Die Einsamkeit der Freiheitskämpfer

Flatterband markiert das Areal, das die AfD für ihre Demonstration auf dem Pirnaer Markt in Beschlag nehmen möchte. Weil die Stäbe im Pflaster nicht halten, müssen die Macher ihre Absperrung selber stützen. Auch Norbert Mayer, Vize-Fraktionschef der AfD im Landtag, hält zur Stange. Aber eigentlich ist er hier, um über die Sicherung der Freiheitsrechte in Corona-Zeiten zu sprechen. Er vergleicht die Lage mit der leck geschlagenen Titanic. "Das Schiff geht unter, aber die Kapelle spielt noch."
Nach zwei unangemeldeten Versammlungen von Gegnern des Corona-Shutdowns in Pirnas Zentrum, sogenannten Spaziergängen, hatte die AfD für den Vormittag des 1. Mai eine reguläre Kundgebung zu diesem Thema angesetzt. Die Versammlungsbehörde hatte etliche Auflagen zwecks Infektionsschutz erteilt. So waren maximal 30 Demonstranten erlaubt, Mundschutz tragend und Abstand haltend. Wer ins Demo-Viereck eingelassen werden wollte, wurde außerdem um seine Kontaktdaten gebeten für den Fall, dass eine Infektionskette zu unterbrechen wäre.
Als die Rathausuhr elf schlug, waren 19 Teilnehmer in der Anwesenheitsliste vermerkt. Zuzüglich Redner bestand die Demo aus 28 Personen. Abgesehen von ein paar Zaungästen hatte sich das Interesse damit offenbar erschöpft. Weit größer als die Zahl der Teilnehmer war die der Polizisten. Etwa ein Dutzend Einsatzfahrzeuge mit Beamten der Bereitschaftspolizei und des Pirnaer Reviers flankierte die Szene.
In der Corona-Debatte wirft die AfD der Regierung zu spätes Handeln vor. Zeitigere Gegenmaßnahmen hätten den Shutdown mildern können. In diesem Sinne äußerte sich auch Jan Zwerg, Sachsens AfD-Generalsekretär, zum Demo-Auftakt. Die Bundesregierung habe zu Jahresbeginn geschlafen, habe die Grenzen nicht kontrolliert und Rückkehrer aus dem Ausland unbesehen einreisen lassen. Jörg Urban, Sachsens AfD-Chef, teilte auch gegen die sächsische Regierung aus. Diese sei zu lange mit sich selbst beschäftigt gewesen und habe dann in Sachen Corona überhart reagiert, "mit allen Beschränkungen, die man nur machen kann".

Urban fehlen derzeit "nachvollziehbare Gründe", die aktuellen Beschränkungen aufrecht zu erhalten. Die Schäden durch den Shutdown seien deutlich größer als jene, vor denen die Bürger geschützt werden sollten. Urban beschwor Todesfälle herauf, die durch verschobene Operationen oder vorsorglich blockierte Krankenhausbetten entstehen könnten, auch Selbstmorde infolge des wirtschaftlichen Ruins.
Ein Stichwort für Ivo Teichmann. Das AfD-Landtagsmitglied aus Königstein zitierte den Hotel- und Gaststättenverband, demzufolge jeder dritte Arbeitsplatz in der Branche durch die Zwangsschließungen auf dem Spiel stünde. Sterbe der Gasthof, sterbe das Dorf, sagte er. "Wir müssen so schnell wie möglich wieder zum Normalzustand zurückfinden."
Dann ist auch der Freitaler Norbert Mayer an der Reihe. Er spricht vom Jahr 1989, als man gegen die DDR-Oberen auf die Straße ging. Auch er sei damals dabei gewesen. Damals habe man die Behörden nicht gefragt und sei trotzdem spazieren gegangen. "Die Freiheit geben wir nicht wieder her!"
Harte Worte wählte Daniel Heimann, der in Dohna eine Firma für Elektrotechnik führt. Er sprach von "einer Diktatur der politisch Verantwortlichen, von dreißigjährigen Fehlentwicklungen, deren Folgen sich nun Bahn brechen". Ohne Kurswechsel würden die Sachsen und die Deutschen bald die Gefolgschaft verweigern.
Heimann griff auch Pirnas Bürgermeister Klaus-Peter Hanke scharf an. Er warf ihm vor, Parolen nachzuplappern und nicht wirklich politisch zu denken. Der Bürgermeister hätte sich bei den Spaziergängern einreihen sollen. Hanke hatte die unangemeldeten Demos in seiner Stadt als unverantwortlich gerügt und von "absurden und lebensfremden Weltverschwörern" gesprochen.
Nach etwa vierzig Minuten endet die Demo ohne Zwischenfälle. Doch schon am Nachmittag steht wieder ein Großaufgebot der Polizei vor dem Rathaus in Pirna. In den sozialen Netzwerken war erneut zu einem "Spaziergang" aufgerufen worden, erklärt ein Polizeisprecher vor Ort. Doch der angegebene Zeitpunkt, 15.30 Uhr, verstreicht, ohne dass sich auch nur ein "Spaziergänger" blicken lässt.
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