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"Ich glaube an das freundliche Sachsen"

Annett Hofmann engagiert sich als Frau des Ministerpräsidenten vielfältig. Doch auch als Bürgerin hofft sie, dass man mehr miteinander spricht – ein Interview.

Von Gunnar Saft
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Annett Hofmann ist die Lebensgefährtin von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Annett Hofmann ist die Lebensgefährtin von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. © ronaldbonss.com

Als ihr Mann vor zwei Jahren erstmals sächsischer Ministerpräsident wurde, setzte sich Annett Hofmann ein Ziel: Wir bleiben eine normale Familie! Im Alltag mit den beiden Kindern funktioniert das. Neu sind für die 44-Jährige seitdem regelmäßige öffentliche Auftritte, Einsätze im karitativen Bereich dagegen nicht. Die gab es schon vorher.

Frau Hofmann, wurde Ihnen schon einmal unerwartet Hilfe geleistet, über die Sie erfreut und dankbar waren?

Ich habe als Studentin völlig unerwartet das alte Auto meines Opas bekommen. Begründung: Opa kann nicht mehr fahren und du hast zwei Kinder. Das war eine wirklich große und unverhoffte Hilfe.

Und selber, haben Sie auch schon einmal für den guten Zweck gespendet?

Nicht nur einmal, ich mache das regelmäßig. Ich unterstütze große Organisationen wie Unicef oder Brot für die Welt. Und ich spende sehr gern auch für ganz konkrete Projekte. Das ist nicht schwer. Sehr oft finden sich etwa am Ausgang bei Veranstaltungen Spendenboxen, wo man unkompliziert seinen Beitrag leisten kann, sei es das neue Kirchgemeindehaus oder ein Vorhaben eines Vereins. Und selbst kleinere Beträge bewirken dabei am Ende in ihrer Masse eine ganze Menge. Ob nun fünf, zehn oder noch mehr Euro, das ist egal. Es gibt viele Gelegenheiten, wo jeder ganz direkt helfen und sich für die Gemeinschaft einbringen kann, mit seinen persönlichen Möglichkeiten. Aber auch mit einer Blutspende kann jeder einen wichtigen Beitrag leisten. Blut kann man nicht künstlich erzeugen, alles, was für Operationen und Behandlungen gebraucht wird, muss gespendet werden. Wer hier helfen will, kann dies nur, wenn er persönlich spendet. Ich möchte gern auch den Blick bei Thema spenden etwas weiten. Denn auch wer sich engagiert und seine Zeit spendet, bringt sich ein und tut etwas für die Gesellschaft.

Sorgt Helfen für ein gutes Gefühl?

Jeder, der hilft, zeigt Empathie und nimmt Anteil daran, was um ihn herum passiert. Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl, man kann etwas begleiten und aktiv unterstützen. Das ist eine gute Motivation und ein gutes Gefühl.

Viele Sachsen beklagen, dass bundesweit die mediale Aufmerksamkeit meist nur den Problemen in ihrem Land gilt. Die „guten Seiten“ dagegen zu oft einfach unter den Tisch fallen.

Natürlich wird und muss über negative Ereignisse kritisch berichtet werden, auch überregional. Dinge, die nicht in Ordnung sind, müssen benannt werden. Presse- und Meinungsfreiheit sind Grundfeste unserer Demokratie.

Als unangemessen oder auch verletzend wird es aber empfunden, wenn dies pauschalisierend oder belehrend erfolgt. Und wenn gefühlt „die Sachsen“ im ganzen Land in Haftung genommen werden.

Aber auch das positive Sachsen bekommt bundesweite Aufmerksamkeit. Ich lese jetzt häufiger positive Geschichten von Alltagshelden. Die kommen zwar weniger laut daher und haben auch geringere überregionale Resonanz. Aber das Sachsen, was wir hier so lebens- und liebenswert finden, findet statt.

Sie glauben also fest an das freundliche Sachsen?

Natürlich, das steht außer Zweifel. Wir können aber noch besser darin werden, auch andere davon zu überzeugen. Wir Sachsen müssen unsere besten Botschafter werden. Und da kann sich jeder fragen: Welche Geschichten erzählen wir von hier? Sehen wir Probleme oder begreifen wir Dinge als Herausforderungen an? Mit welchen Gefühlen beschreiben wir unsere Heimat? Wir bestimmen die Botschaft, und da können wir miteinander noch mutiger und optimistischer werden.

Die Bitterkeit ist damit aber nicht bei allen Sachsen weg. Wie reagieren Sie, wenn Sie persönlich darauf stoßen?

Es gibt berechtigten Unmut, es gibt Lebensumstände, die sehr belastend sind. Jeder hat Dinge, über die er sich unwahrscheinlich ärgert. Wir haben ein kleines Ritual mit den Kindern und erzählen uns jeden Tag „das schönste Erlebnis“. Und siehe da, auch für eigentlich behütete Grundschulkinder ist es manchmal schwer, etwas zu finden – es war einfach alles doof. Doch beim Reden findet sich dann ein schöner Moment, und sei er noch so kurz. Das gilt ebenso für die erwähnte Bitterkeit. Man muss darüber sprechen, sich gegenseitig zuhören und ausreden lassen. So lassen sich Probleme viel besser „aufknoten“. Ich kann dann sagen, das verstehe ich, hier bin ich anderer Meinung. Und oft gibt es auch eine Idee, wie man vielleicht eine Sache voranbringen kann oder wer vielleicht helfen kann. Und manchmal wird man sich einfach nicht einig. Punkt. Es gehört auch dazu, andere Meinungen auszuhalten. Man darf sich vor Gesprächen nicht scheuen. Mir ist aber wichtig: Der Ton macht die Musik. Wir müssen anständig miteinander umgehen. Wenn für manche pöbeln in den sozialen Medien zum guten Ton gehört, dann macht das etwas mit unserer Gesprächskultur und mit unserem Miteinander. Anstand und Achtung – diese scheinbar angestaubten Werte sind hochaktuell. Und müssen immer wieder miteinander verhandelt werden. Da muss man auch mal klar sagen: Bitte nicht in diesem Ton!

Sie haben es oft genug abgelehnt, die Klischee-Rolle einer „Landesmutter“ zu übernehmen. Dabei könnten Sie in dieser Position Stichworten wie Helfen und Verantwortung öffentlich viel Gewicht geben.

Als Frau an der Seite des Ministerpräsidenten möchte ich gern Botschafterin für engagierte Menschen, kluge Frauen und wertvolle Initiativen sein. Das finde ich sehr bereichernd. Mir liegen Alltagshelden am Herzen. Aber ich bringe mich auch selbst gern ein. Ich arbeite zum Beispiel ehrenamtlich im Vorstand des Fördervereins für ein Epilepsiezentrum. Und ich bin natürlich als Schirmherrin unterwegs. Und bei allem geht es genau darum: Wie wollen wir miteinander umgehen, was tun wir für unsere Nächsten und die Gemeinschaft. Benefizkonzerte, Sportwettbewerbe? Ich erlebe da viele positive Menschen. Denen gebe ich sehr gern eine Stimme. Und ich möchte sie auch über das Jahr begleiten und den Kontakt halten. Mir ist es wichtig, hier nicht nur an der Oberfläche zu kratzen. Leider hat der Tag nur 24 Stunden.

Beim Semperopernball im vergangenen Jahr.
Beim Semperopernball im vergangenen Jahr. © Robert Michael

Zum freundlichen Sachsen gehört regelmäßig die große Spendenbereitschaft für Menschen in Not. Jetzt verweist eine Statistik darauf, dass sich hierzulande aber deutlich weniger Menschen für ehrenamtliche Arbeiten in Vereinen finden als in den alten Bundesländern. Wie passt das zusammen?

38 Prozent der Sachsen engagieren sich freiwillig und verbindlich. In den vergangenen Jahren ist dies sogar etwas mehr geworden. Junge und jung gebliebene Sachsen wollen sich engagieren, davon bin ich überzeugt. Aber sie tun dies vielleicht lieber kurzfristiger, bezogen auf ein Projekt oder ein Vorhaben. Und genau hier muss man sie abholen und einbinden. Sie können sich einbringen, erleben Gemeinschaft, sind aber nicht in festen Strukturen gebunden. Vereinsarbeit ist zeitaufwendig, nicht jeder hat so regelmäßig freie Spitzen. Aber vielleicht kann man Dinge auch entschlacken und vereinfachen oder neue Kommunikationswege gehen? Es gibt keinen Königsweg, aber sicherlich viele gute Ideen. Gerade in ländlichen Regionen sind Vereine oft das Kraftzentrum des Ortes. Hier wird Gemeinschaft gelebt und erlebt.

Kann der Freistaat mehr dafür tun, dass ehrenamtliches Engagement zunimmt?

Sachsen unterstützt das Ehrenamt auf vielen Wegen. Natürlich finanziell. Ebenso wichtig finde ich Wertschätzung und Wahrnehmung. Etwa, wenn jemand in großem Rahmen für sein Ehrenamt geehrt wird. Und auch hier schreibt das Leben viele kleine positive Geschichten, die erzählt werden können. Warum sollen sich junge Sachsen, die als Volunteers, also Freiwillige, in die Welt gehen, nicht auch in ihrer Heimat engagieren? Es darf keine hohen Hürden geben, die Möglichkeiten zum Mitmachen müssen niederschwellig bleiben.

Bei der Aktion Lichtblick der Sächsischen Zeitung können wir uns in diesem Jahr über einen neuen Spendenrekord freuen. Warum helfen gerade jetzt so viele Sachsen ihren Mitbürgern?

Die SZ-Aktion ist gewachsen, hat klein angefangen und sich schließlich über die vielen Jahre hinweg fest etabliert. Sie hat dabei eine große Glaubwürdigkeit gewonnen, denn es wird immer wieder darüber berichtet, wo genau das Geld hinfließt. Es sind nachvollziehbare und ganz konkrete Hilfen, die dazu führen, dass die Menschen sich daran gern mit einer Spende beteiligen. Deshalb kommt die Lichtblick-Aktion so gut an.