SZ + Kamenz
Merken

Hier lassen Profis ihre Messer schärfen

Seit 40 Jahren sorgt die Scherenschleiferei Kahl in Kamenz für funktionierende Klingen jeder Art. Auch große Firmen gehören zur Kundschaft.

Von Ina Förster
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Im kleinen Laden steht Mama Barbara noch hinterm Verkaufstresen. Mit ihren 72 Jahren hilft sie ihrem Sohn Matthias aus. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Zurzeit arbeitet er am neuen Stollenmesser fürs Advents Spectaculum (im Bild).
Im kleinen Laden steht Mama Barbara noch hinterm Verkaufstresen. Mit ihren 72 Jahren hilft sie ihrem Sohn Matthias aus. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Zurzeit arbeitet er am neuen Stollenmesser fürs Advents Spectaculum (im Bild). © René Plaul

Kamenz. Klingklangklong. Die Ladenklingel hat heute wieder mal gut zu tun bei Kahls. Die Mitarbeiterin einer ansässigen Zahnarztpraxis packt zwei kleine Zangen auf den Tisch. Die müssten nachgebessert werden. Ein anderer Kunde holt sein ziemlich stumpfes, in Zeitungspapier eingewickeltes Brotmesser aus der Tasche. In etwa sieben Tagen kann er es wieder haben. So scharf, dass man fast einen Waffenschein braucht. Zurzeit liegt viel Arbeit an. Eigentlich immer. Matthias Kahl schaut zufrieden ins Auftragsbuch. Gut Ding will Weile haben, meint er. Handarbeit ist nach wie vor gefragt. Auch in einer hoch technologisierten Welt. Und man weiß, was man hat. „Wer einmal ein ordentlich geschliffenes Messer oder eine Schere in der Hand hatte, lernt den Wert schätzen“, sagt der Kamenzer. Keiner gibt sich gern mit einer sogenannten „Gieke“ ab.

In Großröhrsdorf gelernt

Der Handwerker führt das Geschäft seines Vaters Günter Kahl seit 2010 mit Erfolg weiter. Dieser ging vor neun Jahren in den Ruhestand. Seit 1979 existiert die Schleiferei bereits. Immer an der gleichen Stelle an der Kurzen Straße 7. „Wir freuen uns, nun schon auf das 40. Jubiläum zu blicken“, sagt Matthias Kahl stolz. Er selbst absolvierte 1986 eine Lehre zum Instrumentenschleifer – bei einem Berufskollegen in Großröhrsdorf. Der heute 49-Jährige kam nach Umwegen, Bundeswehr, Ausflügen in andere Metiers und Arbeitsjahren in den Altbundesländern wieder zurück in die Heimat. Eine gute Entscheidung, findet er immer noch. Nicht nur für ihn und seine Familie. Auch für die Kamenzer. Der Traditionsladen ist bekannt. An Wochenmarkttagen tummeln sich hier auch allerhand Menschen von außerhalb. Bei Kahls gab und gibt es noch echte Wertarbeit. Das wissen die Kunden. Und dafür zahlen sie gern. Auch wenn man in der Regel schon mal bis zu einer Woche auf seine frisch geschliffene Ware warten muss. „Das was ich hier tue, braucht vor allem eines – Zeit“, weiß der 49-jährige Familienvater.

Qualitätsarbeit hat sich herumgesprochen

Gut also, wenn es kleine Lücken im Auftragsbuch gibt. Schließlich müssen noch die Päckchen abgearbeitet werden. Wöchentlich treffen stumpfe Messer, Scheren, Fußpflegeutensilien oder Messer von Gartengeräten in Kamenz per Post ein. „Wir haben deutschlandweit Kunden bis hin nach Österreich“, freut sich Matthias Kahl. Die Qualität hat sich herum gesprochen. Mund-zu-Mund-Propaganda sei nach wie vor „in“. „In Österreich beispielsweise habe ich Kunden, die kennen wieder ehemalige Kamenzer, die jetzt dort in der Gastronomie arbeiten. Ein guter Koch brachte seine eigenen Messer mit zur Arbeit. Da haben die Österreicher gestaunt, wie gut die geschliffen waren. Und schon hatte ich Nachfolgeaufträge“, freut sich Kahl. Ab und zu flattern Dankeschönbriefe ins Haus. Das ist natürlich so etwas wie ein Sahnehäubchen.

Auch online findet man seine Schleiferei schnell. „Hier hilft uns das Internet ausnahmsweise als Händler. Wer spezielle Waren oder Service haben möchte, informiert sich heutzutage am Computer oder Handy“, weiß er. Auch die Schneidwerkzeugmechaniker-Messerschmiedinnung unterstützt bei der Werbung. Ein Übersichtsflyer liegt in jeder Schleiferei aus. 16 Mitglieder gibt es sachsenweit. Stress unter Berufskollegen dafür kaum. Man kennt und schätzt sich. In den alten Bundesländern ist das alte Gewerk übrigens lange nicht so stark vertreten – außer in Bayern. Mit der dortigen Innung verbindet die Sachsen auch ein enger freundschaftlicher Kontakt.

Auch große Unternehmen unter den Kunden

Ob Sachsen Fahnen GmbH oder Kamenzer Zwirnerei – viele größere Unternehmen setzten auf die alte Handwerkskunst in ihrer Fertigung. Auch Fleischer, Friseure und Profi-Köche. „Da sind viele sehr eigen“, weiß Kahl. Das eigene Messer mutiert zum persönlichen Kleinod, das man ungern in fremde Hände gibt. Schließlich ist es maßgeblich am Gelingen der Arbeit beteiligt. Und der Privatbedarf kommt nicht zu kurz. Von der Sense bis zur Rasierklinge, vom Brotzeitmesser bis zur Sägekette bekommt man hier alles. Angler kaufen ihre Filetiermesser, Jäger das Werkzeug zum Ausweiden. Auch der Hobbybastler kommt mit Schnitz- und Drechselwerkzeug auf seine Kosten. Küchengeräte wie extrem scharfe Reiben oder Wiegemesser gehen gut. Nebenbei verkauft Matthias Kahl Räucherkerzenöfen und Zubehör der Firma Huss. Und Petromax Lampen.

In ein paar Wochen ist wieder Advents Spectaculum und der Messerschleifer ist traditionell mit einem Stand im Malzhaus dabei. Zurzeit arbeitet er am neuen Stollenmesser für den Weihnachtsmann, das für den Riesenstollenanschnitt gebraucht wird. Jahrelang war es im Märchenwald verschollen und taucht dank der Hilfe der kleinen Zuckerfeen wieder auf. Doch das ist eine nächste Geschichte …