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Kunstwerke fürs Berliner Stadtschloss

Die Sandsteinwerke Pirna liefern das Material für die gewaltige Eingangspforte. Das zahlt sich gleich doppelt aus.

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Von Thomas Möckel

Mitten in der Halle an der Bahnhofstraße in Pirna liegen weiße Quader, vielleicht vier, fünf Meter lang, sie beschreiben einen Bogen, darüber strecken übergroße Engel ihre Hände aus, einige Teile sind mit goldener Farbe überzogen. Das Modell aus weißem Gips lässt erahnen, welche Dimension der Nachbau in Sandstein später annehmen wird. In naher Zukunft wird der Bogen einmal in rund 18 Meter Höhe ein Tor überspannen. Er ist ein zentraler Baustein des Hauptportals am Berliner Stadtschloss, das derzeit wiederaufgebaut wird.

Johannes Roßrucker, Geschäftsführer der Sächsischen Sandsteinwerke Pirna, steht vor einem Gipsmodell des Bogens, der in Sandstein gehauen einmal das Eosander-Portal des Berliner Stadtschlosses überspannen soll.
Johannes Roßrucker, Geschäftsführer der Sächsischen Sandsteinwerke Pirna, steht vor einem Gipsmodell des Bogens, der in Sandstein gehauen einmal das Eosander-Portal des Berliner Stadtschlosses überspannen soll.

Das Material für das sogenannte Eosander-Portal stammt aus der Sächsischen Schweiz. Quader, Bögen, Köpfe – die Sächsischen Sandsteinwerke Pirna leisten massiv Aufbauhilfe in der Hauptstadt und liefern den Großteil des benötigten Sandsteins für die Pforte. Benannt ist das Eosander-Portal nach Johann Friedrich Eosander von Göthe, ab 1707 Leiter des Stadtschlossbaus in Berlin, mit Hang zum Monumentalen. Das Portal ließ er dem groß dimensionierten Konstantinsbogen in Rom nachempfinden.

„Ich bis sehr froh, dass wir uns den Auftrag für den zentralen Eingang sichern konnten“, sagt Johannes Roßrucker. Seit März 2011 führt er die Geschäfte der Pirnaer Sandsteinwerke, die Sandsteinlieferung in die Hauptstadt ist der bislang größte eingeworbene Auftrag in seiner Amtszeit. Und er bringt dem Unternehmen gleich einen doppelten Vorteil: Prestige und wirtschaftlichen Aufschwung.

Schon die Menge an Material lässt darauf schließen, wie hoch das Portal einmal emporragen soll. Um das bildhauerisch anspruchsvolle Tor nachzubilden, benötigt der Betrieb rund 1 600 Kubikmeter Sandstein, was einem Gewicht von rund 3 700 Tonnen entspricht. Die Rohmenge vor dem Behauen ist etwa doppelt so groß. Angesichts von Computergrafiken, die das Schloss fertig zeigen, gerät der Geschäftsführer schon mal ins Schwärmen. Das zentrale Tor bezeichnet er als Visitenkarte des Schlosses, als absoluten Hingucker. „Das wird die Postkartenansicht, die später jeder fotografiert“, prognostiziert er. Ein solches Projekt macht sich besonders gut in der Referenzliste.

Die Vorlagen aus Gips im Maßstab eins zu eins stammen von der Berliner Schlossbauhütte. Steinmetze und Steinbildhauer fertigen dann größtenteils in den firmeneigenen Werkstätten in Altrottwerndorf die steinernen Kopien an. Der Betrieb hat aber auch noch einige andere Bildhauer mit Arbeiten beauftragt. Viele Teile sind schon vorproduziert, um sie zu lagern, haben die Sandsteinwerke extra eine große Halle in Dresden angemietet. Von dort aus werden die Teile je nach Baufortschritt nach Berlin transportiert – alles per Lkw, weil die Baustelle mitten in der Stadt liegt und die Teile termingenau vor Ort sein müssen.

Der Großauftrag spült wichtiges Geld in die Kasse der Sandsteinwerke. Das Gesamtvolumen liegt bei rund 5,5 Millionen Euro, etwa zweieinhalb Jahre werden die Arbeiten die Firma hauptsächlich beschäftigen. Das Werk strebt in diesem Jahr einen Umsatz von rund sechs bis sieben Millionen Euro an, gerechnet auf die Auftragsdauer machen die Lieferungen nach Berlin rund ein Drittel des Jahresvolumens aus.

Die Finanzen helfen insbesondere, die wirtschaftliche Situation des Betriebes nach schwierigen Zeiten weiter zu stabilisieren. Nachdem die Sandsteinwerke auf Rechnungen für Arbeiten am Potsdamer Landtagsgebäude sitzengeblieben waren, musste das Unternehmen im November 2012 Insolvenz anmelden. Aus eigener Kraft manövrierte sich die Firma aus misslicher Lage, Ende 2013 gelang es, sich endgültig mit den Gläubigern zu einigen. Seither läuft wieder der reguläre Betrieb.

Allerdings mussten die Sandsteinwerke etwa 30 Mitarbeiter entlassen. Derzeit zählt das Werk 78 Beschäftigte. „Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme“, sagt Roßrucker. Er plant bereits, in naher Zukunft weitere Mitarbeiter einzustellen. Die Auftragslage bezeichnet er als sehr gut, aktuelle Projekte sind beispielsweise der Jüdenhof und die Albertbrücke in Dresden sowie das Humboldt-Quartier in Potsdam. Hinzu kommen viele Anfragen von privaten Hausbesitzern. Laut dem Geschäftsführer sei Sandstein nach wie vor ein begehrter Baustoff, die Nachfrage sei ungebrochen. Um das Material zu gewinnen, betreibt der Betrieb noch sechs eigene Brüche: in Neundorf, Cotta, Reinhardtsdorf, Lohmen und Wehlen.

Die Teile fürs Berliner Schloss fertigen die Fachleute aus Reinhardtsdorfer Sandstein. Dieses Gestein ist gleichmäßiger und einheitlicher gefärbt als beispielsweise Postaer Sandstein, der von stark gefärbten Adern durchzogen ist.

Sorgen um den Vorrat muss sich Johannes Roßrucker keine machen, sämtliche Lagerstätten sind längst noch nicht erschöpft. „Der Sandstein in unseren Brüchen“, sagt er, „reicht noch für mehrere Generationen.“