SZ + Großenhain
Merken

Friedensfahrt rollt durch Großenhain

Vor 30 Jahren, am 16. Mai 1989, führte die achte Etappe der Tour von Mahlow nach Dresden. Willy Martan (93) war dabei.

Von Kathrin Krüger
 3 Min.
Teilen
Folgen
An der Ortlebbrücke warteten zahlreiche Großenhainer, um die sekundenschnell vorbeifahrenden Friedensfahrer zu sehen und ihnen zuzujubeln.
An der Ortlebbrücke warteten zahlreiche Großenhainer, um die sekundenschnell vorbeifahrenden Friedensfahrer zu sehen und ihnen zuzujubeln. © Willy Martan

Großenhain. Sie standen auf der Ortlebbrücke am Schützenhaus – und warteten mit großer Spannung. Gleich würden sie kommen, die Radfahrer der internationalen Friedensfahrt. Jeder in der DDR kannte diese alljährliche Tour durch die Ostblockstaaten im Mai.

Dicht gedrängt warteten die Menschen deshalb auch am 16. Mai – einem Dienstag – an der Ortlebbrücke. Hier sollte ein Prämiensieg per Spurt ermittelt werden. Diese Ehre holte sich der US-Amerikaner Christopher Petty. Nur wenige Meter danach wurde um die weiteren Plätze gekämpft. Das Rad vorn hatte dabei Jamsran Ulsi-Orshich aus der Mongolischen Volksrepublik vor Jacky Duran aus Frankreich.

Großenhainer Radsportler von der BSG Fortschritt fuhren damals sogar außerhalb der Wertung mit. Willy Martan hat das Geschehen für die SZ im Foto festgehalten. So richtig erinnern kann sich der 93-Jährige nicht mehr. Aber eines hat sich ihm wohl – und nicht nur ihm – ins Gedächtnis gebrannt. Während die Massen an der Dresdner Straße standen, sollen ein paar Mädchen nach dem Baden splitternackt aus der Seeanlage gestiegen sein.

Uwe Ampler gewinnt die Tour

Es war damals die 42. Internationale Friedensfahrt, die vom 8. bis 20. Mai viele Sportinteressierte in ihren Bann zog. Sie bestand aus zwölf Einzeletappen und führte auf einer Gesamtlänge von 1927 km von Warschau über Berlin nach Prag. Die achte Etappe, bei der das Peloton durch Großenhain preschte, führte von Mahlow im Fläming nach Dresden. DDR-Radrennfahrer Uwe Raab gewann nach diesen 197 Kilometern die Etappe. Sieger der gesamten Friedensfahrt und auch der Bergwertung wurde Uwe Ampler. Immerhin 106 Fahrer aus 18 Staaten radelten durch Großenhain. Sie kamen auch aus China, Kuba oder Syrien.

Am 5. Mai 1953 war die 6. Friedensfahrt schon einmal auf der umgekehrten Strecke Prag-Berlin-Warschau durch den Kreis Großenhain gekommen. Tausende jubelten auch da den Fahrern zu. Die beiden deutschen Fahrer „Lotte“ Meister und Gustav Adolf Schur trafen mit zwei Minuten Vorsprung in Großenhain ein. Am Ende dieser Etappe in Chemnitz belegten sie Platz zwei und sechs.

1989 sollte die letzte Friedensfahrt vor der Wende werden. Die 43. Tour 1990 sah schon ganz anders aus. Fahrer wie Ludwig, Raab, Kummer und Ampler haben gut dotierte Profiverträge unterschrieben und stehen nicht mehr zur Verfügung. 1990 tritt zum letzten Mal eine Nationalmannschaft der DDR an.

Es blieb allerdings nicht die letzte Episode des Profiradsports für Großenhain. Im Jahr 2000 kommt die 53. Friedensfahrt mit ihrer fünften Etappe erneut durch Großenhain. Eine halbe Stunde lang ist die Stadt dicht. Ab 12.40 Uhr geht nichts mehr am Radeburger Platz. Frei bekommen hat da kaum noch einer, und so säumen zumeist Rentner und Kinder die Strecke zwischen Kleinraschütz und Folbern. 

Blickte man die Berliner Straße hinunter, stellt sich unwillkürlich die Frage: Was passiert eigentlich, wenn an einem der beiden Bahnübergänge ein Zug kommt? Das Peloton hätte warten müssen. Kurz vor eins dröhnt der Tour-Hubschrauber über der Marienkirche, die Werbe-Kisten der Sponsoren hupen sich durch die Innenstadt. Fünf Minuten später kommen sie durch die Kurve an der Feuerwehr gebraust: 130 Fahrer in einem Feld.