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Druck auf Kliniken wächst

 Kreis-Klinikchef Andreas Grahlemann warnt vor Überkapazitäten. Hilft den Patienten und Krankenhäusern ein Blick zur Autoindustrie?

Von Sebastian Beutler
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Vor neun Jahren wurden in Görlitz Unterschriften für die Selbstständigkeit des Görlitzer Klinikums gesammelt. Das Bürgerbegehren war erfolgreich. Doch an einer weitergehenden Zusammenarbeit werden die Krankenhäuser im Kreis nicht vorbeikommen.
Vor neun Jahren wurden in Görlitz Unterschriften für die Selbstständigkeit des Görlitzer Klinikums gesammelt. Das Bürgerbegehren war erfolgreich. Doch an einer weitergehenden Zusammenarbeit werden die Krankenhäuser im Kreis nicht vorbeikommen. © Archivfoto: Jens Trenkler

Andreas Grahlemann hat dieser Tage gestaunt. Seit zweieinhalb Jahren führt er die Krankenhäuser des Kreises in Zittau, Ebersbach und Weißwasser. Das Staunen lösten bei ihm aber weniger seine Krankenhäuser aus als vielmehr BMW und Daimler. Dass die beiden großen deutschen Autoproduzenten zusammenarbeiten, um sich der Konkurrenz von Tesla und chinesischer Hersteller zu erwehren, wäre noch vor Jahren undenkbar gewesen. Und dann blickt er auf die Krankenhaus-Landkarte im Kreis Görlitz und denkt: Ach, könnten wir doch dem Auto-Beispiel folgen.

Andreas Grahlemann, Chef der Kreis-Kliniken. 
Andreas Grahlemann, Chef der Kreis-Kliniken.  © Archivfoto: Thomas Eichler

Für den Krankenhausmanager steht fest: Gelingt es nicht, in den nächsten Jahren die kommunalen Krankenhäuser im Kreis zusammenzubringen, dann ist die Existenz einzelner Häuser gefährdet. In der Branche wird dabei immer wieder auf Weißwasser verwiesen, das kleinste Krankenhaus. So klar formulierte es Grahlemann auch am Mittwochnachmittag vor dem Kreistag und machte kein Hehl aus seiner Sorge, dass die Politik im Kreis wichtige Entscheidungen vor sich herschiebt. Was er jedenfalls im Moment erlebe, mache die Situation nicht einfacher. Jedes Haus versuche seine Arbeit zu optimieren: Das kleine Emmaus-Krankenhaus in Niesky baut seine Chirurgie aus, das ebenso kleine Carolus-Krankenhaus in Görlitz denkt nicht daran, seine Chirurgie aufzugeben. Die Folge: Mehr Wettbewerb. „Aber das optimiert nicht die Situation aller Krankenhäuser im Landkreis“. Gegenüber der SZ stimmt die Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz, Ulrike Holtzsch, mit ihrem Kollegen von den Kreiskrankenhäusern überein. „Wir werden uns zusammensetzen müssen, um zu klären, wie wir im Landkreis die Häuser entwickeln.“ Es müsse Schluss mit dem Kirchturmdenken sein. Dazu sei aber ein stärkerer politischer Wille nötig als bislang, erklärte Frau Holtzsch, die seit fünf Jahren für die CDU im Kreistag sitzt.

Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz.
Ulrike Holtzsch, Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums Görlitz. © Foto: Städtisches Klinikum Görlitz

Diskutiert wird freilich schon lange. Landrat Bernd Lange (CDU) hatte kurz nach der Bildung des neuen Landkreises Görlitz die Idee einer Holding für alle kommunalen Krankenhäuser ins Spiel gebracht. In Görlitz aber stieß er damit auf Ablehnung. Im Herbst 2015 sprach sich die Fraktion der Freien Wähler für eine stärkere Zusammenarbeit der Kreiskliniken mit dem Görlitzer Klinikum aus. Zwar gelang das bei der Gründung der Krankenhausakademie, um künftig den Pflegenachwuchs gemeinsam auszubilden. Ein Projekt, das am Mittwoch von Grahlemann als Erfolgsmodell beschrieben wurde. Aber weiter geht die Zusammenarbeit auch nicht. Der zwischenzeitlich mal geprüfte Bau einer gemeinsamen Wäscherei scheiterte an zu wenig Wäsche, um die Einrichtung effektiv betreiben zu können.

Doch der Druck auf die Krankenhauslandschaft kommt von ganz verschiedenen Seiten und verstärkt sich. Da ist zum einen der Bevölkerungsrückgang. „Der macht uns große Sorgen“, sagt Grahlemann. Bis 2030 wird sich die Einwohnerzahl im Landkreis halbiert haben im Vergleich zu 1990. „Aber die Klinikdichte und die Kapazitäten sind nach wie vor auf die Einwohnerzahl von 1990 ausgerichtet“, sagt er und spricht von Überkapazitäten. So gehen auch bei ihm die Zahl der stationären wie auch ambulanten Patienten zurück. Waren es zusammen 2016 noch 73 895, so zählten die Kliniken in Weißwasser, Zittau und Ebersbach im vergangenen Jahr noch 69 163 Patienten. Für die Zukunft erwartet Grahlemann, dass der stationäre Sektor stärker zurückgeht als der ambulante. Am Görlitzer Klinikum wurden 2016 rund 71 700 Patienten behandelt. Schwierig ist auch, dass Kliniken wie das Emmaus in Niesky als Portalklinik für das Dresdner Diakonissenkrankenhaus arbeiten: Schwierige Fälle werden in der Landeshauptstadt operiert, fehlen aber den Krankenhäusern im Kreis.

Aber auch die Krankenkassen machen Druck. Die Patienten verweilen immer kürzer in den Kliniken. Im Schnitt sind es noch sechs Tage, vor Jahren waren es 20. Dadurch sind nicht mehr so viele Betten in den Häusern nötig. Zum anderen wachsen die Anforderungen an die Kliniken bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen. Geforderte Mindestfallzahlen könnten dazu führen, dass spezielle Behandlungen nur noch in Großstädten und nicht mehr an einer Klinik im Kreis angeboten werden dürfen. Dann wiederum verlieren die hiesigen Krankenhäuser an Attraktivität als Arbeitgeber für Ärzte. Schon jetzt aber ist es schwierig, genügend medizinisches Personal zu bekommen. Die Krankenhäuser in Zittau, Ebersbach und Weißwasser beschäftigen 207 Ärzte, von denen 98 aus Albanien, Jemen, Litauen, Polen, Rumänien, Serbien, Syrien, Tschechien, der Ukraine, Georgien, Kasachstan oder der Slowakei kommen. Insgesamt zwölf Nationalitäten. „Würden wir sie nicht haben, würde das Kreis-Krankenhaus nicht mehr bestehen. Deswegen sind wir froh, sie zu haben“, sagt Grahlemann, der darüber hinaus noch 255 Honorarärzte tageweise beschäftigt. Am Görlitzer Klinikum waren 2016 rund 170 Ärzte beschäftigt.

Vor allem aber kommen Krankenhäuser mit weniger als 200 Betten in die Bredouille. Das könnte wiederum das Emmaus in Niesky und das Carolus in Görlitz treffen. Um diesen Fehlentwicklungen zu begegnen, fordert Grahlemann, der zehn Jahre lang das Krankenhaus in Hoyerswerda leitete und auch Erfahrungen bei großen Krankenhauskonzernen wie Rhön sammelte, Grenzen in den Köpfen einzureißen und gemeinsam Lösungen anzustreben. Sein Appell bleibt Auftrag für die neuen Kreisräte und Stadträte, die die Bürger am 26. Mai wählen.

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