Weiße Turnschuhe, Sneakers, Stiefeletten. In allem, was gerade so Mode ist, stecken die Füße der wartenden Journalisten im Bernstädter Birkenstock-Werk. Nur Birkenstock-Sandalen, die trägt an dem kühlen Mai-Tag keiner. Dabei sind die 30 Reporter von Hochglanzmagazinen, Tageszeitungen, Lifestyle-Titeln und der Fachpresse extra wegen der berühmten Sandalen gekommen. Hier, in der Oberlausitz, wollen die Journalisten aus Ländern wie China, Japan, Italien und Spanien, Israel, den USA, Großbritannien oder Deutschland sehen und verstehen, was hinter dem großen Namen Birkenstock steckt.
Der Italiener Angelo Ruggeri schreibt für eine wöchentliche Mode-Beilage. "Birkenstock ist eine coole Marke", sagt er und grinst. Das sei nicht immer so gewesen, aber seit das Unternehmen mit Designern wie Valentino zusammenarbeitet oder mit Marie-Louise Sció, der Chefin des berühmten Luxus-Hotels Il Pellicano, sind die Mode-Scheinwerfer in Italien auf Birkenstock gerichtet. "Die meisten Menschen tragen Birkenstock, weil sie so bequem sind", sagt Ruggeri. Nun aber sei die Marke auch für die Modebewussten ein Name, den man beachten müsse. Und: "Sogar Männer tragen Sandalen - mit Socken, auch das ist jetzt möglich", sagt er und man sieht, dass er das persönlich eher weniger in Betracht zieht.
Wo und wie die Schuhe produziert werden, will der Italiener wissen. In der Oberlausitz ist er da genau richtig, findet Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy: "Willkommen im Herzen des Birkenstock-Universums", begrüßt er auf Englisch seine Gäste. Diesen Satz meint er ganz ernst, denn inzwischen sind Bernstadt und Görlitz das Herz der Birkenstock-Gruppe. Hier läuft der Großteil der Produktion, hier hat das Unternehmen die meisten Angestellten, hier entstehen die Grundbausteine der allermeisten Schuhe und es gibt die größte Bandbreite an Modellen. 1.350 Mitarbeiter sind es inzwischen am Görlitzer Standort, in Bernstadt arbeiten 600. Die schier unglaubliche Zahl von 90.000 Paar Schuhe können die beiden Werke jeweils täglich produzieren, wobei Bernstadt die Schuhoberteile herstellt und in Görlitz Fußbett, Sohle und Endfertigung angesiedelt sind.
In Bernstadt dreht sich alles um Riemen und Clocks-Kappen, Schnallen und Futter. Das Material dafür - vor allem Leder und ein eigens produziertes Kunstleder namens Birkoflor - lagert in riesigen Regalen. Das Leder von 485.000 Rindern - das ist eine Fläche von etwa 300 Fußballfeldern - verarbeitet das Bernstädter Werk in einem Jahr, sagt Andreas Schulz, der Leiter des Werkes. Damit auch die Qualität stimmt, messen und prüfen Mitarbeiter bereits am Wareneingang alles von der Dicke bis zur Oberflächenstruktur.
In der großen Werkhalle ist es laut und warm. Seit vor einigen Jahren bei Birkenstock ein Generationswechsel anstand, hat sich vieles geändert - auch bei den Arbeitsabläufen. Eines aber ist geblieben: Maschinen gibt es hier zwar, aber das meiste ist klassische Handarbeit: Während eine junge Frau Schneidemesser auf einem Lederstück platziert - so als ob sie Backförmchen auf einen Teig zum Ausstechen legt - tippt und zeichnet ein Kollege an einer großen Maschine mit einem Stift auf einer Lederhaut herum. Der Stift hat eine leuchtende Spitze, damit umfährt er einige Teile im Leder. "Der Kollege markiert die Stellen, wo Fehler im Material sind und die Maschine berechnet dann den optimalen Schnitt", erklärt Produktionsleiter Thomas Schiller, der eine Journalistengruppe durch die Halle schleust.
Rasend schnell geht den Birkenstock-Arbeitern ihr Tagwerk von der Hand: Da werden Schnallen an den Lederriemchen befestigt, das Birkenstock-Logo eingeprägt, der Schriftzug auf das Futter gestempelt. Alles sitzt, die Ausschussquote ist nach eigenen Angaben im einstelligen Prozentbereich, heißt es vor Ort. Dennoch müssen die Mitarbeiter flexibel sein: "Sie müssen an verschiedenen Stellen im Produktionsprozess einsetzbar sein und sich auch zwischen den verschiedenen Modellen immer wieder umstellen", skizziert Thomas Schiller. Die Journalisten staunen, fühlen und nicken anerkennend.
Unter ihnen ist Christopher Wang. Der Chinese schreibt für das Modemagazin "Vogue" und liebt vor allem die Desinger-Modelle von Birkenstock. Er habe sogar eine kleine Sammlung. Birkenstock sei in China bekannt, vor allem, weil die Sandalen mit den Riemchen so komfortabel sind, erklärt er. Seine Kollegin Wang XiaoMeng sieht das auch so, besitzt bislang aber nur ein Paar: "Die halten doch so lange, da muss man sich keine neuen kaufen", sagt sie und lacht.
Qualität ist das eine, was Birkenstock international zugeschrieben wird. Das typische Fußbett aus einer Kork-Latex-Mischung das zweite. Den Begriff Fußbett hat Birkenstock in den 20er Jahren sogar erfunden. Hier in Görlitz wird es perfektioniert: Wie in einer großen Bäckerei bestücken die Mitarbeiterinnen mehr als 1.000 Pressen mit Jute-Schichten, ein Roboter füllt die Kork-Masse ein, danach werden erneut Jute und Futterstoff per Hand aufgelegt und angedrückt, bevor die Maschine das Sandwich "bäckt". 80.000 Fußbetten pro Tag sind so machbar.
Während bei den Klassikern noch Riemchen und Sohle angeklebt werden müssen, geht es bei den reinen Kunststoffsandalen noch flotter: Vom Granulat bis zum fertigen Schuh dauert es rund achteinhalb Minuten, erklärt der Görlitzer Werksleiter Hilmar Kopp. Das Granulat wird dabei erst zu einer Masse verarbeitet, dann auf Kinderschuhgröße gebracht und kurz in einer Form erhitzt. Dann springt der Kunststoff wie Popcorn auf und kann nach dem Abkühlen mit den nötigen Nieten versehen und verpackt werden. Während die Kunststoffschuhe mit wenigen Teilen auskommen, ist das vor allem bei aufwendigen Desinger-Modellen anders. Und je mehr Teile, desto länger dauert die Produktion.
Während Birkenstock beim Thema Schuhe am Image feilt und ein bisschen das Biedermann-Label loswerden will, baut das Unternehmen weitere Standbeine aus: Kosmetika und Schlafsysteme sollen die Journalisten aus aller Welt ebenso mit dem Namen verbinden. Auch deshalb habe man sich zum ersten Mal zu einem solch großen Event entschieden, erklärt Unternehmenssprecher Jochen Gutzy - um die Vielfalt zu zeigen.
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