Pfarrer auf Abwegen

Eigentlich ist die Rothenburger Stadtkirche seine "gute Stube". Doch in der Krise waren Gottesdienste lediglich auf Sparflamme angesagt, der Kontakt zu seinen "Schäfchen" nur in gehörigem Abstand möglich. Doch Pfarrer Daniel Schmidt gewann der Situation zusammen mit seiner Gemeinde auch Positives ab. Was genau, erzählt er hier.
Ältestes Haus in Rothenburg wird gepflegt
"Steine statt Menschen - mit diesem Motto kann ich sonst nicht viel anfangen. Denn die Arbeit mit und für meine Gemeindemitglieder steht für mich an erster Stelle. Doch das Corona-Virus hat uns in den vergangenen Wochen ausgebremst. Die Frage stand: Was also tun mit der vielen Zeit? Und was können wir trotzdem gemeinsam machen?
Wir haben uns ein paar geschichtliche Details unserer Kirche auf den Tisch
gezogen, die für die ganze Stadt von Interesse sind. So zum Beispiel das
älteste noch erhalten gebliebene Haus, das sogar den Stadtbrand von
1798 überstanden hat: die Bernauer Gruft, die zwischen Kirche und
Pfarrhaus steht.
Ein neues Dach hat das 1776 entstandene Gemäuer schon bekommen. In den vergangenen Wochen wurde der eiserne Zaun gesäubert. Was noch bleibt: Auch die Epitaphien müssen aufgefrischt werden. Auf ihnen wird über die Sterblichkeit philosophiert. Botschaften, die in diesen Zeiten durchaus passend sind. Das Säubern der historischen Inschriften haben wir in den vergangenen Wochen noch nicht geschafft. Natürlich müssen die Buchstaben auch noch nachgeschrieben werden.
Corona-Freizeit wird in Denkmalpflege investiert
Verstärkte Pflege hat coronabedingt auch die Martin'sche Gruft hinter der Stadtkirche bekommen. Von dem Gestrüpp, das hier wuchs, ist nichts mehr übrig geblieben. Und der schmiedeeiserne Zaun präsentiert sich jetzt in neuen Farben.

Gedenken an wichtigsten Rothenburger Pfarrer
Aber auch eine für Rothenburg wichtige, leider schon lange verstorbene Person, hat mir und meiner Gemeinde in den vergangenen Wochen am Herzen gelegen. Curt Zitzmann war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg eine der prägendsten Persönlichkeiten in der Stadt. Wir haben in den Corona-Wochen dafür gesorgt, dass er nicht in Vergessenheit gerät. Immerhin war er von 1920 bis nach 1945 Vorsteher der Brüderschaft Zoar. Daraus wurde später der Martinshof - heute Kern der Diakonie St. Martin.
Ich finde diesen Mann absolut bemerkenswert. Zitzmann schaffte es, Zoar durch die Zeit des Nationalsozialismus zu führen und nach Kriegsende eine erstaunliche Entwicklung anzukurbeln. Noch heute werden über ihn die unglaublichsten Dinge erzählt: Einmal soll er 20 Gottesdienste am Tag gehalten haben und spätabends, körperlich erschöpft, zusammengebrochen sein. Es ist gut, dass wir auf dem Friedhof jetzt den Gedenkstein für ihn wieder aufstellen konnten.
Menschen fiebern der Gemeinschaft entgegen
Seit Kurzem dürfen wir endlich wieder zusammen Gottesdienste feiern. In die Stadtkirche passen - mit zwei Meter Abstand - 45 Menschen rein. Die Plätze sind voll belegt. Und man merkt, wie die Leute auf diesen Moment hingefiebert haben. Die Gemeinschaft lebt. Das ist auch für mich ein neuer Anfang, wenngleich 'Steine statt Menschen' ein Ausgleich war, der Gutes bewirkt hat."