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"Ich will nicht arbeitslos sein"

Erst hat er gezögert, dann der Verein: Das Beispiel von Dynamo-Profi Jannik Müller zeigt auch, wie schwierig es sein kann, sich für Bleiben oder Gehen zu entscheiden. 

Von Sven Geisler
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Trainer Cristian Fiel (l.) hat mit Jannik Müller noch zusammengespielt.
Trainer Cristian Fiel (l.) hat mit Jannik Müller noch zusammengespielt. ©  dpa/Robert Michael

Sie haben sich im Stadion getroffen, in der Vip-Loge 10. Das Gespräch dauerte etwa 20 Minuten, ein abschließendes Ergebnis gibt es nicht, nur kleine Tendenzen. Mehr möchte Jannik Müller über sein Meeting, wie er es nennt, mit Dynamos Sportgeschäftsführer Ralf Minge am Montag nicht verraten. Eine Botschaft ist das trotzdem: Der Abwehrspieler ist grundsätzlich bereit, über diese Saison hinaus in Dresden zu bleiben. „Es ist kein Geheimnis, dass ich mich hier wohlfühle“, sagt er – und sein Spielerberater würde diese Entscheidung sowieso gut heißen.

Aus den Vertragsverhandlungen hält sich Jens Jeremies jedoch raus. Der frühere Dynamo-Spieler, dem Minge als Trainer 1994/95 zu seinen ersten zehn Einsätzen in der Bundesliga verholfen hat, sei „emotional zu sehr mit dem Verein verwurzelt“, meint Müller. Wenn es um Zahlen geht, könnte er in einen Interessenkonflikt geraten, also überlässt er das besser Jürgen Milewski, dem anderen Chef der Berater-Agentur. „Ich telefoniere trotzdem jede Woche mit Jerry“, sagt Müller und schmunzelt. Trotzdem muss er rational abwägen, was für ihn das Beste ist.

Trainerwechsel stoppt Vertragsgespräche

Seit fünf Jahren spielt er bei Dynamo, war meist der erste Ersatzmann, der Notnagel, wenn ein anderer ausgefallen ist. Im Winter hat Müller zum ersten Mal den Anspruch auf einen Stammplatz angemeldet. Deshalb wollte er die Entwicklung abwarten, wenn zur Rückrunde alle fit sind. „Bisher war es immer so, dass ich dann eher auf die Bank gesetzt wurde.“ Unter Maik Walpurgis war er gesetzt, doch als er die Vertragsgespräche aufnehmen wollte, war der Trainer schon wieder weg. Nun legte der Verein die Planungen auf Eis, damit sich Cristian Fiel ein Bild machen konnte.

Der neue Chefcoach hatte zwar noch mit Müller zusammengespielt, wollte sich aber erst mal darauf konzentrieren, das Schiff flott zu kriegen. So hat er ihm das im März während des kurzen Trainingscamps in Bad Gögging gesagt – und ihn danach für das prestigeträchtige Sachsenderby zum Kapitän bestimmt. „Es lief alles in die richtige Richtung“, meint Müller. Bis er sich verletzte. Der Radiologe stellte mehrere kleine Muskelbündelrisse am Knochenansatz im Oberschenkel fest.

Bei Dynamos 3:1-Sieg im Sachsenderby bei Erzgebirge Aue am 1. April war Jannik Müller sogar Kapitän - und verteidigte unter anderem gegen Ex-Dynamo Pascal Testroet.
Bei Dynamos 3:1-Sieg im Sachsenderby bei Erzgebirge Aue am 1. April war Jannik Müller sogar Kapitän - und verteidigte unter anderem gegen Ex-Dynamo Pascal Testroet. © dpa/Robert Michael

Fünf Spiele verpasste er deshalb, beim 2:1-Sieg gegen den FC St. Pauli am vorigen Freitag gab Müller in den drei Schlussminuten plus Nachspielzeit sein Comeback. Der Verteidiger sollte helfen, den knappen Vorsprung zu sichern und damit den Klassenerhalt, auch wenn der zu dem Zeitpunkt rechnerisch nicht feststand. Das ist ein Punkt, der in seine Überlegungen einfließt. „Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch“, meint Müller. „Wir haben zwei Jahre gegen den Abstieg gespielt, da hinterfragt man sich selber und die Mannschaft: Wo liegt das Problem?“ Darüber hat er mit Minge geredet, auch über Dynamos proklamierten Anspruch, eher früher als später ganz oben mitspielen zu wollen.

Das Ziel ist die Bundesliga

Das deckt sich mit seinem Ziel. „Ich bin in einem Alter, in dem ich schon noch in die Bundesliga kommen möchte“, sagt der 25-Jährige. Kontakte mit anderen Vereinen habe es bereits gegeben. „Ich will nicht am Ende dastehen und arbeitslos sein.“ Der 1. FC Köln war nicht dabei. In der Jugend hat er zehn Jahre für den Verein gespielt, vorigen Sommer gab es Gerüchte, er könnte zurückkehren. „Ich hätte mich gefreut, wenn etwas dran gewesen wäre“, meint er und grinst. „Ich würde mich noch mehr freuen, wenn dieses Jahr etwas dran wäre.“ Müller schätzt sich und seine Möglichkeiten realistisch ein. „Ich kann es mir nicht vorstellen. Wir haben als Mannschaft keine überragende Saison gespielt, ich auch nicht.“ Was bei ihm in erster Linie verletzungsbedingt ist. So fehlte er im Hinspiel gegen seinen Ex-Klub nach einer Sprunggelenk-Operation, im Rückspiel wegen der Muskelbündelrisse. „Das ist bitter.“

Im Sommer 2014 war er von der zweiten Mannschaft des 1. FC Köln zu Dynamo in die 3. Liga gewechselt, der damalige Trainer Stefan Böger hätte ihn am liebsten gleich wieder weggeschickt. Minge setzte sich durch. Inzwischen ist Müller in jeder Hinsicht eine stabile Größe – oder wie es Minge im Trainingslager im Januar sagte: „Er ist nicht mehr das kleine Müllerchen, das vor viereinhalb Jahren zu uns gekommen ist.“ Müller mag wirken wie ein braver Junge, aber er ist vor allem ein kluger Mann, hat Finanzmanagement studiert.

Einen festen Termin habe er sich nicht gesetzt, „aber ich möchte nicht in den Urlaub gehen, ohne etwas unterschrieben zu haben“. Dynamo hat ihm vor anderthalb Wochen ein konkretes Angebot unterbreitet, bewerten möchte er es öffentlich nicht. „Darüber habe ich mit Ralf gesprochen, das bleibt intern.“ Offenbar gibt es Nachbesserungsbedarf. „Das ist Interpretationssache“, entgegnet Müller.