Schon wieder: Pflegeheim erhöht die Preise

Bautzen. Eines will sie wirklich mal loswerden. Als Marita Scholte vor dem Pflegeheim in der Bautzener Seidau steht, sprudelt es aus ihr heraus. Wenn sie etwas als ungerecht empfindet, sagt sie, dann könne sie nicht stillhalten. Und das, was sie beobachtet, das fällt ganz offensichtlich in diese Kategorie.
Seit vielen Jahren lebt ihre Schwiegermutter in dem Pflegeheim, vor allem seit 2018 sind die Preise drastisch gestiegen. Scholte hat alles fein säuberlich in einer Tabelle aufgelistet. 2014 war die Summe noch im dreistelligen Bereich: Knapp unter 900 Euro kostete der Heimplatz der Schwiegermutter von Marita Scholte da. Damals waren die Kosten noch nach Pflegestufen gestaffelt.
In der Zwischenzeit ist das System reformiert worden, die Bewohner einer Einrichtung zahlen jetzt alle gleich viel – unabhängig vom Pflegegrad. Dieser sogenannte Eigenanteil lag im Pflegeheim in der Seidau im September 2018 bei knapp über 1.200 Euro – dann gab es die erste große Erhöhung. Um mehr als 400 Euro stiegen die Preise.
Auch andere Heime erhöhen die Preise
Zum März 2020 flatterte abermals ein Brief ins Hause Scholte: erneut eine Erhöhung. Vergleichsweise gering – knapp über 20 Euro mehr im Monat. Doch dabei blieb es nicht, der nächste Brief ließ nicht lange auf sich warten. Ab Juni muss die Frau noch einmal tiefer in die Tasche greifen. Um mehr als 100 Euro steigt die Summe, auf 1.753 Euro.
Das Pflegeheim Bautzen-Seidau ist kein Einzelfall, viele Einrichtungen in der Region haben in den letzten Jahren die Preise erhöht. Und auch in diesem Jahr ziehen einige noch einmal an. Im Bautzener Paul-Gerhardt-Altenpflegeheim zum Beispiel sind die Preise zum April erhöht worden, um etwa 200 Euro. Dort müssen die Bewohner nun fast 2.000 Euro im Monat zahlen, berichtet Heimleiterin Christina Nitsche-Uchlier. Weitere Erhöhungen seien dort in diesem Jahr aber nicht geplant.
Im Bautzener Malteserstift St. Hedwig sind die Preise zum 1. März gestiegen, um 261 Euro monatlich. Dennoch liegen dort die Kosten tiefer als im Paul-Gerhardt-Heim. Die Bewohner zahlen jetzt 1.694 Euro. Auch hier, sagt Hausleiter Matthias Wollmann, sind 2020 keine weiteren Erhöhungen geplant.
Heimleiter stehen zwischen den Stühlen
Im ASB Seniorenpflegeheim Am Czorneboh in Cunewalde sind die Preise zuletzt zum 1. Dezember 2019 erhöht worden, der Eigenanteil liegt jetzt bei 1.924 Euro. In diesem Jahr sind keine Anstiege geplant. Die Bewohner der Oberlausitz Pflegeheime in Bischofswerda, Großdubrau und Neukirch mussten in diesem Jahr noch nicht tiefer in die Tasche greifen, hier liegen die Preise bei 1.411 Euro, 1.789 Euro und 1.664 Euro. Nachverhandlungen sind aber für November geplant. Auch bei den Pflegeheimen der Westlausitz in Pulsnitz, Ohorn und Elstra soll Ende des Jahres nachverhandelt werden. Die Eigenanteile liegen jetzt zwischen 1.450 und knapp unter 1.700 Euro.
„Die Preise sind sehr individuell“, erklärt Sascha Bock, Geschäftsführer der Oberlausitz Pflegeheime. Das Heim in Bischofswerda beispielsweise sei bereits in den 1980er Jahren erbaut worden; das in Großdubrau ist neu. „Die Investitionskosten schlagen sich in den Preisen nieder“, erklärt Bock. Und außerdem: Immer wieder würden bessere Löhne in der Pflege gefordert. Wenn die Heime Personal finden wollen, müssen sie mitziehen – auch das sorge für teurere Rechnungen. „Das ist ein sehr komplexes System“, sagt Bock, er stehe quasi zwischen den Stühlen. Denn auf der Gegenseite wisse er ja, dass die Rente oft nicht reiche, um davon einen Heimplatz zu bezahlen.
Angehörige müssen nicht mehr für Pflege aufkommen
Auch im Pflegeheim in der Seidau gab es mehr Geld für Auszubildende, einen neuen Fußboden im Heim. Marita Scholte kann das ein Stück weit verstehen. Im Grunde genommen, sagt sie, geht sie das auch gar nicht mehr viel an. Denn die Politik hat schon etwas getan. Während Marita Scholte früher selbst zur Geldbörse greifen musste, gibt es mittlerweile eine Regelung, die besagt, dass Angehörige nur dann für den Heimplatz ihrer pflegebedürftigen Eltern aufkommen müssen, wenn sie mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen. Pflegebedürftige bekommen, wenn ihre Rente für die Finanzierung des Eigenanteils nicht reicht, einen Zuschuss vom Sozialamt.
„Wir gehen seit 2018 zum Sozialamt“, sagt Marita Scholte. Vorher, vermutet sie, hätte die Familie vielleicht auch schon Anspruch auf einen Zuschuss gehabt – wollte sich aber vor dem Amt „nicht nackig machen“. Bei der großen Erhöhung habe sie dann aber keine andere Wahl mehr gehabt.
Bundesgesundheitsminister kündigt Lösung an
Scholte fordert deshalb, dass die Politik aktiv wird – und die Heime die steigenden Kosten anders umlegen, nicht über die Bewohner. Auch Sascha Bock setzt Hoffnung auf eine Neuerung, an der gerade das Bundesgesundheitsministerium arbeitet. Denn tatsächlich tut sich bald vielleicht etwas: Die Pflegeversicherung soll reformiert werden. Auf Anfrage von Sächsische.de erklärt ein Sprecher: „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, in diesem Jahr einen Vorschlag für die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung vorzulegen.“
Mehr Nachrichten aus Bautzen lesen Sie hier.