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Polizeieinsatz in der Klinik: Das sind die Hintergründe

Manfred H. wollte offenbar verhindern, dass das Jugendamt sein Kind in Obhut nimmt, notfalls mit Waffengewalt. Jetzt ist er im Gefängnis.

Von Juliane Richter
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In der Nacht zum Donnerstag ist Manfred H. bei Bautzen festgenommen worden. In Dresden herrschte anschließend Erleichterung.
In der Nacht zum Donnerstag ist Manfred H. bei Bautzen festgenommen worden. In Dresden herrschte anschließend Erleichterung. © Lausitznews/Toni Lehder

Als die Polizei am Mittwoch den Namen von Manfred H. überprüfte, stand schnell fest: Hier könnte Gefahr für Leib und Leben bestehen. 

Denn der 34-Jährige ist mehrmals vorbestraft, es stehen noch drei Haftbefehle aus und er soll angedroht haben, womöglich mit einer Waffe im Städtischen Klinikum Neustadt aufzutauchen. Dort behandelten die Ärzte am Mittwoch sein wenige Tage altes Kind. Seine Freundin, mit der er im Dorf Wetro bei Bautzen lebt, war bei dem Neugeborenen.

Am Telefon erklärte ihm die 26-Jährige offenbar, dass das Bautzner Jugendamt das Kind in Obhut nehmen will. So schildert es eine Mitpatientin. Manfred H. soll daraufhin angedroht haben, vorbeizukommen und die Entscheidung des Jugendamtes zu verhindern – notfalls auch mit Waffengewalt. Ob der 34-Jährige das wirklich so gesagt hat und es tatsächlich auch vorhatte, muss die Polizei nun ermitteln.

Die Dresdner Polizei bewachte am Mittwoch das Neustädter Krankenhaus in Dresden.
Die Dresdner Polizei bewachte am Mittwoch das Neustädter Krankenhaus in Dresden. © Tino Plunert

Am Donnerstag stand auf jeden Fall fest, dass H. eine Schreckschusswaffe besitzt. Diese haben die Polizeibeamten laut Sprecher Marko Laske in der Wohnung in Wetro gefunden. Dort tauchte H. gegen 1 Uhr morgens auf, wurde vom Sondereinsatzkommando vor dem Wohnblock überrascht und festgenommen. Fotos zeigen ihn bäuchlings vor dem Eingang auf dem Boden liegend, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Wie der zuständige Staatsanwalt Christopher Gerhardi aus Bautzen erklärt, landete Manfred H. direkt in Haft, weil die drei noch ausstehenden Haftbefehle sofort vollstreckt wurden. Die Verurteilungen liegen alle mindestens sieben Jahre zurück.

Damals ist H. wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Außerdem wurde er wegen Diebstahls und vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Einen Teil der Strafen hat er laut Gerhardi im Gefängnis abgesessen, danach kam er auf Bewährung frei.

Die wurde jedoch wegen neuer Taten widerrufen. Rein rechnerisch muss Manfred H. für die früheren Taten noch 530 Tage im Gefängnis bleiben. Dass er trotz mehrerer Haftbefehle in der Vergangenheit nicht festgenommen wurde, ist laut Staatsanwalt Gerhardi nichts Besonderes. „Nicht in jedem Fall wird aktiv und gezielt nach den Leuten gesucht“, sagt er. Vor allem bei brisanten Fällen kämen Zielfahnder zum Einsatz, nicht aber bei Alltagskriminalität. Häufig würden solche Personen nur zufällig auffallen, etwa bei der Ausreise am Flughafen oder bei Unfällen. Verurteilungen hat es in den vergangenen Jahren für H. keine mehr gegeben. Er soll nach Informationen von Sächsische.de aber auch mit Drogen in Erscheinung getreten sein.

Zusammenhang mit Lebensumständen der Mutter

Und nun dieses eine, entscheidende Telefonat mit der Freundin. Die Konsequenzen spürten am Mittwoch zahlreiche Patienten des Klinikums auf der Industriestraße. Dort riegelte die Polizei den Komplex nicht ab, war aber mit mehreren Beamten im Einsatz und überprüfte an den Eingängen, wer das Gelände betritt. Die Beamten hatten ein Foto von Manfred H. vorliegen. Sein Äußeres mit dem komplett kahl rasierten Kopf und den hellblauen Augen ist durchaus markant.

Der Klinikbetrieb lief in der gesamten Zeit weiter. Laut Sprecherin Anja Witthauer wurden die Mitarbeiter über das Intranet und durch ihre leitenden Angestellten persönlich „über die Vorsichtsmaßnahme unterrichtet“. Obwohl es einen vergleichbaren Fall in den vergangenen Jahren am Klinikum nicht gegeben hat, habe niemand panisch reagiert. „Alles ist ruhig und geordnet abgelaufen. Wir haben auch ganz normal das zehnjährige Jubiläum unseres Adipositaszentrums gefeiert“, sagt Witthauer. Genauso normal lief der Krankenhausbetrieb am Donnerstag weiter. Die Polizisten wurden noch in der Nacht, nach der erfolgreichen Festnahme, abgezogen.

Offen bleibt bisher, warum den Eltern das Kind entzogen werden soll. Das Jugendamt Bautzen äußert sich dazu aus Datenschutzgründen nicht. Von der Polizei heißt es, dass es mit den „Lebensumständen der Mutter“ zusammenhänge.

Auch in Dresden werden alljährlich Kinder in Obhut genommen, die Zahlen steigen kontinuierlich. Waren es 2010 rund 376 deutsche Minderjährige, stieg die Zahl im vergangenen Jahr bereits auf 453 deutsche Kinder und Jugendliche.

Die Gründe sind oft vielschichtig. So greift das Jugendamt ein, wenn das Kindswohl gefährdet ist, die Eltern das Kind nicht ausreichend versorgen oder das Kind durch familiäre Konflikte und Probleme der Eltern belastet wird. Wie der scheidende Jugendamtsleiter Claus Lippmann im SZ-Interview erklärt hat, spielt der Crystalkonsum bei den Eltern auch eine immer größere Rolle. (mit SZ/jv)