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Ein neuer Hausarzt ist Luxus

Zuzügler werden umworben, haben aber ein ganz spezielles Problem in Hoyerswerda.

Von Uwe Schulz
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© Symbolfoto: www.pixabay.com

Hoyerswerda. Es ist schon etwas paradox. Hoyerswerdas Einwohnerzahl schrumpft, doch das Hausarztproblem wird einfach nicht kleiner. Es dürfte keine Praxis in der Stadt geben, die noch Patienten aufnimmt. Was durchaus damit zu tun hat, dass Hoyerswerdas Bevölkerung einen sehr hohen Altersdurchschnitt hat mit einem erhöhten Ärztekontakt. Das bekam auch ein Paar aus der Hoyerswerdaer Neustadt zu spüren. Die Frau (Name der Redaktion bekannt) schildert TAGEBLATT gegenüber ihre Odyssee, um für ihre Mutter Christine Finster einen Hausarzt in Hoyerswerda zu finden. 

Die heute 70-Jährige hat in den 1970er-Jahren viele Jahre in Hoyerswerda gelebt, ist später verzogen und nach der deutschen Wiedervereinigung der Arbeit wegen in die alten Bundesländer gegangen. Nach einem arbeitsreichen Leben ist sie nun im Rentenalter und zieht zurück nach Hoyerswerda. Hier und im näheren Umfeld lebt ein Großteil der engeren Familie. Auch sonst bestehen noch Kontakte. Es spricht also alles für einen schönen Lebensabend in Hoyerswerda. Mit einer Wohnung bei den LebensRäumen hat es sofort geklappt. Also machte sich die Tochter auch noch auf die Suche nach einem neuen Hausarzt. Dass das ein Problem sein könnte, hatte sich in der Familie niemand vorstellen können. Es gibt eben Gegenden in Deutschland, da geht man einfach unangemeldet zu einem Arzt und kommt einfach so dran und wird in die Patientenkartei aufgenommen. Nicht so in Hoyerswerda. TAGEBLATT/SZ schreiben seit vielen Jahren über die Probleme – zu wenig Ärzte mit zu vielen Patienten. Die Kassenärztliche Vereinigung, die eigentlich der Ansicht ist, dass es genügend Mediziner hier gibt, will den Schwarzen Peter aber auch nicht haben und schiebt es auf die entsprechenden politischen Vorgaben.

Christine Finsters Tochter telefonierte jedenfalls die Hausarztpraxen in Hoyerswerda ab und holte sich eine Absage nach der anderen. Selbst die eigene Hausärztin nimmt niemanden mehr auf. Also versuchte die Tochter es über die Rufnummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes. Hier bekam sie tatsächlich per Mail einen Termin bei einer in Hoyerswerda niedergelassenen Hausärztin. Gut 45 Minuten später wurde der Termin aber von der Praxis ohne Begründung abgesagt. Einen Ersatztermin bekommt man dabei nicht etwa, sondern man müsste das ganze Prozedere von vorn starten. Das scheint keine Ausnahme zu sein, denn die Tochter bekam zuvor schon den gut gemeinten Rat, vor dem Termin noch mal nachzufragen, ob es auch dabei bleibt.

Die Tochter war spätestens da reichlich sauer, telefonierte letztlich viel, sowohl mit der Kassenärztlichen Vereinigung als auch ihrer Krankenkasse. Und da man ihr sagte, sie möge sich mit ihrem Problem an die Politik wenden, versuchte sie Hoyerswerdas Oberbürgermeister zu erreichen. Das gelang ihr nicht. Zwischenzeitlich hatte sie Ärzte, die sie telefonisch nicht erreichte, per Mail angeschrieben. Und dann geschah das scheinbar Unmögliche: Eine Ärztin, die selbst auch keine Patienten mehr aufnahm, leitete die Mail an einen anderen Arzt weiter. Der ließ sich so letztlich breitschlagen, Christine Finster doch noch aufzunehmen. Denn sie braucht aus medizinischen Gründen regelmäßig ärztliche Betreuung, schildert die Tochter. Und sie ist einfach dankbar, dass das alles letztlich doch noch geklappt hat.

Neben dem nun gelösten persönlichen Problem, sie selbst weiß aber auch von Fachärzten in der Umgebung zu berichten, die keine neuen Patienten aus dem Raum Hoyerswerda mehr aufnehmen, sieht die Tochter vor allem ein Problem für die Stadt Hoyerswerda und die ganze Region. Wenn man aktiv um Rückkehrer wirbt, ja vielleicht sogar wieder ein Wachstum an Einwohnern verzeichnen will, gar von Uni-Standort spricht – dann müsse das Problem mit der nicht ausreichenden Anzahl an Hausärzten entsprechend aktiv angegangen werden.