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Hier kann man dem Bäcker auf die Finger schauen

Kahres gläserne Backstube in Kamenz ist seit zehn Jahren beliebt. Trotzdem ist der Meister manchmal genervt – aber nicht von seinen Kunden.

Von Ina Förster
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Bianka und Lutz Kahre führen ihre beliebte Schaubäckerei an der Kamenzer Oststraße seit genau zehn Jahren. Grund, um Danke zu sagen – an die treue Kundschaft, an Mutmacher und Wegbegleiter, Geschäftspartner und die Familie.
Bianka und Lutz Kahre führen ihre beliebte Schaubäckerei an der Kamenzer Oststraße seit genau zehn Jahren. Grund, um Danke zu sagen – an die treue Kundschaft, an Mutmacher und Wegbegleiter, Geschäftspartner und die Familie. © 2017 [email protected]

Kamenz. Kindergartengruppen, Schulklassen, ab und zu ein Kindergeburtstag oder ein privates Brotback-Seminar – Familie Kahre hat neben dem Alltagsgeschäft in der Bäckerei an der Kamenzer Oststraße einiges zu tun. Und das mittlerweile seit genau zehn Jahren. „Wir sind am 18. Januar 2010 mit dem besonderen Konzept an den Start gegangen und es hat sich bis heute bewährt“, freut sich Bäckermeister Lutz Kahre. Neben kreativen Torten und Kuchen, Hutbergspitzen und Lessingtörtchen, ist die Bäckerei aber trotzdem gerade für das ganz Bodenständige berühmt: Ihre Brötchen! „Ein Kunde brachte es kürzlich auf den Punkt: Von Null zur besten Semmel von Kamenz“, freut sich der Chef.

Lob, das beflügelt. Und ihm zeigt, dass er vieles richtig macht. Diesen Sonntag wird man ein bisschen zurückerinnern an diese Anfangszeit vor zehn Jahren. Vormittags mit Geschäftspartnern und Freunden beim kleinen Empfang. Nachmittags zur gewohnten Öffnungszeit im Café. „Wir wollen danke sagen für die tolle Zusammenarbeit, für Treue und Wegbegleiter, die uns immer wieder Mut gemacht haben“, sagt der Chef. Wer wird heutzutage denn schon noch Bäcker? Nicht mehr viele. Die Branche boomt kaum. Auch Mitarbeiter sind Mangelware. Das zeitige Aufstehen und die Arbeit am Sonntag schreckt viele ab.

Umso mehr freuen sich Kahres, dass ihr Team mittlerweile auf sechs Leute gewachsen ist. Bianka Kahre ist die gute Seele hinterm Verkaufstresen und im Café. Bereits bei Vorgänger Hubertus Scholze war sie hier beschäftigt. Sie verrichtet heute den Dienst am Kunden immer noch mit gleichbleibender Freundlichkeit, Ruhe und Einfühlungsvermögen. Die 50-Jährige hat den Laden prima im Griff. Gemeinsam mit ihrem Mann sind sie ein gutes Team. Hinter der Glasscheibe werkelt ihr Lutz. „Die Kunden fragen sofort, wo er denn sei, wenn er nur mal kurz in den Keller gestiegen ist“, schmunzelt sie. Das Bild vom arbeitenden Bäcker ist Kult. Die Menschen mögen das. Sie winken ihm zu, schwatzen mit ihm.

Stressfaktor Bonpflicht

Im Laufe der Zeit hat sich der Beruf aber gewandelt. Das haben auch die Kahres erfahren müssen. Nicht jede Veränderung ist gut. Die lästige Bonpflicht ist nur ein Stressfaktor, mit dem man mittlerweile umgehen muss. Ob man will oder nicht. Dabei nimmt nur jeder 15. Kunde den Bon mit. Der Rest wandert in den Papierkorb. „Man empfindet die vielen neuen Gesetzmäßigkeiten manchmal ein bisschen als Schikane. Und irgendwie wird einem ja auch eine Vorverurteilung zu Teil. Was will einem das Finanzamt denn damit sagen?“

Die Kontrollen – gerade im Lebensmittelbereich sind ohnehin schon streng. Dazu unzählige Auflagen, Verordnungen zu Inhaltsstoffangaben, Beschriftungen in spezieller Größe für selbst hergestellte Produkte. Papierkram, der den Handwerker Lutz Kahre natürlich tief im Herzen nervt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich im Alter noch einmal auf die Schulbank setze nach Feierabend und einen Computerkurs belege, damit ich überhaupt mitkomme, sagt der 50-Jährige. Ja – das Bäckerhandwerk ist im Umschwung. Früher holten die Leute ein Brot zum Wochenende, Semmeln Samstagfrüh. Gut musste es schmecken und preislich akzeptabel sein. Heute gelten völlig neue Verbraucherregeln. Der Markt wandelt sich ständig. Man muss sich auf die aufwendigen Wünsche der Kunden einstellen: Glutenfrei, allergenfrei, vegan – so sieht die Zukunft aus. Manchmal werden Verkäuferinnen da zu Lebensmittelberatern.

Einzigartige Törtchen

„Wir haben zehn Sorten Brot im Angebot. Darunter auch viele Extravagante“, so Bianka Kahre. Das Waldstaudenbrot, ein besonderes Vollkorn, ist beispielsweise eines dieser Renner. Das ganz normale gute Sauerteigbrot oder die Doppelsemmeln laufen trotzdem immer noch am besten. „Und unsere Hutbergspitzen“, verrät Bianka Kahre. Das Rezept-Überbleibsel aus DDR-Zeiten ist nach wie vor beliebt. Auch die Lessing-Törtchen sind einzigartig. Rollt eine Reisegesellschaft im Museum an, wird ein großer Schwung geordert.

Vor vier Jahren gab es etwas Trubel um die Schaubäckerei, als die eventuelle Ansiedlung eines großen Supermarktes mit Bäckereikette gleich gegenüber publik wurde. „Das waren aufregende Zeiten für uns. Nicht jedem hat unsere Gegenwehr gefallen. Aber ich bin immer noch überzeugt, dass es richtig war, damals den Mund aufzumachen. Das kleine Handwerk muss Bestand haben. Gerade in so einer Stadt wie Kamenz“, sagt Lutz Kahre.

Demnächst wird der neue „Lessing-“Campus schräg gegenüber Realität. Die Zeichen stehen auf Zukunft. In jeder Beziehung. Seit Donnerstag kommt auch schon das erste selbst gemachte Eis aus der Maschine. „Die Kunden haben massiv danach gefragt, da haben wir eben auf Frühling umgeschaltet“, lacht Bianka Kahre. Auch die Vogelhochzeits-Leckerbissen flattern übrigens bereits in der Auslage.

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