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Macht Corona dick?

Nur, wenn man nichts dagegen unternimmt. Ein Nieskyer setzt auf das Laufen, Fitnessstudios auf Bewegung vor dem Bildschirm.

Von Steffen Gerhardt
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Torsten Händler und Tochter Tamina sind beide Mitglied im LSV Niesky. Da das Training im Verein ruht, sind die beiden Nieskyer selbst aktiv und laufen zwei- bis dreimal die Woche ihre Runden, wie hier an den Kiesgruben.
Torsten Händler und Tochter Tamina sind beide Mitglied im LSV Niesky. Da das Training im Verein ruht, sind die beiden Nieskyer selbst aktiv und laufen zwei- bis dreimal die Woche ihre Runden, wie hier an den Kiesgruben. © André Schulze

Seine Laufschuhe stehen stets griffbereit im Schuhregal. "Das Laufen gehört bei mir dazu", sagt Torsten Händler. Auch wenn seine Tätigkeit als Holzgestalter ihn bereits tagsüber in Bewegung hält, setzt der 39-Jährige auf seinen Ausgleichssport. Zwei oder dreimal die Woche. Der Nieskyer kann zwar weiterhin seinem Beruf nachgehen, aber nicht seinem Sport so wie bisher.  

Seit acht Jahren ist Torsten Händler Mitglied im Leichtathletik Sportverein Niesky (LSV). Im vergangenen Jahr wurde er in den Vorstand gewählt. "Zwei Nachmittage gehörten bisher dem LSV: am Montag als Übungsleiter bei den Kindern und am Mittwoch selbst als Aktiver", erzählt er. 

Kein Vereinssport mehr

Aber trainieren im Sportverein ist seit sieben Wochen nicht mehr möglich. Auch die Sportstätten bleiben geschlossen. "Deshalb habe ich mein Laufen ausgeweitet und bin jetzt die Woche zwei-, dreimal unterwegs, um meine Kondition beizubehalten", erzählt der Familienvater. Oft begleitet ihn dabei zu Fuß oder mit dem Fahrrad seine neunjährige Tochter. Sie treibt ebenfalls Sport im LSV und ist sehr erfolgreich bei Wettkämpfen dabei. "Gewichtszunahme in der Corona-Zeit ist daher für uns beide kein Thema", betont der Leichtathlet. 

Damit gehören Vater und Tochter nicht zu den 38 Prozent der Erwachsenen in Deutschland, die sich seit Covid-19 weniger bewegen. Letzteres ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, die zu Ostern veröffentlicht wurde.  Laut YouGov haben 19 Prozent der Befragten infolge ihrer veränderten Gewohnheiten an Gewicht zugelegt.  Nur zwölf Prozent der Teilnehmer sind mehr in Bewegung als zuvor, acht Prozent haben wegen der Corona-Maßnahmen abgenommen. Dass die Bevölkerung im Landkreis durch Corona mehr Hüftspeck ansetzt, bestätigt das Gesundheitsamt nicht. "Vermehrte Anfragen zu Übergewicht in Verbindung mit der gegenwärtigen Lage sind nicht zu verzeichnen", lässt das Amt mitteilen.

Sich anders ernähren

Anderer Meinung ist Natalia Kühn. Sie ist seit sechs Jahren selbstständige Ernährungsberaterin und hat eine Praxis in Weißwasser. "Die Menschen klagen über ihre Gewichtszunahme." Dabei nimmt sie Bezug auf ihren Bekanntenkreis, denn Leute persönlich beraten darf sie derzeit nicht. "Es ist nicht nur die Bewegung, die den Menschen fehlt. Auch Depressionen führen zu einer Gewichtszunahme", sagt die ausgebildete Diätassistentin. Depressionen können sich ganz schnell einstellen, wenn die Arbeit verloren geht, die Menschen in Isolation leben und nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Hinzu kommt meist eine mehr oder weniger ausgeprägte "Fresssucht". 

Der oder die Betreffende sollten in so einem Fall die Ernährung umstellen. "Mehr Ballaststoffe zu sich nehmen mit Schwarzbrot, Obst und Gemüse, gekochten Kartoffeln oder Reis und beim Grillen zurückhaltend sein", rät Natalia Kühn. Sie kennt aber noch einen anderen Grund für das "Hüftgold": Langeweile. "Wer nur vor dem Fernseher oder am Computer sitzt, greift öfters zur Schokolade oder in die Chipstüte." Das regt zwar die Glückshormone im Menschen an, auf Dauer rächt sich das aber mit zu engen Hosen.  

Fitnessvideo für zu Hause

Um dem vorzubeugen, sollten Betroffene  den Computer nicht nur für Filme und Spiele einschalten, sondern auch, um in Bewegung zu bleiben oder wieder zu kommen. Auf der Internetseite des Fitnessclub Niesky gibt es einige Videos zum Anschauen und Nachmachen, die nicht nur die Bewegung fördern, sondern auch eine gesunde Ernährung – und die zur Entspannung anregen. Das kommt an, zumal die Nutzer ihre bekannten Fitness-Coaches jetzt zu Hause auf dem Bildschirm sehen. 

Eine Praxis, die auch im Görlitzer Fitnessstudio "Top Fit" Einzug gehalten hat. Leiterin Ina Gloge sagt: "Wir haben ebenso das Problem, dass unseren Mitgliedern ihr Fitnessstudio fehlt. Zum einen wegen der sportlichen Möglichkeiten, aber auch als Treffpunkt für Gespräche, wofür gern die Sauna genutzt wird." Die Kursleiter stehen wie in Niesky statt vor ihren Teilnehmern vor einer Videokamera. Mit dem Unterschied, dass die Videos bei "Top Fit" direkt an interessierte Mitglieder gehen und nicht auf der Internetseite des Studios veröffentlicht werden.  

Selbst für Bewegung sorgen

Der Görlitzer Hausarzt Dr. Leonhard Großmann kann den Trend zum dicker werden nicht bestätigen. "Dass meine Patienten durch Corona an Gewicht zugenommen haben, habe  ich bisher nicht festgestellt", sagt er. Dennoch schließt er das nicht aus. Zum Beispiel bei Leuten, die sich selbst reglementieren und lieber in der Wohnung oder im Haus bleiben, um nicht angesteckt zu werden. Aber auch bei denen, die nur einer Sportart nachgehen und das nicht mehr können, weil die Turnhalle geschlossen, der Verein das Training eingestellt hat. Aber da bleibt immer noch die Natur, die Raum für individuelle Bewegung gibt. Das empfiehlt nicht nur Dr. Großmann. Der Nieskyer Torsten Händler ist überzeugt:  Im Grunde liegt es zuerst am inneren Schweinehund. Der ist zu überwinden. Dann findet jeder genügend Möglichkeiten, um in Bewegung zu bleiben.  

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