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Dresdens Bäche fließen wieder offen

Rund 15 Kilometer Wasserwege sind aus Rohren ans Tageslicht gekommen. Das ist weder einfach, noch billig.

Von Kay Haufe
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Der Zschonergrundbach ist im Rahmen der Hochwasser-Schadensbeseitigung offengelegt worden. Das soll den Abfluss verbessern, wenn der Bach wieder einmal viel Wasser führen sollte. Vorher floss er teilweise durch Rohre.
Der Zschonergrundbach ist im Rahmen der Hochwasser-Schadensbeseitigung offengelegt worden. Das soll den Abfluss verbessern, wenn der Bach wieder einmal viel Wasser führen sollte. Vorher floss er teilweise durch Rohre. © René Meinig

Über 500 kleine und größere Bäche sowie Gräben mit einer Gesamtlänge von über 400 Kilometern fließen im Dresdner Stadtgebiet. Viele von ihnen sind jedoch nicht sichtbar, sondern in Rohre unter die Erde verbannt. Unsere Vorfahren wollten so Platz zum Bauen schaffen oder größere und damit besser zu bearbeitende Feldabschnitte. Doch damit soll endlich Schluß sein. Stück für Stück werden die Bäche wieder ans Licht geholt.

An welchen Bächen wird im Moment gearbeitet?

Derzeit fließt der Wiesengraben noch tief im Boden. Sein künftiges Bett ist aber schon bereitet. Wenn der kleine Wasserlauf zwischen Bühlau und Weißig bis Ende 2021 wieder oberirdisch verläuft, durchfließt er den scharfen Knick an der Weißiger Bahnhofsstraße, den ihm Baggerfahrer jetzt mit großen Feldsteinen gestaltet haben. Damit ist der Wiesengraben einer von sieben Bächen, die in den letzten zwei Jahren aus ihrer dunklen Verrohrung geholt wurden oder demnächst noch werden. Insgesamt 15 Kilometer Bäche und Gräben hat die Stadt bisher renaturiert, was nicht billig war. Acht Millionen Euro wurden investiert. Unter anderem auch Fördergeld für die Hochwasserschadensbeseitigung.

Welche Gewässer fließen bereits jetzt oder bald oberirdisch?

Ganz in der Nähe des Wiesengrabens wurde im Vorjahr ein erster Abschnitt des Quohrener Abzugsgraben in Bühlau offengelegt. Wenn die Quohrener Straße ausgebaut wird, ist geplant, weitere Abschnitte zu renaturieren. Ebenfalls 2018 holten Fachleute den Quellbereich des Borsberger Dorfbaches ans Tageslicht. Dank Geld für die Hochwasserschadensbeseitung fließt der Graupaer Bach in Hosterwitz auf den Elbwiesen seit 2018 offen. Im Westen der Stadt plant das Umweltamt in Podemus mit dem Bau eines Festplatzes samt Spielplatz den Podemuser Abzugsgraben noch dieses Jahr aus den unterirdischen Rohren zu holen. Im Norden soll in Altklotzsche der Klotzscher Dorfbach offen fließen, Renaturierungen stehen in Lausa am Schelsbach und Lausenbach an, damit der Gewässerzustand besser wird.

Wann ist eine Offenlage nicht zu empfehlen?

Gründe, die dagegen sprechen, sind zum Beispiel fehlender Platz oder wenn sich ein Wasserlauf unter Straßen und Häusern befindet. Dies ist beim Loschwitzbach, auch Trille genannt, der Fall. Er fließt weitgehend unter der Grundstraße und unter dem Loschwitzer Dorfplatz. Dann gibt es Bäche, die in der Vergangenheit immer wieder mit Abfällen zugeschüttet wurden, wie der Neurochwitzer Grundbach. Es sprechen manchmal aber auch städtebauliche Gründe dagegen. So verläuft der Kaitzbach im Bereich des Promenadenringes, wo es nicht gewollt ist, ihn offenzulegen.

An der Bahnhofstraße in Weißig wurde der Bühlauer Wiesengraben wieder offen gelegt. 
An der Bahnhofstraße in Weißig wurde der Bühlauer Wiesengraben wieder offen gelegt.  © René Meinig

Welchen Vorteil hat es überhaupt, die Bäche ans Licht zu holen?

Bäche sind natürlicher Lebensraum für Pflanzen und Tiere. In verrohrten Bächen ist kaum Leben möglich und die Rohre verhindern den notwendigen Austausch von Fischen und wirbellosen kleinen Gewässertierchen. Eine enorm wichtige Leistung der Bäche ist die Hochwasser- und Niedrigwasserregulation. Haben sie ausreichend Platz und naturnahe Gewässerbetten und -ufer, werden Hochwasserwellen gebremst und der Hochwasserscheitel abgesenkt. Das Wasser wird stattdessen in den Untergrund infiltriert.

Darüber hinaus ist die Selbstreinigungskraft für den Menschen besonders wichtig, weil in Bäche Regenwasser und Abwasser aus der Kanalisation eingeleitet wird. Ähnlich wie in einer Kläranlage werden hier viele schädliche Stoffe abgebaut.

Welche Tiere und Pflanzen siedeln sich an, die es jetzt dort nicht gibt?

Durch den überwiegend unbefriedigenden bis schlechten Zustand der Dresdner Bäche sind viele der Fließgewässerlebewesen wie Edelkrebs, Bachschmerle oder Quellmoose sehr selten geworden. Heute leben eher unscheinbare wirbellose Tierchen wie Insektenlarven von Eintags-, Stein- oder Köcherfliegen darin, sowie Schnecken, Muscheln, Krebse oder Strudelwürmer. Bei den Pflanzen sind verschiedene Moose, Laichkräuter, Röhrichtarten, Weiderich und Mädesüß als Vertreter schöner Blühpflanzen und bei den Bäumen, Schwarzerle und Weiden zu nennen.

Wehren sich Landwirte und andere gegen die Renaturierung?

Viele Grundstückseigentümer oder Nutzer sind nicht begeistert, wenn auf Ihren Flächen ein Bach offengelegt wird, sagt die Stadt. Bisher ist es dem Umweltamt aber immer gelungen mit Entschädigungszahlungen, Flächentausch und viel Kommunikation, sich zu einigen. Kompromisse konnten über den Zuschnitt und die Linienführung erzielt werden.