unterstützung. Und sie zahlen in der Regel sogar weniger als im Pflegeheim, weil verschiedene Leistungen kombiniert werden können. Das mache die Sache auch für die Betreiber wirtschaftlich interessant, heißt es in dem Report. Etwa jede dritte dieser Einrichtungen sei in den letzten Jahren entstanden. Zunehmend würden solche Angebote von Pflegeeinrichtungen eingerichtet, häufig in der Nähe von stationären Heimen.

Den vermeintlich positiven Trend bewertet die Krankenkasse allerdings kritisch. Im Vergleich zu einem Pflegeheim wiesen die neuen Wohnformen keine Vorteile bei der Pflegequalität auf, zeigt die Barmer-Studie. Im Gegenteil: So würden mehr Neudiagnosen von Wundliegen und mehr vermeidbare Krankenhauseinweisungen festgestellt, so Studienautor Heinz Rothgang von der Uni Bremen.

Öffentliche Pflegedatenbank für Sachsen fehlt

„Diese Entwicklung erschreckt uns“, sagte Barmer-Landeschef Fabian Magerl am Mittwoch. Er forderte „zeitnah“einen Pflege-Tüv auch für die neuen Wohn- und Pflegeformen. Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, äußerte sich kürzlich in diesem Sinne. Magerl sprach sich zudem dafür aus, transparente Übersichten über die Angebote vor Ort und deren Qualität zu schaffen.

Tatsächlich gibt es für Sachsen noch keine öffentliche Liste, wie das Sächsische Sozialministerium auf Anfrage der Sächsischen Zeitung einräumte. Man halte eine Aufnahme in die Pflegedatenbank jedoch für „denkbar“ – vorausgesetzt, der Landtag stelle die nötigen Gelder zur Verfügung. Derzeit hätten 131 ambulant betreute Wohngemeinschaften im Freistaat ihre Gründung angezeigt. Die tatsächliche Zahl könnte aber größer sein, weil die Anzeigepflicht erst seit Mitte vorigen Jahres gilt.

Die Skepsis der Kassen gegenüber den neuen Wohnformen hat noch einen anderen Grund: Sie befürchten eine Explosion der Sozialausgaben. Professor Rothgang schätzt die Mehrausgaben gegenüber einer vollstationären Pflege allein im Jahr 2018 auf rund 400 Millionen Euro – Tendenz steigend.

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