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„Ich wollte nie erwachsen sein“ - jetzt wird er 70

Peter Maffay spricht im Geburtstags-Interview über politisches Engagement, sein neues Album und er erklärt, warum im Video zu „Morgen“ Hitler auftaucht.

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Ein Mann der Rekorde: Peter Maffay kommt auf 18 Nummer-eins-Alben und auf 300 Wochen in den Top 10: Damit ist er der erfolgreichste Künstler in der Geschichte der offiziellen deutschen Album-Charts. Am Freitag wird der Musiker 70 und veröffentlicht am gle
Ein Mann der Rekorde: Peter Maffay kommt auf 18 Nummer-eins-Alben und auf 300 Wochen in den Top 10: Damit ist er der erfolgreichste Künstler in der Geschichte der offiziellen deutschen Album-Charts. Am Freitag wird der Musiker 70 und veröffentlicht am gle © Peter Kneffel/dpa

Peter Maffays Vater hatte schon früh den Verdacht, in welche Richtung es einst gehen könnte mit seinem Sohn. Als Baby sei Peter nicht gerade eine Schönheit gewesen, schreibt Wilhelm Makkay in dem Buch „Tati, erzähl: Erinnerungen – gesammelt für meinen Sohn Peter Maffay“. 

Maffay, 1949 als Peter Alexander Makkay in Rumänien geboren, hatte demnach leicht rötliche Haare, eine Stupsnase und etwas abstehende Ohren. „Möglicherweise sind die übergroßen Ohren ja Ausdruck deiner Musikalität.“ Papa Makkay sollte recht behalten mit seiner Vermutung.

Sein Sohn wird jetzt 70 und kann auf eine musikalische Karriere zurückblicken, die schon ein halbes Jahrhundert umfasst. Maffay ging „über sieben Brücken“, er war „16 (und sie 31)“. Und er wollte eigentlich nie erwachsen sein. Mit dem Rock-Märchen um den kleinen, grünen Drachen Tabaluga hat er eine ganze Welt erschaffen. Tabaluga ist auch das Maskottchen von Maffays Stiftung, die sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche einsetzt.

Peter Maffay hat in seiner Karriere mehr als nur eine Welt erschaffen. Das Reich des kleinen, grünen Drachen Tabaluga gehört dazu, aber auch sein eigenes, mehrere Gebäude umfassendes Anwesen in Tutzing am Starnberger See. Dort sitzt seine Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Dort hat er ein Studio, in dem er seine Musik produziert. Dort sprach er jetzt über seinen anstehenden 70. Geburtstag, über seine Kinder und über den Drang, sich politisch zu positionieren.

Sie werden 70 Jahre alt. Was für ein Zeitabschnitt ist das, der da jetzt für Sie beginnt?

Erdgeschichtlich ist ein 70. Geburtstag nicht wahnsinnig einschneidend. Aber für mich schon. Ich habe das Gefühl, die Pflicht ist erfüllt, und jetzt beginnt die Kür. Ich kann das gar nicht so genau definieren, aber nach 50 Jahren auf der Bühne kann ich mir vorstellen, dass da ab jetzt viel mehr Platz sein wird für Improvisation, für das Experimentieren – natürlich auch musikalisch.

Warum gab es diesen Platz vorher nicht? Warum haben Sie sich ans „Pflichtprogramm“ gehalten?

Es ist eine sehr angenehme Pflicht. Ich habe mir in meinem Leben ehrlich gesagt nichts Besseres vorstellen können, als so zu leben – mit Musik. Ich würde das auch jederzeit wieder so machen, wenn ich mich zu entscheiden hätte. Aber ich habe inzwischen das Gefühl, dass das alles rund ist und das richtige Maß hat und ich die Aufgabe, dieses Maß zu erreichen, nicht mehr bewältigen muss. Auch in der Stiftung sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, an dem alles einigermaßen rundläuft. Jetzt geht es darum, die kommende Zeit mit Kreativität aufzufüllen und sich schöne Sachen einfallen zu lassen. Ein anderer Anlass ist meine kleine Tochter. Das ist auch ein völlig neuer Aspekt. Mein Sohn ist 15 – da habe ich einiges aus seinem ersten Lebensjahr schon vergessen.

Im Jahr 2018 nahm Peter Maffay den Europäischen Kulturpreis "Taurus" in der Dresdner Frauenkirche entgegen.
Im Jahr 2018 nahm Peter Maffay den Europäischen Kulturpreis "Taurus" in der Dresdner Frauenkirche entgegen. © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa (Archiv)

Sie werden sich also vielleicht auch ein bisschen mehr Zeit nehmen für das Private und Ihre Tochter?

Ja. Die ersten 50 Jahre waren schon sehr rasant. Der Beruf hat alles überlagert. Inzwischen besteht eigentlich nicht mehr wirklich eine Veranlassung, diese Hektik zu leben. Ich weiß, dass ich hier wider besseres Wissen rede und sich ein gewisser Druck ohnehin wieder aufbauen wird. Ich kam mit Druck eigentlich immer relativ gut zurecht. Aber ich muss auch zugeben, dass es Phasen gab, wo es mir selber zu viel war. Ich bin ein schlechter Nein-Sager, und wenn man mit 40 Grad Fieber irgendwie auf der Bühne stehen und spielen muss, dann ist das eklig. Aber wir sind dann auch öfter von der Bühne runtergekommen. Und das Fieber war weg.

Ist Ihr Privat- oder Familienleben etwas zu kurz gekommen über die Jahre?

Ja. Es gibt Leute in meinem Leben, die hätte ich gerne öfter gesehen, gerne öfter mit ihnen zusammengesessen und so weiter. Ich beobachte diese Umstände auch bei anderen. Man mag sich irgendwie, ist sich zugetan und möchte Zeit miteinander verbringen. Aber alles zu koordinieren ist eben nicht so einfach.

Peter Maffay singt mit dem Dresdner Kreuzchor bei großen Adventskonzert.
Peter Maffay singt mit dem Dresdner Kreuzchor bei großen Adventskonzert. © Robert Michael (Archiv)

Der Titel „Morgen“ auf Ihrem Album ist fast schon brachial politisch – mit warnenden Bildern von Adolf Hitler im Musikvideo. Sie sind nicht unbedingt als unpolitischer Mensch bekannt. Aber warum jetzt so explizit?

Ja, so hart hatten wir das eigentlich noch nie. Aber es ist inzwischen nicht ungewöhnlich. Man sieht das beispielsweise auch bei Rammstein und anderen Leuten, die die Plattform Musik benutzen, um sich zu artikulieren in gesellschaftlicher und politischer Weise. Es ist nun mal die Realität. Wir zeigen keine erfundenen Bilder. Die Aneinanderreihung verdeutlicht, mit welcher Skala von Themen, Konflikten und Erosionen wir es zu tun haben. Wenn man sich die kommenden Generationen vorstellt und unter welchen Umständen sie leben werden, dann stellt sich da zwangsläufig eine Mega-Aufgabe.

Bei den Einheitsfeierlichkeiten im Oktober 2000 in Dresden war Peter Maffay auch dabei. Ein Höhepunkt war sein gemeinsamer Auftritt mit Karat im Rudolf-Harbig-Stadion.
Bei den Einheitsfeierlichkeiten im Oktober 2000 in Dresden war Peter Maffay auch dabei. Ein Höhepunkt war sein gemeinsamer Auftritt mit Karat im Rudolf-Harbig-Stadion. © Robert Michael (Archiv)

Sehen Sie die Entwicklung also eher pessimistisch?

Nein, ich bin ja Gott sei Dank bei Weitem nicht der Einzige, der solche Sachen anrührt oder berührt. Wenn man nach 50 Jahren ein neues Album macht, dann kann man mit Blabla rausgehen. Oder man positioniert sich. Ich denke, dass wir dieses gesellschaftliche System, in dem wir das Glück haben zu leben, bewahren und beschützen müssen. Und dafür ist es nötig, dass man sich dazu bekennt und dass man diesen Erosionen nicht nachgibt. Das ist wie mit Rost, der sich schleichend festsetzt. Den muss man permanent entfernen und bekämpfen.

Das Interview führte Britta Schultejans (dpa). 

Das Album: Peter Maffay, Jetzt! Red Rooster/Sony Music

Das nächste Sachsen-Konzert: 16. März 2020, Arena, Leipzig