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"Ich will einfach meine Meinung sagen"

Gerd Hildebrandts Corona-Plakate in Strießen bei Großenhain finden starke Beachtung. Dem jungen Mann geht es um kritische Auseinandersetzung.

Von Kathrin Krüger
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Gerd Hildebrandt und seine Bekannte Teresa Hempelt haben am Freitag dieses neue Plakat an die Grundstücksmauer gehängt.
Gerd Hildebrandt und seine Bekannte Teresa Hempelt haben am Freitag dieses neue Plakat an die Grundstücksmauer gehängt. © Kathrin Krüger-Mlaouhia

Strießen. Wieder hält ein Auto an der Dorfstraße in dem kleinen Örtchen bei Großenhain,  und der Fahrer macht ein Foto. Das geht nun schon die ganze Woche so, seit Gerd Hildebrandt sein erstes großes Transparent an die Palisadenwand gehängt hat. Auch bei Facebook wurde ein Bild davon gepostet und bekam bis Freitagmittag 179 Likes sowie 75 zumeist zustimmende Kommentare. 

Auf das Transparent, das eigentlich ein Firmenbanner von Gerd Hildebrandts Solaranlagenbetrieb ist, hat er mit großen Buchstaben geschrieben: "Corona? Glotze aus! Hirn an!" Dahinter steckt der Wunsch, der in der Öffentlichkeit immer stärker wird und auch in der SZ vom 18./19. April thematisiert wurde: nach einer kritischen Auseinandersetzung über den Umgang mit der Krise. 

"Es gibt so viele unterschiedliche Ansichten zur Pandemie, die Experten streiten sich, da muss sich jeder selbst eine Meinung bilden", fordert Gerd Hildebrandt. Der 38-Jährige sieht sich als kritischen Bürger, dem freie Meinungsäußerung und produktiver Streit wichtig sind. Gerade in einer Demokratie. Und auch zu Krisenzeiten. 

Dieses Plakat hing zuerst in Strießen und wurde oft von Vorbeifahrenden fotografiert. Auch bei Facebook löste es starke Diskussion aus.
Dieses Plakat hing zuerst in Strießen und wurde oft von Vorbeifahrenden fotografiert. Auch bei Facebook löste es starke Diskussion aus. © privat

"Mir geht es darum, dass das, was gerade abgeht, nicht mehr schön ist", sagt der Strießener offen. In allen Gesprächen mit Freunden und Bekannten käme soviel Hilflosigkeit und Kraftlosigkeit zum Ausdruck. "Viele sagen: Man kann ja doch nichts machen", so der Handwerker. Doch Gerd Hildebrandt will das nicht hinnehmen. "Ich poche auf mein Recht auf freie Meinungsäußerung."  Dass er gegen das Tragen von Masken ist, verhehlt er nicht. Kürzlich beim Einkaufen hat sich im Kaufland eine weitere Kundin über ihn beklagt, weil er keinen Mundschutz hatte. "Aber sie hat mich nicht gefragt, warum. Das ist doch nicht normal", kritisiert Hildebrandt. 

Der junge Mann hat beruflich derzeit gut zu tun, nur wenig Arbeit ist ihm wegen Corona weggebrochen. Dennoch informiert er sich ausführlich zu vielem, was zur Corona-Pandemie geäußert wird. "Ich stehe auf der Seite der Wissenschaftler, die sagen, dass es keine Pandemie gibt", so Hildebrandt. Ob alle, die seine Plakate sehen, auch dieser Meinung sind, weiß er nicht. "Ich streite die Existenz des Virus nicht ab, aber ich bin der Ansicht, dass zum Beispiel in Schweden besser damit umgegangen wird", sagt der Strießener. Dort sei trotz Vorsicht viel mehr möglich. Und schiebt einen Satz seines Freundes hinterher: "Wer die Wahrheit sagt, eckt manchmal an." 

Die Facebook-Kommentare lassen unterschiedliche Reaktionen erkennen. Da heißt es zum Beispiel, dass 80 Prozent der Deutschen die Anordnungen "ganz brav" befolgen. In einem anderen Post steht: "Die Bundesländer entscheiden, nicht die Kanzlerin, die gibt die Richtung vor." Hildebrandts Bekannte Teresa Hempelt, die die Plakate mit gemalt hat, ist Reiseverkehrskauffrau. Sie ist seit 18. März in Kurzarbeit. "Ich hab ein bisschen Angst, denn das wird noch erhebliche Einschnitte für uns bringen", meint sie im Hinblick auf die Entwicklung der Reisebranche. Deshalb dürfe man mit kritischem Hinterfragen nicht erst nach der Krise anfangen. 

Bürgermeisterin Manuela Gajewi kennt die Plakate in Strießen, doch Gerd Hildebrandt kennt sie nicht persönlich. Er ist ihr nur 2017 aufgefallen. Als schon mal ein Transparent am Zaun hing und zur kritischen Beobachtung der Wahlen aufrief. "Wenn dem Mann Demokratie und Grundgesetz wichtig sind und er zum Nachdenken aufruft, ist das doch in Ordnung", sagt sie. 

"Bock auf Demokratie und Grundgesetz? Glotze aus! Schuhe an!" steht nun auf dem zweiten Banner, das seit diesem Freitag an der gleichen Stelle am Zaun an der Dorfstraße hängt. Eine Aufforderung zur Aktivität ist darin zu erkennen. "Ich selbst kann nichts organisieren, aber andere vielleicht", hält sich der Strießener zurück. "Wenn die Corona-Krise wirklich so schlimm ist, dann erwarte ich eine realistische Darstellung", sagt Hildebrandt. "Keine Panikmache, sondern eine Auseinandersetzung, bei der man Andersdenkende ernst nimmt und hört."

Zum Thema Coronavirus im Landkreis Meißen berichten wir laufend aktuell in unserem Newsblog.

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