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Seltene Vögel von der Mafia

Ein 65-jähriger gebürtiger Freitaler soll streng geschützte Vögel gefangen und verkauft haben. Vor Gericht erzählt er Geschichten.

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Mit Tieren wie Eisvögeln soll ein Freitaler verbotenerweise gehandelt haben.
Mit Tieren wie Eisvögeln soll ein Freitaler verbotenerweise gehandelt haben. © dpa-Zentralbild

Eine geheim gedrehte Reportage des Magazins Spiegel brachte den Stein ins Rollen. Darin wird gezeigt, wie der gebürtige Freitaler Wolfgang W. an Redakteur Felix Kasten zwei Raubwürger verkauft. Die Staatsanwaltschaft veranlasste eine Hausdurchsuchung. Dabei fanden sich nicht nur 60 seltene Vögel wie Spechte, Eisvögel, Rotkopfwürger, Wiedehopfe, Blauschnepper oder Lasurmeisen, sondern auch verschlossene und unverschlossene Ringe und Fangutensilien wie Netze und Fallen.

Vor dem Amtsgericht Dippoldiswalde versucht der 65-jährige Angeklagte, seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu zu ziehen. Die Ringe will er nur gehabt haben, weil er einfach nichts wegschmeißen könne und die Fangutensilien seien dafür da, die Vögel aus seinen Volieren zu holen.

38 Vögel nahm die Behörde mit und übergab deren Blutproben einem Biologen zur Kontrolle. Es ist in Deutschland nämlich durchaus erlaubt, geschützte Arten zu halten und zu züchten. Das muss aber streng kontrolliert und nachweisbar erfolgen. So muss unter anderem jeder Züchter ein Zuchtbuch führen. Hier wird genau aufgelistet, welche Elterntiere welche Jungen bekommen haben.

Der Experte stellte nun zwischen den ausgewiesenen Eltern- und Jungtieren keine engen Verwandtschaftsverhältnisse fest. Wolfgang W. schob das darauf, dass er einfach kein Mensch des Schreibens sei und seine Zuchtbücher eben nicht besonders genau geführt habe. Er sei auch überfordert gewesen, denn er habe viel zu viele Vögel besessen, habe einige getauscht und dann nicht kontrolliert, ob er die richtigen wieder bekommen hätte.

Ganz klar, er habe Fehler gemacht, aber er wehre sich dagegen, dass er Vögel gefangen haben soll. Und außerdem betonte er gegenüber der Richterin: „Wollen Sie die ehrliche Wahrheit von mir wirklich wissen? Alle Vogelzüchter haben mindestens einen Vogel ohne Papiere.“

„Frisches Blut“ - also wilde Vögel - seien für einen Züchter wichtig. Diese legal zu bekommen, sei mit hohem Behördenaufwand verbunden. Sich aus den Nestern zu bedienen, sei damit für viele Vogelzüchter ein einfacher, wenn auch strafbarer Weg, so ein Beobachter der Szene.

Seine Vögel will der Angeklagte von der „Mafia“ angekauft haben. Auf einem Parkplatz sollen die Geschäfte mit einem Tschechen und einem Polen stattgefunden haben. Im Kofferraum hätte er zum Beispiel einmal 20 Transportkisten mit 20 Schwanzmeisen gesehen. Da wollte Wolfgang W. lieber nicht die Polizei holen, aus Angst, dass diese Leute später vor seiner Tür stehen und ihm schlimme Sachen antun würden.

Die Vögel wären seine Freude und jeder solle doch im Leben Freude haben, sagte er. Verkauft habe er Vögel nur, um für die anderen Futter besorgen zu können. Warum er dann aber wieder neue Vögel ankaufte, konnte er der Richterin nicht glaubhaft erklären. Auch dass er Vögel im Internet zum Verkauf angeboten habe, das aber nicht unter seinem Klarnamen, sondern mit dem Pseudonym Christoph R., sei leicht erklärbar. Er selbst besitze keinen Internetzugang, und ein alter Schulfreund hätte das für ihn erledigt.

Später, als ihm die Naturschutzbehörde eine große Anzahl Vögel weggenommen habe, sei er nachlässig geworden und habe auch die Türen zu seinen Volieren nicht mehr gut genug verschlossen. So sei es kurz nach der Durchsuchung dazu gekommen, dass alle Vögel durch offene Schleusen wegfliegen konnten. Auf Nachfrage bestätigte der Angeklagte allerdings auch, dass er auf dem Amt – wahrscheinlich aus Wut – angedroht hatte, alle Vögel freizulassen.

Je seltener eine Vogelart, umso mehr Geld kann man für einen solchen Vogel bekommen. Einen Raubwürger zum Beispiel konnte W. für mindestens 500 Euro verkaufen, so viel hat er jedenfalls vom Spiegelredakteur bekommen. Selbst tote Vögel, wie zum Beispiel Eisvögel, die sich Liebhaber zulegen, um sie ausstopfen zu lassen, konnte W. noch für 50 Euro verkaufen. Ein lukratives Geschäft.

„Das ist wie Briefmarkensammeln. Jeder will den anderen übertrumpfen und besonders seltene Exemplare in seiner Sammlung haben“, sagt David Greve, Geschäftsführer vom BUND Sachsen. Aber gerade für sehr seltene Arten bedeute die sogenannte illegale Entnahme aus der Natur eine ernstzunehmende Gefahr. Durch den Raub von Eiern werde eine ganze Generation unterbrochen und der Bestand dezimiert sich weiter.

Im Erzgebirge gibt es eine lange Tradition von Vogelzüchtern. Lange war es gang und gäbe, sich auch aus der Natur zu bedienen. Bis vor einigen Jahren hat das der Staat nicht besonders hoch geahndet. Erst 2010 wurde das Bundesnaturschutzgesetz verschärft. Wolfgang W. könnte nun sogar eine Freiheitsstrafe drohen. 

Der Prozess wird fortgesetzt.                                                                                                   (Anne Schicht)