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So erlebte Tschechien den Tag der großen Öffnungen

Friseure, Biergärten, Kinos - sie alle wagen in Tschechien etwas mehr Normalität. Inzwischen gibt es auch Diskussionen über die Maskenpflicht.

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Jetzt können auch in Tschechien die Friseure wieder ihrer Arbeit nachgehen. In manchen Salons reichen die Terminbuchungen schon bis in die Sommermonate.
Jetzt können auch in Tschechien die Friseure wieder ihrer Arbeit nachgehen. In manchen Salons reichen die Terminbuchungen schon bis in die Sommermonate. © Getty Images

Von Hans-Jörg Schmidt,SZ-Korrespondent in Prag

Das Steak-Restaurant „Dock House“ im Stadtbezirk Michle gehört zu den besten seiner Art in Prag. Einen Platz bekommt dort in normalen Zeiten nur, wer reserviert hat. Einen Monat war das Haus geschlossen. Swither hält es sich mit dem „Verkauf am Fenster“ mehr schlecht als recht über Wasser.

Doch am Montag ist Tschechien in die Corona-Phase „Freiheit“ eingetreten, wie eine große Prager Zeitung schrieb. Auch alle Restaurants durften zumindest schon mal ihre Gärten öffnen.

Im „Dock House“ betrifft das 50 von 170 Plätzen insgesamt. Serviererin Daniela Juřenová hat am Vormittag alles vorbereitet, Tische und Stühle auf Abstand platziert und alles desinfiziert. „Uns fällt heute ein Stein vom Herzen“, sagt sie. „Wir können wieder loslegen, wenn auch eingeschränkt.“

Doch sie kann sich Zeit nehmen, dem Reporter alles haarklein zu erklären. An Gästen nämlich mangelt es im Revier. „Wir haben bislang keine Vorbestellung, obwohl in den meisten Firmen um uns herum gearbeitet wird, die Leute auch ein warmes Mittagessen brauchen.“ Das mag an den drohenden Regenwolken über Prag liegen, aber nicht nur daran. „Wir haben auch beim ‚Fenster-Verkauf‘ eine Zurückhaltung der Leute registriert. Die Wirtschaft leidet. Keiner weiß, wie lange er noch Arbeit hat. Die Leute haben finanzielle Belastungen, viele müssen Kredite für ihre Wohnungen bedienen, da muss irgendwo gespart werden“, sagt die junge Serviererin, die selbst um ihren Job fürchtet. „Wie groß die Einbußen unseres Restaurants bislang sind, weiß nur der Chef.“

Alle Geschäfte sind geöffnet - kein Ansturm

200 Meter vom „Dock House“ entfernt hat es das traditionsreiche „Restaurant Sparta“ schon erwischt. Obwohl man dort schön unter großen Ahornbäumen sitzen könnte, ist alles verriegelt. Die Speisekarte an der Tür stammt aus dem März.

Keinen Mangel an Kunden haben seit Montag die Friseur- und Kosmetiksalons. Die Regierung war laut Premier Andrej Babiš seit Langem täglich von Frauen mit der Forderung bombardiert worden, endlich wieder die Haare gemacht zu bekommen. Die Terminbestellungen reichen bis in den Sommer hinein.

Vergleichsweise weniger gut sind kulturelle Einrichtungen dran. Maximal bis zu 100 Leute dürfen ab Montag den Vorstellungen beiwohnen. Gleiches gilt für Kinos und Konzertsäle. Doch namentlich die Theater, ob groß oder klein, klagen, dass sich das für sie nicht annähernd rechnet.

Am Montag sperrten auch die letzten Geschäfte wieder auf – die in den großen Einkaufszentren. In einem der größten, in Prag-Pankrac, hielt sich der Ansturm aber in Grenzen. Das Parkhaus war nicht annähernd voll. Freilich ist der Montag auch ein normaler Arbeitstag. Zudem gilt auch hier wie in den Kneipen, dass die Leute derzeit ihr Geld zusammenhalten.

Schichtbetrieb in Schulen

Für die Schüler, die noch im Sommer Prüfungen vor sich haben, begann am Montag der Unterricht neu. Allerdings auch in einer Stärke von maximal 15 Schülern. Das bedeutet Schichtunterricht.

Und schließlich ist seit Montag in Tschechien offiziell auch das Küssen wieder erlaubt – auf den Standesämtern. Jungvermählte sind vom Maskenzwang befreit und müssen auch nicht mehr den Mindestabstand von zwei Metern zum geliebten Partner einhalten. Bis zu 100 Gäste dürfen das Ja-Wort der Aspiranten auf ein gemeinsames Leben in Corona- und hoffentlich auch besseren Zeiten miterleben. Und jetzt auch wieder den obligatorischen Kuss.

Umstritten blieb derweil in der Regierung die Frage, wie lange die Tschechen noch Masken tragen müssen. Das Land war mit der Selbstschneiderei dieses Schutzes weltbekannt geworden und hatte letztlich auch Nachahmung in Deutschland gefunden. Gesundheitsminister Adam Vojtěch kündigte im Fernsehen einen Kompromisstermin an: „Ab dem 25. Mai soll die Maske unter freiem Himmel bei Einhaltung der Abstandsregel von zwei Metern überflüssig werden und nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und in geschlossenen Räumen Pflicht bleiben.“ Dies gäben die Zahlen der Neuinfizierten und Toten her. Die waren am vergangenen Wochenende so niedrig wie nie.

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