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Wie Corona eine junge Liebe auf die Probe stellt

Die Schüler Emma und David sind ein deutsch-polnisches Paar. Die Grenzschließung trennt sie nun voneinander. Auf unbestimmte Zeit.

Von Maximilian Helm
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Bitterer Abschied: Emma und David an der Stadtbrücke in Görlitz.
Bitterer Abschied: Emma und David an der Stadtbrücke in Görlitz. © privat

Am Telefon versucht er alles ein bisschen herunterzuspielen. Doch David Pagels, 15 Jahre alt und aus dem polnischen Jasna Góra, vermisst seine Emma wie verrückt. Sie kennen sich seit vielen Jahren, seit einem halben sind sie ein Paar. Beide besuchen das Gymnasium in Zittau. Nun sind sie getrennt voneinander. Wie lange, das kann niemand genau sagen.

Am Sonntag hatte David Geburtstag. Emma, die in Hörnitz bei Zittau wohnt, war natürlich bei ihm. Sie schenkte ihm ein Buch mit gemeinsamen Fotos. Zur Schule dürfen sie ohnehin nicht gehen, also blieb Emma bei Familie Pagels. "Das war ganz cool", sagt David. Bis zum Mittwoch. Denn dann schränkte auch Deutschland den Grenzverkehr ein, Emma musste so schnell wie möglich zurück nach Hause. 

Zu großes Risiko

Am Grenzübergang in Görlitz verabschiedeten sie sich, fünf Minuten blieb Zeit, weil ihre Mutter bereits auf der anderen Seite wartete. Emma weinte, David hüllt sich darüber in Schweigen. Dann der Abschied, das Versprechen des baldiges Wiedersehens.

Die Lage an der deutsch-polnischen Grenze ist derzeit unübersichtlich. Am Mittwoch hat Polen die vorher geschlossene Grenze in Görlitz für Pendler und Einreisende geöffnet. Doch für wie lange das gilt, ist nicht klar. Doch: David könnte nach Deutschland einreisen. "Wir führen nur stichprobenartig Grenzkontrollen durch", sagt die Bundespolizei. 

Doch es gibt zwei Hürden: Erstens die unsichere Einreise-Situation nach Polen. Das Land hat nach Ausbruch des Coronavirus in Europa deutlich schärfere Sicherheitsmaßnahmen veranlasst als Deutschland. Wenn David die Grenze übertritt, kann sich seine Familie nicht sicher sein, ob er wieder zurückkommt. 

"Wer weiß wie lange?"

"Als Grenzgänger braucht man in Polen einen bestimmten Nachweis, für Schüler gibt es den nicht", sagt Davids Mutter Agnieszka. Natürlich fragt ihr Sohn, wann er denn endlich wieder nach Deutschland darf. Doch darauf hat sie keine Antwort. "Das wird jetzt einige Wochen so gehen, aber wer weiß, was danach ist?" Anlügen will sie ihn in keinem Fall.

Und da ist auch noch das Virus. Die Familie versucht derzeit die sozialen Kontakte so gut es geht einzuschränken, um niemanden anzustecken. Würde der Sohn nun regelmäßig in Deutschland sein, wäre das nicht gerade förderlich.  

Der Alltag eines Schülers ist derzeit nur mäßig spannend. Normalerweise hat David neben der Schule noch eine geballte Ladung Freizeitstress: Freunde treffen, Musik machen, Skaten. Letzteres ist "meine absolute Leidenschaft", sagt David. Doch raus soll er nicht mehr gehen. Auch das Studio, in dem er mit einem Freund Hip-Hop-Songs aufnimmt, liegt in Zittau und ist damit unerreichbar.

Zu viel Zeit zum Nachdenken

"Durch die Langeweile hat man zu viel Zeit zum Nachdenken", klagt David. Natürlich schreibt und telefoniert er sehr häufig mit Emma. "Aber es ist nicht das gleiche." Das Fotoalbum, das sie ihn zum Geburtstag schenkte, schaut er sich jeden Tag an. Mit 15 gleicht jeder getrennte Tag einer Ewigkeit. "Sie ist nunmal meine erste große Liebe", sagt David.

"Wenn es eine Möglichkeit gibt, wir würden sie ergreifen", sagt Agnieszka Pagels. In sechs Wochen soll die Schule wieder öffnen, spätestens dann werden sich die beiden wiedersehen. Dass sie den Tag so herbeisehnen, ist für Schüler dann doch eher ungewöhnlich.


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