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Der VEB Herrenmode lebt

16 Frauen haben in Großenhain in zweieinhalb Wochen 800 Mund-Nasen-Schutzmasken hergestellt. Viele von ihnen kennen sich.

Von Thomas Riemer
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Selbst beim abschließenden Fototermin kaum zu bremsen: Insgesamt 16 Frauen meldeten sich, um freiwillig Mund-Nasen-Schutz-Masken zu nähen. Die Bilanz: 800 Stück in zweieinhalb Wochen.
Selbst beim abschließenden Fototermin kaum zu bremsen: Insgesamt 16 Frauen meldeten sich, um freiwillig Mund-Nasen-Schutz-Masken zu nähen. Die Bilanz: 800 Stück in zweieinhalb Wochen. © Kristin Richter

Ein Dutzend Einzeltische sind eingedeckt mit Kaffeegeschirr. Die Damen, die dort Platz nehmen, sind allerdings in den zweieinhalb Wochen eng zusammengerückt. 800 Mund-Nasen-Schutz-Masken haben sie im Beruflichen Schulzentrum auf der Großenhainer Industriestraße hergestellt. "Das hat besser funktioniert, als wir anfangs gedacht haben", sagt Oberbürgermeister Sven Mißbach, der zur Kaffeetafel eingeladen hat. Und Schulleiterin Kerstin Schurz ergänzt: "Es ging alles reibungslos."

Insgesamt 16 Frauen fanden sich, als sie aus der SZ vom Aufruf erfuhren, derartige Masken zu nähen. "Nähen - das war doch fast 25 Jahre mein Beruf", sagt Anita Einbock. Die Großenhainerin musste nicht lange überlegen. Und ihre stille Hoffnung, ehemalige Kolleginnen des VEB Herrenmode wieder zu treffen, erfüllte sich tatsächlich. Im Großenhainer Betriebsteil des einstigen Volkseigenen Betriebes wurden bis 1991 hochwertige Kleidungsstücke, vorwiegend für Herren, gefertigt. Doch mit der politischen Wende wurde der Betrieb in Großenhain geschlossen. 

Anita Einbock hatte von 1974 bis 1976 die Meisterschule absolviert - "das war immer freitags und sonnabends", so ihre Erinnerung. Danach arbeitete sie als sogenannter Springer in allen Abteilungen. Die Schließung der Herrenmode in Großenhain war schmerzlich. Fünf Umschulungen hat die heute 67-Jährige nach 1991 mitgemacht. Zuletzt war sie im Pflegebereich tätig, pendelte täglich zwischen ihrer Heimatstadt und Weinböhla. "Aber das Nähen hat mich nie losgelassen", sagt Anita Einbock.

Der SZ-"Schorni" wird als Glücksbringer und Mutmacher in Corona-Zeiten vergeben.
Der SZ-"Schorni" wird als Glücksbringer und Mutmacher in Corona-Zeiten vergeben. © Foto: Thomas Riemer

Die wiedergefundene Gemeinschaft in der kleinen Nähgruppe im Berufsschulzentrum hat die Kreativität der Frauen enorm beflügelt. Auch bei jenen, die nicht aus der  "hohen Schule" der Herrenmode kamen. "Wir waren froh, dass viele Frauen mit Erfahrung dabei waren", sagt Kerstin Böhm. Die Sozialpädagogin am BVJ des Schulzentrums koordinierte den Einsatz der Freiwilligen. Mit Mund-Nasen-Schutz hatte vorher niemand ernsthaft zu tun. Deshalb wurde am Anfang erst einmal ein bisschen probiert. 

"Dann haben wir uns für die einlagige Variante entschieden", so Kerstin Böhm. Die Besorgung des Materials sei zunächst nicht ganz einfach gewesen.  Dass es am Ende 800 Masken werden, damit hat niemand gerechnet. Sie wurden bzw. werden überwiegend den Elblandkliniken sowie Förderschulen des Landkreises zur Verfügung gestellt. "Eine Spitzenleistung", findet OB Mißbach. Von der SZ gibt es dafür den "Schorni", Glücksbringer und Mutmacher für "Corona-Helden".

"Die Frauen sind mir inzwischen ans Herz gewachsen", gesteht Kerstin Böhm. Täglich fünf Stunden seien die meisten mit Feuereifer bei der Sache gewesen. "Alle haben mitgezogen. Es hat Spaß gemacht", ergänzt Anita Einbock. Dass die Näherei nun beendet wird, bedauern die Teilnehmerinnen ein wenig. Aber die Räumlichkeiten im BSZ werden ab Montag wieder für den Schulbetrieb gebraucht. 

Anita Einbock hofft nun, wie auch andere "Ehemalige" aus der Herrenmode, dass man sich vielleicht nicht aus den Augen verliert. "Wir hatten früher mal so einen kleinen Treff", erinnert sie sich. Vielleicht lässt er sich ja neu beleben? Dann hoffentlich nicht mehr an Einzeltischen.