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Dieses Märchenstück ist nichts für Kinder

Die Puppenspielerin Anne Swoboda führt die „Grimmschwestern“ einmalig in Görlitz auf.

Von Ines Eifler
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In vielen Märchen gibt es Äpfel. Anne Swoboda lädt als Geisterschwester der Brüder Grimm zu einem Märchen-Apfel-Raten ein.
In vielen Märchen gibt es Äpfel. Anne Swoboda lädt als Geisterschwester der Brüder Grimm zu einem Märchen-Apfel-Raten ein. © Roswitha Wintermann

Märchen können die Welt erklären. Märchen sind mehr als Gutenachtgeschichten. Und viele Märchenmotive sind so grausam, dass sich manche Erwachsene fragen, ob sie für die Ohren ihrer Kinder überhaupt geeignet sind. Mit der Brutalität vieler Märchen, die von den Brüdern Jakob und Wilhelm Grimm überliefert sind, haben sich die Görlitzer Puppenspielerin Anne Swoboda und ihre Leipziger Kollegin Meike Kreim für ihr Stück „Die Grimmschwestern“ auseinandergesetzt. Die Bautzener Puppenspielregisseurin Therese Thomaschke hat sie dabei unterstützt. Am Sonnabend führen sie das Papiertheaterstück für Erwachsene im neuen Marmorsaal der Wartburg auf. 2019 ist das die einzige Görlitzer Vorstellung.

Eine Grimmschwester namens Charlotte habe es tatsächlich gegeben, sagt Anne Swoboda. In deren Rolle schlüpft Meike Kreim. Die zweite Schwester aber, die sie selber spielt, ist eine Figur aus der Dunkelheit. Sie ist der Geist einer fiktiven, als Fünfjährige in einen Brunnen gefallenen Schwester der Grimms, die das Nonkonforme, das Ungebändigte verkörpert und deutlich sagt, dass die Märchen noch viel blutrünstiger waren, bevor sie aufgeschrieben und gedruckt wurden. „Diese Schwester gab es nicht wirklich“, sagt Anne Swoboda, „aber zwei Brüder der Grimms starben als kleine Kinder.“ Und den Brunnen, in den das Mädchen fällt, um in einer anderen Welt zu erwachen, kennt jeder.

Die beiden Schwestern eröffnen in dem Stück Wege, bekannte Märchen ganz neu zu verstehen, ihren oft doppelten Boden zu entdecken oder auch von ganz unbekannten Märchen zu erfahren, die in den Kinder- und Hausmärchen nicht veröffentlicht sind. Aus Buchseiten, aus Pappe, aus gefalteten Tieren, Blüten und Figuren, auf Möbeln, die mit bedrucktem Papier bezogen sind, mit Scherenschnitten reisen die beiden Frauen durch die Welt der Märchen. Sie erzählen nichts nach, sondern rufen die Geschichten mit verschiedenen Mitteln ihrer Kunst auf den Plan. Dabei sind sie oft im Streit über Sinn und Bedeutung der Märchen. Versucht die eine, in Rotkäppchen die Heranwachsende zu sehen, die sich abenteuerlustig ins Erwachsenenleben stürzt, sieht die andere die Gefahr für das Kind im Unbekannten. Sucht die eine tiefe Wahrheiten in den archetypischen Bildern der Märchen, sagt die andere, sie seien einfach ausgedacht.

Anne Swoboda reist mit den „Grimmschwestern“ seit 2017 durch ganz Deutschland. Auf Festivals hat sie es schon mit großem Erfolg gezeigt. „Aber mir ist es auch sehr wichtig, in meiner Heimatstadt präsent zu sein.“ Die gebürtige Görlitzerin war 2011 nach 25 Jahren in Berlin wieder an die Neiße zurückgekommen und arbeitet seitdem sowohl in der Stadt als auch deutschlandweit. Arbeitet sie mit Künstlerkollegen aus anderen Städten zusammen, lotst sie sie für die Proben gern nach Görlitz, zeigt ihnen die Altstadt, geht mit ihnen am See spazieren und macht so Werbung für die Stadt. Zeigte sie ihre Stücke in den ersten Jahren öfter im Apollo, hatte sie 2016 im Vino e Cultura auf dem Görlitzer Untermarkt ihren Ort gefunden. Hier baute Anne Swoboda zweieinhalb Jahre lang eine eigene Puppentheaterreihe auf, hier gelang es ihr, ein festes Publikum zu binden, hier hätte sie gern Gastspiele veranstaltet und ein eigenes Festival vorbereitet.

Nach Schließung des Lokals Ende Oktober 2018 fand sie einen neuen Ort beim Esta-Verein im Jugendhaus Wartburg. Wer den großen Saal der Villa auf der Johannes-Wüsten-Straße vor Augen hat, muss umdenken. „Das ging mir auch so“, sagt Anne Swoboda. Denn dort gibt es noch einen kleinen, sanierten „Marmorsaal“ für 60 Zuschauer, der mit Bühne und Foyer ganz auf die Bedürfnisse ihres „Theater7schuh“ eingerichtet wurde. Auch hier könne man in entspannter Atmosphäre Theater genießen und gemütlich ein Glas Wein trinken. „Aber es muss sich noch etablieren“, sagt die Puppenspielerin. Schön sei, dass zu ihren bisherigen Vorstellungen viele Kinder und Familien gekommen seien, die sie bisher noch nicht kannte. Aber auf viele erwachsene Zuschauer aus ihrem bisherigen Publikum warte sie noch. Am Sonnabend wäre Gelegenheit. „Die Grimmschwestern“ ist ein abendfüllendes Stück ausschließlich für Erwachsene.

Sa., 16. 2., 19.30 Uhr, Marmorsaal, Joh.-Wüsten-Str. 21

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