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Darum haben Sachsens Kitas ein Teilzeit-Problem

Wegen des Fachkräftemangels in den Kitas sollen Erzieher ihre Arbeitszeit erhöhen, wünscht sich der zuständige Minister. Was sagen die Erzieher dazu?

Von Andrea Schawe
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Die Jahre bis zur Einschulung verbringen die meisten Kinder in einer Kita. Doch es fehlen immer mehr Erzieher, viele arbeiten zudem in Teilzeit. Ein Dilemma, das sich auch mit Geld kaum lösen lässt.
Die Jahre bis zur Einschulung verbringen die meisten Kinder in einer Kita. Doch es fehlen immer mehr Erzieher, viele arbeiten zudem in Teilzeit. Ein Dilemma, das sich auch mit Geld kaum lösen lässt. © imago

Sachsen fehlen Erzieher, allein in diesem Jahr müssten insgesamt 2 500 Fachkräfte in diesem Beruf eingestellt werden, um den Bedarf zu decken. Dazu kommt noch die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit, die Sachsen beschlossen hat. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) geht davon aus, dass der zusätzliche Bedarf sowohl durch Neueinstellungen als auch dadurch gedeckt werden kann, dass Angestellte ihre Arbeitszeit erhöhen. Denn fast 80 Prozent der Erzieher sind teilzeitbeschäftigt. Doch die Praxis sieht anders aus, sagt Sabine Strauß, Geschäftsführerin der Volkssolidarität Bautzen. Der freie Träger betreibt acht Kindertagesstätten in Bischofswerda, Großharthau, Neukirch, Polenz, Pulsnitz, Stolpen, Steinigtwolmsdorf und Bautzen.

Sabine Strauß, Geschäftsführerin Volkssolidarität Bautzen sagt: "Ich würde mich ja freuen, wenn mehr meiner Mitarbeiter Vollzeit arbeiten wollen würden. Wir sind mit unseren pädagogischen Fachkräften jeden Monat im Gespräch, um uns die Bereitschaft für Mehrstunden einzuholen. Die Mehrzahl lehnt es aber ab, die bestehenden Teilzeitverträge nach oben zu verändern. Neben gesundheitlichen Aspekten spielt auch die Work-Life-Balance für viele eine Rolle. Der Ausgleich zwischen Arbeit, Freizeit und Familie wird immer wichtiger. Diese Mitarbeiter lassen sich auch nicht mit mehr Geld locken. Und das sind auch nicht nur die jungen Frauen, denen die Teilzeit wegen der eigenen Kinder reicht."

Astrid Sturm, 45, Kita „Märchenland“ in Bischofswerda: "Ich arbeite 35 Stunden in der Woche. Wenn es nötig ist, gehe ich auch mehr Stunden. Das geht aber nicht immer. Ich schaffe es mit meinen zwei Kindern zeitlich nicht. Sie gehen in die 5. und 9. Klasse und haben zahlreiche Hobbys, zu denen sie gebracht werden müssen. Mein Mann arbeitet jeden Tag bis 20 Uhr. Ich müsste also ständig auf Großeltern zurückgreifen, das möchte ich nicht. Außerdem wohnen wir auf dem Dorf. Die Busverbindung ist schlecht. Die Kinder sind auf mein Auto angewiesen."

Katrin Voigt, 36, Kita „Querx Valentin“, Neukirch: "Ich habe einen 35-Stunden-Vertrag und möchte ungern mehr arbeiten. Die Anforderungen an unseren Beruf als Erzieherin in der Kinderkrippe sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Kinder werden heterogener, schwieriger. Auch die Arbeit mit den Eltern wird immer komplexer. Der Stressfaktor ist merklich gestiegen, die Belastungsgrenze erreicht. Dazu kommt, dass ich jeden Tag von Dresden nach Neukirch pendle."

Beate Imhof, 59, Kita „Zwergenland“ in Steinigtwolmsdorf: "Ich gehe 40 Wochenstunden arbeiten und will das auch noch so lange machen, wie es geht. Ich arbeite gern in meinem Beruf. Unsere Einrichtung ist groß, wir betreuen etwa 260 Kinder in Krippe, Kindergarten und Hort. Da können wir jeden gebrauchen. Ich bin kurz vor der Rente und hatte überlegt, ob ich eher aufhöre zu arbeiten. Aber beim Blick auf den Rentenbescheid war ich sehr erschrocken. Das kann ich mir nicht leisten. Mit dem Geld könnte ich nicht mal einen Pflegeplatz bezahlen. Über viele Jahre war ich im Hort mit reduzierten Stunden beschäftigt, ohne dass ich das wollte. Ich würde allen jungen Kolleginnen raten, Vollzeit zu arbeiten, wenn es möglich ist."

Pauline Gräßler, 23, Kita „Querx Valentin“, Neukirch: "Aktuell arbeite ich den zweiten Monat 40 Stunden in der Woche, vorher waren es erst 35, dann 38 Stunden. Ich bin froh darüber, dass ich Vollzeit arbeiten kann. Ich habe noch keine Verpflichtungen und muss nicht 15 Uhr wieder zu Hause sein. Wenn ich ein Kind hätte, das in Dresden eine Kita besucht, wäre Vollzeit aber schwierig – schon allein wegen der Fahrtzeit."

Kristin Brückner, 39, Kita „Querx Valentin“ in Neukirch: "Mein Mann ist Pendler und oft auf Montage. Er geht 6.15 Uhr aus dem Haus und ist oft nicht vor 18 Uhr wieder da. Wir haben zehnjährige Zwillinge, die in die fünfte Klasse gehen. Da bleibt viel Organisation an mir hängen. Arzttermine kann ich zum Beispiel nur nachmittags vereinbaren. Deswegen würde es nicht funktionieren, wenn ich mehr als 35 Stunden in der Woche arbeite. Nach den Wochen, in denen ich länger arbeite, bin ich urlaubsreif. Vollzeit ist erst möglich, wenn die Kinder älter und selbstständiger sind.“

Diana Szemendera, 28, Kita „Zwergenland“ in Steinigtwolmsdorf: "Ich arbeite seit sechs Jahren in Vollzeit. Ich mache das gern, auch wenn es manchmal sehr anstrengend ist. Ich habe noch keine Kinder. Ich will aber versuchen, das auch mit Kind beizubehalten. Das hat vor allem finanzielle Gründe. Mein Mann ist nicht der Vielverdiener. Wir bauen gerade ein Haus, das muss bezahlt werden. Wenn ich auf 30 Stunden runtergehen müsste, wäre das finanziell schwierig.“