Dresden. Eine einzige winzige Veränderung ließ den Menschen zum Menschen werden. Dresdner Wissenschaftler haben bewiesen, dass ein Molekül auf einem Gen das entscheidende Gehirnwachstum des Menschen ausgelöst hat. Dies ließ die Großhirnrinde stark wachsen und das Gehirn falten. Fast die Hälfte des gesamten Gehirnvolumens nimmt dies beim Menschen heute ein. Mit dieser Entwicklung trennte sich der Mensch von den Primaten ganz grundsätzlich vor etwa 1,5 Millionen Jahren.
Damit ist eines der größten Rätsel in der Menschheitsentwicklung gelöst, warum sich das Gehirn des Menschen so grundlegend anders als bei allen anderen Lebewesen entwickeln konnte. Wieland Huttner und sein Team vom Max-Planck-Institut für molekulares Zellbiologie und Genetik berichten darüber jetzt im Top-Wissenschaftsjournal Science online.
Mehr noch, sie konnten gemeinsam mit japanischen Forschern aus Tokio und Kawasaki nachweisen, dass dieses eine ausgetauschte Molekül im Gen ARHGAP11B auch bei heute lebenden Primaten das Gehirnwachstum stark ankurbeln würde. Experimente mit Weißbüschelaffen haben dies nachgewiesen. In die befruchteten Eizellen dieser Primaten wurde das veränderte Gen eingeschleust, berichtet Michael Heide vom Team Huttner. In den Föten begann sich das Gehirn der Affen zu vergrößern und zu falten. Geboren wurden diese Affen jedoch nicht. Angesichts möglicher unvorhersehbarer Konsequenzen hinsichtlich der Hirnfunktion nach der Geburt sei die Forschung auf die fötale Entwicklung beschränkt worden, begründet Huttner der SZ die Entscheidung.
25 Jahre Forschung waren insgesamt dafür nötig und eine Menge neuer Technik, die erst in den letzten Jahren erfunden wurde, sagt Huttner. Er ist einer der Gründungsdirektoren des Instituts. 2015 hatte sein Team bereits nachgewiesen, das ein verdoppeltes Gen im Menschen für das Gehirn so wichtig ist.
Vor 5 Millionen Jahren so entstanden, reichte es für die Menschwerdung aber nicht. Der eine einzige entscheidende Austausch von einer Base C nach G war es dann. Michael Heide hat dies nun nachgewiesen. Punktmutation nennt sich das. Sie finden immer wieder statt und bleiben in aller Regel ohne Folgen. Anders hier. Es war das Signal im Gencode mit den bekannten Folgen für die Menschwerdung. „Wenn ich davon berichte, geht meine Pulsrate jedes mal rauf“, gesteht Wieland Huttner.
Alle 60.000 bisher weltweit analysierten menschliche Genome haben dieses entscheidende G. Und noch etwas steht fest: Nicht nur wir Neumenschen haben es, auch alle Neandertaler und Denisova-Menschen besaßen es schon.