Ärger um Neustädter Problem-Kreuzung

Dresden. Die Türen sind von nun an bereits ab 18 Uhr geschlossen. Das Café Continental zieht Konsequenzen aus der Situation an der Ecke Görlitzer/Louisenstraße. Dort werde die Stimmung immer aggressiver. Seine Mitarbeiterinnen könne der Betreiber nun nicht mehr guten Gewissens in den späten Abendstunden den Laden abschließen lassen.
So beschreibt es Peter Pfundt, der das Musikhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite betreibt. Er hat sich mit den Gewerbetreibenden in dem Bereich unterhalten und spricht nun stellvertretend für das Gros. Sie wollen ihrem Ärger Luft machen und die Situation nicht mehr hinnehmen.
Was sind die Probleme?
Schon seit Jahren ist die Kreuzung Görlitzer/Louisenstraße gerade in den Sommermonaten ein beliebter Treffpunkt in den späten Abend- und Nachtstunden. Die Leute sitzen gerne mit einem kühlen Getränk auf dem Boden und unterhalten sich. "Dagegen hat auch niemand etwas", stellt Pfundt klar. Die Gewerbetreibenden und Anwohner wüssten, dass die Neustadt ein Ausgehviertel ist. Dass es gerade am Wochenende lauter ist, sei nicht das Problem. Seit rund einem Jahr hätte sich die Situation aber verändert.
"Wir beobachten eine zunehmende Respektlosigkeit", sagt der Musikhaus-Besitzer. Immer öfter werde Müll hinterlassen, nächtliche Trommelkonzerte und andere lärmende Aktionen würden das Maß überschreiten. Und auch Pöbeleien nähmen zu. "Teilweise werden sogar Kinder am hellichten Tag angeschrien", berichtet Pfundt. Der eine oder andere greife mittlerweile schon zu drastischen Mitteln: "Da wird auch mal ein Eimer Wasser aus dem Fenster gekippt." Das sei allerdings nicht die Lösung, räumt der Unternehmer ein.
Auch die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) haben ihren Ärger mit der Ecke. Seit 2014 machen sich die Ecken-Sitzer einen Spaß daraus, die vorbeifahrenden Straßenbahnen der Linie 13 zu streicheln. Für den Pressesprecher Falk Lösch ist das aber alles andere als spaßig. "Die Bahnfahrer müssen stets entscheiden, ob sie gefahrlos an den Sitzenden vorbeifahren können oder eben nicht. Flapsig formuliert: Wenn der Erste seine Zehen oder Füße sucht, zeigen alle mit dem Finger auf den Bahnfahrer", sagt er auf SZ-Anfrage.
Welche Konsequenzen ziehen die DVB?
Die Leitstelle schicke die Linie 13 bei Hinweisen des Fahrers über den Albertplatz. 2018 musste besonders häufig zu diesem Mittel gegriffen werden - 15 Mal fuhren die Bahnen einen anderen Weg, im vergangenen Jahr acht Mal. "Insgesamt konnten wir die Linie 13 2018 mehr als 37 Stunden nicht durch die Neustadt fahren lassen. Vier Mal wurden Busse als Ersatzverkehr eingesetzt", so Lösch. "Wenn wir die Bahnen umleiten müssen, ärgern sich nicht nur die Kneipengäste in der Neustadt, sondern auch die Schichtarbeiter. Gerade im Bereich Bischofsweg/Fritz-Reuter-Straße wohnen viele."
In einer Aussprache machten rund 50 Anwohner und Händler ihrem Ärger nun gegenüber Stadt und Polizei Luft. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagt Pfundt.
Was sagen Polizei und Ordnungsamt dazu?
Von den Problemen an der Kreuzung hören Polizei und Ordnungsamt nicht zum ersten Mal. "Der Polizeidirektion Dresden ist das sogenannte Assi-Eck sehr wohl bekannt. Gerade in der warmen Jahreszeit treffen sich in den Abendstunden an der Kreuzung Rothenburger, Görlitzer- und Louisenstraße viele junge Leute", erklärt Polizei-Sprecher Marko Laske auf SZ-Anfrage. Nach Einschätzung der Polizei würden sich die Menschen vor Ort aber überwiegend friedlich verhalten. "Die in der Aussprache beschriebenen Probleme wie Lärm und wildes Urinieren bestehen bereits seit Jahren", heißt es aus dem Ordnungsamt. Hinsichtlich der quantitativen Zunahme könne man sich keine Beurteilung erlauben.
Was wird jetzt unternommen?
Bei der Aussprache hätten Ordnungsamt und Polizei auf Personalmangel verwiesen, berichtet Pfundt. Dennoch werde das Thema mitgenommen und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften besprochen. Die Gewerbetreibenden wollen sich zudem im Frühjahr oder Sommer mit den Stadträten treffen, um Druck aufzubauen. "Wir wollen zeigen, dass sie an der Kreuzung etwas versäumt haben", sagt der Musikhaus-Besitzer. "Es scheint nicht gewollt zu sein, hier etwas zu unternehmen." Stattdessen werde darauf verwiesen, dass es halt die Neustadt sei. So habe sich ein rechtsfreier Raum entwickelt.
Ist überhaupt schon etwas gemacht worden?
Polizei und Stadt waren in den vergangenen Jahren keineswegs tatenlos. Ordnungsamt und Polizei haben ihre Präsenz in der Neustadt verstärkt, Polizisten sind teilweise auch in zivil unterwegs. Auch das Stadtbezirksamt Neustadt ist bereits mit mehreren Aktionen aktiv geworden. Gegen das wilde Urinieren wurde die Nette Toilette eingeführt. In ausgewiesenen Lokalen und Geschäften können die WCs seitdem kostenfrei genutzt werden.
2017 wurde zudem die Stelle der sogenannten Neustadt-Kümmerin geschaffen - wegen zunehmender Probleme auf dem Vorplatz des Kulturzentrums Scheune. Manuela Möser kümmert sich aber um die Belange im gesamten Viertel. Sie hat unter anderem im vergangenen Jahr eine Kampagne auf die Beine gestellt: In kurzen Videoclips, auf Plakaten und Postkarten werden Partygäste um Rücksichtnahme gebeten.
Hier können Sie sich bei Problemen hinwenden:
- Neustadt-Kümmerin Manuela Möser ist unter 4886611 erreichbar; Sprechzeiten im Container auf der Louisenstraße 32: mittwochs 16 bis 18 Uhr
- In der Führungs- und Einsatzzentrale des Ordnungsamtes können unter 4886333 bis in die Nacht hinein Störungen gemeldet werden.
- Die Polizei sollte nur im Notfall unter 110 verständigt werden.