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Hanna gehört dazu

Die elfjährige Hanna hat das Down Syndrom. Doch muss sie deshalb auf eine Förderschule? In der Freien Mittelschule Weißenberg ging es jetzt um die Hürden der Inklusion.

Von Kerstin Fiedler
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Katrin Henke und ihre Tochter Hanna fühlen sich aufgehoben in der Freien Mittelschule Weißenberg. Hier lernt die Elfjährige, die das Down Syndrom hat, in der fünften Klasse. Um aufzuklären, hat Katrin Henke 60 Poster mit Bildern von Hanna verteilt.
Katrin Henke und ihre Tochter Hanna fühlen sich aufgehoben in der Freien Mittelschule Weißenberg. Hier lernt die Elfjährige, die das Down Syndrom hat, in der fünften Klasse. Um aufzuklären, hat Katrin Henke 60 Poster mit Bildern von Hanna verteilt. © SZ/Uwe Soeder

Weißenberg/Kollm. Hanna geht in die fünfte Klasse der Freien Mittelschule Weißenberg. Das hat sie ihrer Mutter Katrin Henke und dem Engagement der Lehrer dieser Schule zu verdanken. Denn Hanna hat Trisomie 21, eine Krankheit, die eher als Down Syndrom bekannt ist. Doch Katrin Henke sagt: Hanna ist ein ganz normales Kind. 

Warum soll sie nicht auf eine normale Schule gehen? Die Hürden, die dabei zu nehmen sind, haben jetzt auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an die Schule geführt. Er wollte wissen, wo die Probleme liegen und was verändert werden muss.

Hanna wohnt mit ihrer Familie in Kollm, einem kleinen Ort im Kreis Görlitz. Sie hat noch zwei Brüder und eine Schwester. „Unsere Hanna lernt viel von ihren Geschwistern, denn jedes kann ihr etwas anderes beibringen“, sagt Katrin Henke. Die ersten fünf Jahre war Hanna zu Hause. Sie hatte Frühförderung, Physiotherapie und Logopädie. „Ich bildete mich je nach Bedarf weiter und konnte durch den Rückhalt meines Mannes ganz für Hanna da sein“, sagt Katrin Henke. 

Nach einem halben Jahr im heilpädagogischen Kindergarten war für die Familie klar: Hanna soll eine ganz normale Grundschule besuchen. Die Gesetze lassen das zu. Und seit einiger Zeit ist das Wort Inklusion ja in aller Munde, sodass Katrin Henke nicht dachte, dass es so schwierig sein würde. 

Das Recht eingeklagt

Erst zehn Wochen nach Schulbeginn konnte Hanna die Grundschule See besuchen. Die Eltern hatten sich ihr Recht eingeklagt. Zwischendurch waren sie gezwungen, ihr Kind in der Förderschule Görlitz anzumelden. Da Hanna aber krank war, unterrichtete die Mutter ihre Tochter zu Hause. Und sie war überzeugt, dass es das Richtige für Hanna ist. „Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch“, sagt Katrin Henke. Für sie ist ein Glas immer halb voll. Und ihr Glaube hilft ihr auch über schwere Situationen hinweg. 

Zum Beispiel, wenn sie mal wieder auf den Ämtern unterwegs war. Denn dort hatte die engagierte Mutter nicht nur einmal das Gefühl, dass die Mitarbeiter gar nicht wissen, was sie alles möglich machen könnten. „Allein die Diagnostik-Mühle war ein Horror. Alles ging in Richtung Förderschule. Ich hatte den Eindruck, dass niemand eingetretene Pfade verlassen wollte“, berichtet Katrin Henke. Obwohl sie immer wieder betont, dass es die Mitarbeiter auch gut gemeint hätten. „Manchmal fehlt es einfach an Empathie“, sagt die 52-Jährige. „Doch als Mutter kann ich das nicht verstehen. Ich sehe doch, was mein Kind braucht. Also habe ich an Türen geklopft, die mir nicht so gern geöffnet wurden. Ich habe mich selbst gekümmert.“ 

Zum Beispiel um die Fahrten von Kollm nach Weißenberg. Im Amt hieß es, da müsse man ja eine neue Taxi-Strecke aufmachen. Ja, das ist so, aber ist das Amt nicht Dienstleister? „Ich möchte, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam das Beste für das Kind erreichen“, so Katrin Henke.

Staatliche Schulen habe Aufnahme abgelehnt

In der Freien Mittelschule Weißenberg fühlen sich Hanna und ihre Mutter gut aufgehoben. Alle staatlichen Schulen, in die sie rund um Kollm gefahren ist, haben es abgelehnt, Hanna aufzunehmen. „In Weißenberg fühlte ich mich von Anfang an wohl“, sagt Katrin Henke. Zum Glück konnte Hanna ihre Schulbegleiterin Sabine Richter mitnehmen. Sie ist die beste Freundin von Katrin Henke, hat selbst fünf Kinder. Und auch Schulleiterin Manuela Ertel ist froh. „Wir sehen Hanna als Chance, als Bereicherung“, sagt sie. 

Klar mussten sich die Lehrer umstellen, auf die Schulbegleiterin eingehen, wenn Hanna extra Aufgaben bekommt. Vom geistigen Wissensstand liegt Hanna in Mathe und Deutsch auf dem Niveau einer Zweitklässlerin. Doch das ist für die Weißenberger Schule kein Problem. „Alle lieben Hanna, denn wir wissen nie, wie sie im nächsten Moment reagiert“, schmunzelt Manuela Ertel. Und so hat auch die Schulleiterin die Erfahrung gemacht, dass Inklusion zwar im Gesetz steht, aber die benötigte Hilfe nicht an der freien Schule ankommt. „Das Dazwischen fehlt“, sagt Manuela Ertel. Als freie Schule haben sie immer noch das Gefühl, dass sie in den Ämtern als Konkurrenz zu den staatlichen Schulen angesehen werden.

Freie Schule sind eine Chance

Michael Kretschmer hat sehr aufmerksam zugehört. Den einen oder anderen Hinweis hat er seinem persönlichen Referenten gegeben. „Wir müssen endlich dazu kommen, freie Schulen als Chance zu sehen. Sie machen eine tolle Arbeit“, sagt der Ministerpräsident. Und er will, dass neben der finanziellen Gleichstellung und der Hilfe vom Digitalpakt auch über das Thema Inklusion in den Ämtern aufgeklärt wird. Die Weißenberger gaben ihm noch weitere Themen mit auf den Weg, so die Schulsozialarbeit oder den Schülerverkehr über Kreisgrenzen hinweg. „Mein Referent meldet sich bei Ihnen“, verspricht Kretschmer.

Weitere Informationen zum Down Syndrom und Hanna:

https://trisomie21.net