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Druckereichef gibt Millionenbetrug zu

Dem Radebeuler Unternehmer drohen zwei Jahre Haft auf Bewährung. Wenn die Betrugssumme nicht weiter steigt.

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Von Peter Anderson

Wolfgang Lerchl zeigt sich zerknirscht, ganz im Gegensatz zu seinem sonst forschen Auftreten. Komplett in Schwarz erscheint der Geschäftsführer des Online-Druckhauses Unitedprint in Radebeul am gestrigen Vormittag vor der 14. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden. Mit leiser Stimme gibt er seine Daten zu Protokoll. Subventionsbetrug in insgesamt zehn Fällen mit einer Gesamtsumme von rund 6,5 Millionen Euro wirft ihm die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vor.

Mit illegalem Geld gebaut: das Stammhaus von Unitedprint.Foto: A. Müller
Mit illegalem Geld gebaut: das Stammhaus von Unitedprint.Foto: A. Müller © Arvid Müller

Fast eine Stunde dauert es, um sämtliche Vorwürfe aufzuzählen. Alle hängen zusammen mit dem Umzug des Meißner Druckhauses nach Radebeul in Folge des Hochwassers 2002 und dem Umbau zur jetzigen Unitedprint. Zwischen 2003 und 2007 sollen die Taten begangen worden sein. Es dürfte sich um den größten Fluthilfebetrugsfall bislang in Sachsen handeln.

Gericht schlägt einen Deal vor

Die Vorsitzende Richterin Michaela Kessler liebt klare Worte. Die Akten zu dem Fall, randvoll mit Tabellen, Zahlenreihen und betriebswirtschaftlichen Fachbegriffen, seien eine schwierige Lektüre gewesen. Um das Verfahren einzugrenzen, habe es mehrere Rechtsgespräche gegeben. Auch an diesem Vormittag ziehen sich die Beteiligten kurz zurück. Am Ende steht ein „Deal“, wie es Richterin Kessler ausdrückt, eine Absprache. Gegen ein volles Geständnis wird Lerchl zugesichert, dass seine Freiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt und zur Bewährung ausgesetzt wird. Dazu kommt eine Geldstrafe, die zwischen 275.000 Euro und 350.000 Euro liegen soll. Der Handel gelte allerdings nur, wenn sich keine neuen Vorwürfe gegen den Druckereichef ergeben und die Schadenssumme dadurch weiter wächst, so die Richterin. Der Fall Uli Hoeneß mit schrittweise steigenden Millionenbeträgen lässt grüßen.

Dem Angeklagten scheint der Vorschlag zu passen. Lerchl nickt. Er stimmt zu, legt die Karten auf den Tisch. Seinem Rechtsanwalt Michael Stephan bleibt es überlassen, ein vorbereitetes, mehrseitiges Schreiben des Druckerei-Unternehmers zu verlesen. Dieser sei „indisponiert“, und er habe zudem die bessere Stimme, so der Verteidiger. Was folgt, ist ein nahezu vollständiger Abriss von Lerchls Lebenslauf, in dem die Vorwürfe der Anklage zwar eingeräumt, jedoch stets mit einem großen „Aber“ relativiert werden.

Was aus der Vita hervorgeht: Der 48-Jährige hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt. Vom Schriftsetzer arbeitete sich der gebürtige Bayer nach einem Studium der Drucktechnik zum Chef des nach eigenen Angaben größten inhabergeführten Unternehmens in den neuen Bundesländern empor. Über 700 Mitarbeiter zähle seine Firma derzeit. In über 21 Ländern sei Unitedprint aktiv und stelle mehr als 20 Produkte her. Angefangen vom Klebezettel bis zum Firmenprospekt, so Lerchl.

Die zündende Idee zum Subventionsbetrug will der in Dresden wohnende Unternehmer von einem ebenfalls in der Landeshauptstadt aktiven Rechtsanwalt eingeflüstert bekommen haben. Das gegen diesen laufende Verfahren musste wegen einer schweren Krankheit des Angeklagten abgekoppelt werden.

Der Betrug funktionierte laut Lerchl zumeist nach dem gleichen Prinzip. Namhafte Lieferanten wie Planeta Radebeul, Kama Dresden oder Perfecta Bautzen verkauften der Unitedprint ihre Maschinen zum Listenpreis, das heißt ohne den sonst üblichen Nachlass in Höhe von 20 bis 30 Prozent. Der überhöhte Einkaufspreis wurde auch in den Förderanträgen an die Sächsische Aufbaubank angegeben. Die SAB gewährte anschließend Zuschüsse, die teilweise mehr als 70 Prozent ausmachten.

Maschinenbauer spielten mit

Im Nachhinein holte sich Unitedprint die Rabatte über Werbeverträge zurück. So sagte das Druckhaus dem benachbarten Hersteller Planeta zu, potenzielle Käufer von Druckmaschinen durch seine gläserne Produktion zu führen und dadurch für die Planeta zu werben. Im Gegenzug zahlte diese in mehreren Raten Hunderttausende Euro als Werbekostenzuschüsse an Unitedprint. In Summe dürfte der Betrag ungefähr den auf dem Papier nicht gewährten Rabatten entsprochen haben. An Sachsens Aufbaubank ging das Geschäfte vorbei. Der zuständige Planeta-Manager sah das Verfahren damals locker. „Mir ging es darum, in einem hartumkämpften Markt so viele Maschinen wie möglich zu verkaufen. Was das mit Wirtschaftsförderung zu tun hat, war mir erst mal egal“, so der Manager gestern vor dem Landgericht.

Ähnlich zweischneidig fällt die Aussage von Wolfgang Lerchl aus: Er habe zu sehr auf die Aussage seines Rechtsanwaltes und Beraters vertraut, dass die Werbeverträge legal seien. Trotzdem übernehme er die volle Verantwortung für die von der Anklage aufgezählten Fälle von Subventions- und Fluthilfebetrug, so der Unitedprint-Chef. Insgesamt 8,5 Millionen Euro mit Zinsen habe er bereits zurückgezahlt.

Dann folgt wieder eines der großen „Aber“. In erster Linie habe er die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter sichern und neue Stellen schaffen wollen, sagt Lerchl. Von den Banken seien ihm keine Darlehen für den Umbau des sanierungsbedürftigen Meißner Druckhauses zur modernen Unitedprint gewährt worden. Von einer „Zwangslage“ spricht Lerchl und klingt plötzlich kaum noch zerknirscht. Das Urteil in seinem Fall wird heute erwartet.