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Job-Center lässt Mutter im Regen stehen

Emilia Huesmann aus Seifhennersdorf tut alles, um mit ihrer kleinen Familie aus Hartz IV rauszukommen. Ausgerechnet das Amt torpediert das.

Von Markus van Appeldorn
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Emilia Huesmann mit ihrem Sohn Ben.
Emilia Huesmann mit ihrem Sohn Ben. © Markus van Appeldorn

Ein dauerhaftes Leben in der "sozialen Hängematte", das will sich Emilia Huesmann nicht einrichten. Die 20-jährige Schülerin und ihr Freund Pascal (22) haben ganz konkrete Pläne, wie sie mit ihrem gemeinsamen Sohn Ben (3) ein selbstbestimmtes Leben führen können. Aber in ihrer aktuellen finanziellen Notsituation braucht die kleine Familie für kurze Zeit eine Art Starthilfe. Doch wie es scheint, hat der Sozialstaat für Fälle wie den ihren keine gerechte und praktikable Lösung.

"Wer etwas schaffen will, muss etwas leisten", sagt Emilia Huesmann selbstbewusst. Vor ein paar Jahren mal, da hatte die junge Seifhennersdorferin das Ziel, Abitur zu machen und nach einem Studium Gerichtsmedizinerin zu werden. "Ich habe mich immer schon für Kriminologie interessiert", sagt sie. Diese akademische Laufbahn wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein Traum bleiben - das ist Emilia bewusst. Eine realistische Berufs-Vorstellung hat sie dennoch: "Ich will Bestatterin werden", sagt sie. Doch wie die junge Mutter und ihr Partner etwas schaffen und leisten wollen - das ist für die geltende Sozial-Gesetzgebung ein echtes Problem in einem Wald von Paragraphen.

Top-Noten - aber keine Ausbildungschance

Emilia Huesmann hat in ihren jungen Jahren schon eine leicht gebrochene Biographie. Zunächst besuchte sie die Oberschule in Oderwitz. "Da bin ich schlimm gemobbt worden", erzählt sie. Sie wechselte ans Berufsschulzentrum nach Zittau. Immerhin, dort gelang ihr der qualifizierte Hauptschulabschluss - die Voraussetzung, um auch die 10. Klasse absolvieren zu können. "Ich habe alle Prüfungen mit einer Eins bestanden, da hatte ich schon eine Riesenkugel", erinnert sie sich an die damals letzten Tage ihrer Schwangerschaft mit Sohn Ben.

Doch wegen des Nachwuchses trat sie dann keine Lehre an. Alsbald zog sie mit Pascal, dem Vater von Ben, in eine gemeinsame Wohnung in der Oberland-Siedlung in Ebersbach-Neugersdorf. "Pascal hat eine Lehrstelle als Fachkraft für Lagerlogistik begonnen", erzählt Emilia. Und mit Pascals Ausbildungslohn, dem ihm ebenso noch zustehenden Kindergeld und einer kleinen Hartz-IV-Spritze kam die kleine Familie auch über die Runden. Aber ein Leben abhängig von der "Stütze" - das wollen beide nicht.

Wer sich selbst helfen will, wird bestraft

Das Problem begann genau in dem Moment, als Emilia Huesmann wieder langsam dafür sorgen wollte, mittelfristig auch etwas zum Familieneinkommen beizutragen. "Wenn ich Bestatterin werden will, muss ich den Realschulabschluss nachholen", sagt sie. Und das macht sie gerade an einer Abendschule in Bautzen. "Jeden Tag habe ich von 15.30 bis 21 Uhr Unterricht", erzählt sie. Dafür jeden Tag mit Bus und Bahn zwischen Ebersbach und Bautzen hin- und herpendeln - keine Lösung. "Dann wäre ich immer erst um Mitternacht daheim. Und um sechs Uhr morgens muss ich wegen Ben wieder raus. Außerdem ist Pascal und mir das auch zu unsicher", erzählt sie.

Also mietete sie sich eine Wohnung in Bautzen an. Weil klar ist, dass Pascal zum Ende des Jahres nach Abschluss seiner Lehre und der Führerscheinprüfung nachkommen  wird, schaute sie sich gleich nach einer genügend großen Wohnung um. Und das Jobcenter Bautzen bestätigte ihr im Februar auch, dass diese Wohnung bezüglich der Größe und Mietkosten von 440 Euro kalt den Angemessenheitskriterien entspricht. Anfang Juli zog sie mit Ben dort ein. Freund Pascal wohnt noch in der Wohnung in Ebersbach.

Die seltsame Logik des Jobcenters

Außerdem stellte sie im April beim Jobcenter einen Antrag auf Grundsicherung (Hartz IV). Der Schock kam am 2. Juli mit dem Bewilligungsbescheid. Das Jobcenter Bautzen gewährt Emilia und dem kleinen Ben als "Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft" monatlich 214,81 Euro für die "Kosten der Unterkunft und Verpflegung". Und weiter? Nichts! "Das ist ja nicht einmal die Hälfte der Miete. Und wir haben ja auch Lebenshaltungskosten", sagt Emilia Huesmann, die gerade nicht weiß, wovon sie sich und Ben überhaupt ernähren soll. 

Das Jobcenter lässt sie zur Höhe der Zahlung wissen, dass ihr Freund Pascal durch die Partnerschaft zwar zur "Bedarfsgemeinschaft" gehöre und daher sein Einkommen anzurechnen sei. Andererseits aber sei er wegen seines Wohnortes in Ebersbach-Neugersdorf "vom Leistungsanspruch im Landkreis Bautzen ausgeschlossen". Emilia und ihrem Freund Pascal liegt es fern, sich aus Jux und Tollerei den Luxus zweier Wohnungen zu leisten.

Die junge Frau kann den Bescheid nicht fassen: "Pascal muss ja auch die Miete in Ebersbach zahlen. Wie soll das alles funktionieren?" Wenigstens ihr Bautzner Vermieter habe freundlich reagiert und die Miete freiwillig für ein paar Monate gestundet. "Aber irgendwann muss ich das natürlich zurückzahlen", sagt sie. Emilia Huesmann fühlt sich vom Jobcenter auch getäuscht. "Meine Sachbearbeiterin hat mir im Gespräch zugesichert, dass es mit der Wohnungsmiete kein Problem sei, wenn der Partner innerhalb eines halben Jahres nachzieht", sagt sie.

Ein Hilfsangebot, das keines war

Als regelrechten Hohn empfindet Emilia Huesmann einen anderen Vorschlag des Jobcenters. "Die Sachbearbeiterin hat mir angeboten, ich solle einen Kredit beim Jobcenter beantragen", erzählt sie. Das hat sie dann auch gemacht - über 1.100 Euro, um wenigstens bis zum Jahresende irgendwie klar zu kommen. Eine Mühe, die sie sich hätte sparen können. Denn am 20. Juli teilte ihr das Jobcenter per Bescheid mit: Antrag abgelehnt. SZ liegen der Leistungsbescheid und der Ablehnungsbescheid zum Kredit vor.

Emilia Huesmann hat dem Bewilligungsbescheid des Jobcenters widersprochen und die Hilfe einer Anwältin gesucht. Womöglich wird sie klagen müssen - auch wenn das dauert. Emilia aber will und wird nicht abwarten, bis sie Gerechtigkeit von der Behörde erfährt. Sie will einfach raus aus diesem Hartz IV. "Wenn im August das neue Schuljahr beginnt, habe ich gute Chancen, Bafög zu bekommen. Und dann brauche ich dieses Jobcenter hoffentlich nicht mehr."

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