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Die Verliererin

Ein schwarzer Freitag für Investorin Regine Töberich: Sie bekommt kein Geld. Und ihr Bauprojekt Marina Garden hätte nie eine Chance gehabt.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Ein möglichst schmerzhaftes Urteil hatte sich Regine Töberich für Dresden gewünscht. Gute 18 Millionen Euro sollte ihr die Stadt dafür überweisen, dass sie ihre Wohnanlage „Marina Garden“ nicht bauen durfte. Seit Freitag steht fest, dass die Investorin keinen Cent Schadenersatz bekommen wird. Ganz im Gegenteil: Jetzt soll die 53-Jährige zahlen.

Töberich hatte Dresden eine gezielte Verhinderungstaktik vorgeworfen. Die Verwaltung hätte ihre Bauvoranfrage so lange liegen lassen, bis der Stadtrat neue Pläne für ihr Grundstück zwischen Elberadweg und Leipziger Straße machen konnte.

Im Kern stimmen ihr die Richter des Oberlandesgerichts zwar zu. „Wir sind der Meinung, dass die Stadtverwaltung ihre Amtspflicht grob verletzt hat“, sagte der Vorsitzende Richter Hanspeter Riechert am Freitag. Über die Bauvoranfrage hätte fast ein halbes Jahr eher entschieden werden müssen. Grund für das Scheitern von „Marina Garden“ sei diese Pflichtverletzung aber nicht gewesen.

Die Richter machen unmissverständlich klar: Marina Garden wäre chancenlos gewesen. Es hätte nie eine Baugenehmigung für die etwa 180 Wohnungen gegeben. Die bis zu 21 Meter hohen Gebäude hätten das Maß, was in der Gegend üblich ist, gesprengt, so Riechert. Auf der anderen Elbseite hätte man die Anlage als einen über 100 Meter breiten Block wahrgenommen. „Das Bauvorhaben hätte das Ortsbild erheblich beeinträchtigt.“

Hunderttausende Euro fällig

Und nicht nur das: Als die Architektin 2015 loslegen wollte, waren Wohnungen zwischen dem Alexander-Puschkin-Platz und dem Arzneimittelwerk die absolute Ausnahme. Um einen Bebauungsplan, wie ihn der Stadtrat schließlich wollte, wäre Töberich damit wohl gar nicht gekommen.

Für Regine Töberich ist das Urteil eine Niederlage, mit der sie offenbar nicht gerechnet hatte. Seit März 2016 kämpft sie vor Gericht um entgangene Gewinne und Planungskosten. Im Februar dieses Jahres zeigte sie sich siegessicher. „Ich habe ein gutes Gefühl“, sagte sie. Vorher hatte sie Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, ein Vergleichsangebot der Stadt über dreieinhalb Millionen Euro ausgeschlagen und die Schadenersatzforderung von 3 auf 18 Millionen Euro erhöht.

Schritte, die ihr nun schaden werden. Denn als Verliererin des Prozesses muss sie für die Gerichts- und Anwaltskosten beider Parteien aufkommen. Die Summe bemisst sich auch am Streitwert. Am Freitag konnte das Oberlandesgericht zu den genauen Kosten noch keine Aussage treffen. Man gehe aber von mehreren Hunderttausend Euro aus, die Töberich zahlen muss, so eine Sprecherin.

Eine minimale Chance hat die Investorin noch. Zwar hat das Gericht eine Revision abgelehnt, da es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handle, so die Richter. Dagegen kann Töberich allerdings Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Kommt dieser zu der Erkenntnis, dass eine Revision zugelassen werden muss, kann die Klägerin das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen lassen. Dazu müsste sie sich in den nächsten vier Wochen entscheiden.

Für eine Stellungnahme war Regine Töberich am Freitag nicht zu erreichen. Weder sie noch ihre Anwälte waren vor Gericht erschienen. Rechtlich gesehen mussten sie das auch nicht.

Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. „Das bestätigt unsere Arbeit in der Stadtplanung“, sagte er. Gleichzeitig kündigte die Stadt an, die verzögerte Bearbeitung von Töberichs Bauvoranfrage verwaltungsintern auszuwerten. Klarere Worte findet die Linke. „Die Abweisung der Millionenklage erfüllt mich mit Genugtuung“, sagte Stadtrat Tilo Wirtz. Die Zwangsräumung des Freiraum Elbtals, der das Töberich-Grundstück früher nutzte, die Zerstörung des Elberadwegs und die Millionenklage hätten gezeigt, mit welcher aggressiven Strategie es die Stadt zu tun gehabt hätte.

Linke, SPD und Grüne hatten Töberichs Projekt abgelehnt, sich eine Nutzung des Grundstücks als Kultur- und Kreativraum gewünscht und einen entsprechenden Bebauungsplan auf den Weg gebracht. Ein bis dahin eher unübliches Vorgehen, denn normalerweise ist das Sache des Stadtplanungsamtes. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Dana Frohwieser betonte am Freitag, Töberich sei zu keinem Kompromiss bereit gewesen, das Bauvorhaben umgebungsverträglich zu überarbeiten. „Nun hat sie die Quittung für ihre Sturheit erhalten.“

Was mit der brachliegenden Fläche an der Leipziger Straße passieren wird, ist derzeit unklar. Das Grundstück gehört nach wie vor Regine Töberich. Sie hatte es der Stadt zuletzt für knapp vier Millionen Euro angeboten.