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Erst kleinstes Kino, jetzt große Kunst

Johannes Gerhardt – vom Chef des kleinsten Kinos der Welt zum Künstler, der in London und New York ausstellt.

Von Peter Redlich
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Johannes Gerhardt (links) und Schwarze-Seele-Wirt Holger Jowatzky bei der Vorbereitung der Ausstellung, die an diesem Wochenende eröffnet wird.
Johannes Gerhardt (links) und Schwarze-Seele-Wirt Holger Jowatzky bei der Vorbereitung der Ausstellung, die an diesem Wochenende eröffnet wird. © Norbert Millauer

Radebeul. Wer erinnert sich noch an Johannes Gerhardt? Mehr Erinnerung dürfte es zum kleinsten Kino der Welt in Radebeul geben. Neun Klappsitze im alten Bahnhofsgebäude an der Güterhofstraße in West. 2006 bis 2013 war Johannes Gerhardt Inhaber und Betreiber „Kleinstes Kino der Welt“ – so der Eintrag im Guinessbuch der Rekorde auf Lebenszeit. Drinnen im Kino gab es zuletzt Hunderte Wodka-Sorten zu probieren. Familienfeiern wurden dort abgehalten. Johannes Gerhardt war erfinderisch und produzierte nahezu im Monatstempo neue Ideen, um aufzufallen, selbst seine Freude zu haben und auch seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Manches davon glitt auch ab in Bereiche, die möglicherweise nicht mehr ganz sauber waren – etwa das Spenden einsammeln für Tiere und die Verwendung der Gelder. Mit Strohhut und Zigarre zeigte sich damals der 1,90-Meter-Hüne. Eine Situation vor Jahren, die ihn auch mit seiner in Radebeul bekannten Mutter Karin (Gerhardt) Baum entzweite.

Doch Johannes Gerhardt hat sein Leben mit Frau und zwei Kindern wieder in den Griff bekommen. In Coswig betreibt er ein Tattoo-Studio und kann auch davon leben. Doch Gerhardt wäre nicht Gerhardt, wenn ihm nicht immer wieder was einfallen würde. Zumal ihm mit dem Namen Gerhardt schon als Kind der Zugang zu Kunst aller Art nahe kam. „Meine Mutter hat mich oft mit in die Stadtgalerie genommen, mir erklärt, was wie entstanden ist.“

Konturenscharfe Porträts

Kein Wunder, dass er sich früh mit nahen Themen wie Fotografie und Malerei beschäftigte. Unter Titeln wie „Nacht der Spiele“ und „Fine Art“ hatte Gerhardt seine ersten Ausstellungen bereits 2001 in Dresden und Radebeul. Jetzt gibt etwas Neues von ihm zu sehen: In der Gaststätte „Schwarze Seele“ am Altkötzschenbrodaer Anger ist an diesem Samstagabend die Vernissage zur Ausstellung „Starke Frauen“.

Linolschnitte in Schwarz-Weiß, die in wenigen Schnitten viel Charakter zeigen. Johannes Gerhardt: „Es sind zumeist Frauen, die bei uns im Tattoo-Studio waren. Von den Frauen, teils in sehr schwierigen Lebenssituationen habe ich mitunter tiefe Einblicke in Schicksale bekommen. Eben, weil Tattoos oft mit bewegenden Erlebnissen zu tun haben.“

Aus diesen Eindrücken sind konturenscharfe Porträts entstanden, aus denen sich lesen lässt. Schwarze-Seele-Wirt Holger Jowatzky hat Gerhardt angesprochen, auch um in seiner Gastwirtschaft am Anger einen Punkt in Corona-Zeiten zu setzen. Dass dies bestens zu der am Wochenende stattfindenden Veranstaltung LebensArt in Radebeul-Altkötzschenbroda passt, ist noch ein zusätzlicher Effekt.

Eine der starken Frauen von Johannes Gerhardt
Eine der starken Frauen von Johannes Gerhardt © Johannes Gerhardt

Jowatzky hat sich zur Vernissage noch ein Schmäckerchen einfallen lassen – Justin Pötschke, sein Neffe, hat eine Radebeul-Oper komponiert. Die wird zur Eröffnung dezent über Boxen eingespielt. Und Musiker sollen auch selbst dabei sein.

Nicht zuletzt haben sich Mutter Karin (Gerhardt) Baum und Sohn Johannes wieder versöhnt. „Es gibt halt Höhen und Tiefen, Annäherung, Treffpunkte und Abstände in einer Mutter-Sohn-Beziehung“, sagt sie. Über diese Beziehung und die Kunst ihres Sohnes will die anerkannte Galeristin am Samstagabend auf humorvolle Art und Weise sprechen.

Und freilich kann jeder mit dem Künstler am Abend ins Gespräch kommen. Zum Beispiel darüber – was auch kaum jemand weiß, dass Johannes Gerhardt bereits in London und New York ausgestellt hat. Dort ist die Szene auf seine Miniaturmalereien in Öl aufmerksam geworden. In Londons bekanntestem Künstler-Pub in Green Lanes waren die detailgenauen Malereien – grafische Miniaturen – von maximal zwei bis drei Zentimetern Größe ausgestellt.

Ausstellungseröffnung ist diesen Sonnabend, 19 Uhr, in der „Schwarzen Seele“, bis zum Herbst sollen die Bilder zu sehen und auch zu kaufen sein.

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