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Bahntrasse Dresden–Prag steht erst 2024 fest

Vier Varianten haben Chancen auf Umsetzung – auch die der Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag". Der Bundestag muss entscheiden.

Von Michael Rothe
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Das Elbtal ist mit täglich bis zu 240 Zügen ein Engpass. Auch in Königstein hofft man, dass es in 20 Jahren ruhiger wird. Aber auch mit der Neubaustrecke wird es entlang der Elbe weiter Bahnverkehr geben – etwa Güterzüge nach Decin.
Das Elbtal ist mit täglich bis zu 240 Zügen ein Engpass. Auch in Königstein hofft man, dass es in 20 Jahren ruhiger wird. Aber auch mit der Neubaustrecke wird es entlang der Elbe weiter Bahnverkehr geben – etwa Güterzüge nach Decin. © Marko Förster

Dieser Dienstag wird für Postboten in Dresden, Pirna, Heidenau und Umgebung ein Großkampftag – nicht nur wegen der Weihnachtspäckchen von Amazon, Zalando & Co. Die Bahntochter DB Netz verschickt 150 Aktenordner mit je 923 Seiten, 48 Plänen und 108 CD-ROM an 98 sogenannte Träger öffentlicher Belange, darunter 19 Adressen in Tschechien. Der in Summe über 600 Kilogramm schwere Inhalt hat für Sachsen, und den europäischen Bahnverkehr noch deutlich mehr Gewicht, geht es doch um die geplante neue und zum Großteil unterirdische Bahntrasse zwischen Dresden und Prag.

Der rund 43 Kilometer lange Neubau soll das flutgefährdete Elbtal entlasten, Anwohner dort vom Lärm der täglich bis zu 240 Züge befreien und die Fahrzeit Dresden-Prag von zweieinhalb Stunden auf etwa eine Stunde verkürzen – dank Geschwindigkeiten von 200 km/h im Personen- und 120 km/h im Güterverkehr. Auf tschechischer Seite wird sogar über 250 und 350 Stundenkilometer diskutiert.

Mit den Sendungen an Behörden des Bundes und des Freistaats, die zehn berührten Gemeinden, Naturschutzorganisationen, Betreiber von Infrastruktureinrichtungen und die Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ reicht die DB nun die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren ein. Sein Ergebnis ist Basis für die weitere Planung des milliardenschweren Generationenprojekts, das die Fahrzeit zwischen Dresden und Prag auf etwa eine Stunde mehr als halbieren soll.

Zwei Varianten werden durchgeplant

Sieben je 600 Meter und an der Grenze zu Tschechien zwei Kilometer breite Trassenkorridore hat die Bahn hinsichtlich ihrer Wirkungen auf Mensch und Natur begutachtet – „gleichwertig und objektiv“, wie DB-Projektleiter Kay Müller betont. Ursprünglich lagen zehn Varianten auf dem Tisch: fünf des Freistaats, je zwei von der Bahn und der Bürgerinitiative und die eines Kartografen. Allen Ideen im Untersuchungsraum zwischen Heidenau und Grenze sowie zwischen Dohma und Liebstadt sind zwei Dinge gleich: der Abzweig von der Bestandsstrecke in Heidenau und ein Tunnel von mindestens 25 Kilometern Länge mit bis zu 350 Metern Gebirgsüberdeckung. In der Version der Bürgerinitiative geht’s gleich bei Heidenau für gut 30 Kilometer unter Tage, die oberirdische Variante berührt die Orte Dohma und Bahretal.

© SZ

„Alle Varianten sind machbar“, sagt Projektleiter Müller. Allerdings wiesen drei Vorschläge – in der Karte D, E, F – „sehr großes Konfliktpotenzial“ auf. Deshalb empfehle die Bahn, sie nicht weiter zu verfolgen. Ob die federführende Landesdirektion in Chemnitz, das auch so sehe, sei offen. Ginge es nach der Bahn, würden die Volltunnelvarianten A und C sowie der Dohma berührende Vorschlag G als teilweise oberirdische Linienführung weiterverfolgt. 

In jedem Fall würden zwei Varianten, darunter die oberirdische, voll durchgeplant. Frühestens 2024 stehe die Vorzugsvariante fest. Weil es ein Bundesprojekt sei, entscheide letztlich der Bundestag über die Strecke mit dann Deutschlands längstem Bahntunnel – egal in welcher Variante. Projektleiter Müller geht von zehn bis 13 Jahren reiner Bauzeit aus. „Wenn alles wie ein Länderspiel läuft, könnte die Strecke frühestens Ende der 2030er- oder Anfang der 2040er-Jahre fertig sein“, so der Experte.

Dass Länderspiele auch daneben gehen können, wissen die Deutschen spätestens seit der letzten Fußball-WM. Jüngst hatte sich das Verhältnis zwischen Bahn und der wegen konstruktiver Ideen gelobten Dohmaer Bürgerinitiative verschlechtert, machen Verschwörungstheorien die Runde. Die Lärmgestörten unterstellen, Bahn und Politik spielten nicht mit offenen Karten.

„Kein basisdemokratischer Prozess“

Dabei sind die Kritisierten nach eigenem Bekunden um Transparenz bemüht, wollen Ruhegestörte und Umweltbesorgte früh einbeziehen. Die tschechische Seite werde ebenfalls informiert, habe aber kein Mitspracherecht, bei dem, was diesseits der Grenze passiert. Das Gleiche gelte umgekehrt. Auch beim Nachbarn wird über verschiedene Trassen diskutiert und die Anbindung des Prager Flughafens.

Die Dokumente liegen vom 6. Januar bis zum 28. Februar in den berührten Orten aus: Altenberg, Dresden, Heidenau, Dohna, Pirna, Bad Gottleuba-Berggießhübel, Liebstadt, Bahretal, Müglitztal, Dohma. Ferner sind sie unter anderem auf den Webseiten der Landesdirektion und der Bahn einsehbar. Jedermann könne Einsicht nehmen und bis 6. März Anregungen und Bedenken vorbringen, heißt es. „Jede Stellungnahme wird beantwortet“, verspricht Bahnmanager Müller. Gleichwohl sei so ein Verfahren „kein basisdemokratischer Prozess“. Es werde nicht ohne Leidtragende gehen“, sagt er. „Aber wir versuchen alles gesetzlich Mögliche, die Betroffenheit gering zu halten“. Ende Januar soll es in Heidenau und Pirna Infoveranstaltungen geben und das Raumordnungsverfahren bis Mitte 2020 abgeschlossen werden.