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Mehr als nur eine Kneipe der Bergleute

Seit 45 Jahren betreiben die Meilings ein Gasthaus in Oberhermsdorf. Hier gibt es Dinge, die andere Gaststätten nicht haben.

Von Maik Brückner
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Im Team stark: Ute Hubrich (Angestellte), Yvonne Meiling (Köchin), Michaela Meiling (Geschäftsführerin), Andreas Meiling (Geschäftsführer), Andrea Meiling (Senior-Chefin) und Karlheinz Meiling (Senior-Chef).
Im Team stark: Ute Hubrich (Angestellte), Yvonne Meiling (Köchin), Michaela Meiling (Geschäftsführerin), Andreas Meiling (Geschäftsführer), Andrea Meiling (Senior-Chefin) und Karlheinz Meiling (Senior-Chef). © Andreas Weihs

Es passiert oft, dass Andreas und Michaela Meiling für ein Ehepaar gehalten werden. Beide nehmen es gelassen. In einem Familienbetrieb wie der Oberhermsdorfer Glück-Auf-Gaststätte kann das schon passieren, sagt Andreas Meiling und lächelt. "Michaela ist meine Schwägerin, meine Frau Yvonne arbeitet als Köchin in der Küche." Zusammen mit seiner Schwägerin führt der 48-Jährige seit 2010 das bekannte Gasthaus an der Oberhermsdorfer Hauptstraße.

Und die ist schon etwas Besonders. Seit 45 Jahren wird sie von den Meilings betrieben. "In unserer Region ist so eine lange Familientradition selten", sagt Andreas Meiling, der in der Szene gut vernetzt ist. Es waren besondere Umstände, wie die Familie zu der Gastwirtschaft gekommen ist. Selbst für seinen Vater Karlheinz war es kurios. Der 76-Jährige ist ein waschechter Oberhermsdorfer, groß geworden ist er im Oberdorf am heutigen Kreisverkehr. "Ich bin gelernter Elektriker, habe in Grumbach gearbeitet, und zu DDR-Zeiten war ich viel schurwerken." So hieß das damals, wenn man als Handwerker nach der Arbeit bei Nachbarn und Bekannten aus- und mithalf.

Karlheinz' Frau Andrea, eine Zahnarzthelferin, saß derweil mit den Kindern allein zu Hause, was ihr nicht sehr gefiel. Deshalb sollte sich etwas ändern. Die Eheleute sahen sich nach etwas anderem um. Ein Gasthaus wäre was, sagten sie sich. Und damit meinten sie die Gaststätte, die heute ihnen gehörte und damals Volkseigentum war.

"Wir haben uns bei der Gemeinde beworben", erinnert sich der heutige Seniorchef. Ursprünglich ging es darum, dass Haus zu bewirtschaften, um den in der Region tätigen Massenorganisationen wieder Treffen zu ermöglichen. Meilings wollten Bier und andere Getränke ausschenken und saubermachen. Die Gemeinde gab den Zuschlag. Die Eheleute wurden Pächter. Das Gasthaus führten sie als Konsum-Kommissionsgaststätte. "Der heutige Saal gehörte nicht dazu", sagt der Seniorchef. Die frühere Fleischerei diente damals als Konsum-Verkaufsstelle. 

Hier kegelten sozialistische Brigaden

Das Kommando in der Gaststätte übernahm seine Frau. Weil sie schon einen Haushalt führte, billigten ihr die Behörden ohne Prüfung zu, auch ein Gasthaus leiten zu können.  In den ersten drei Monaten nach der Übernahme ging ihr Mann noch als Elektriker arbeiten. "Wir hatten Bedenken, ob die Gaststätte auf dem Dorf überhaupt läuft. In den Jahren zuvor gab es hier viele Wechsel." Doch die Bedenken waren unbegründet, seine Frau hatte mehr als genug zu tun. "Ich wurde mithelfender Ehegatte, so hieß das damals in der DDR", sagt Karlheinz Meiling.

Von Anfang an waren die Bergleute Stammgäste. "Zu DDR-Zeiten gab es die  sozialistischen Brigaden", erinnert sich der Seniorchef. Die hatten auch  ein Sportprogramm zu absolvieren. Dafür gab es Geld. Der Kegelsport stand bei den Kumpels hoch im Kurs, und die Meilings hatten in ihrem Haus eine Kegelbahn. Einmal im Jahr wurden dafür die Termine vergeben. "Innerhalb von drei Stunden waren alle Termine weg." Pro Tag kamen drei Brigaden. Jede kegelte jeweils für zwei Stunden hier. "Wir hatten da viel Spaß." Diese Zeit möchte der Seniorchef nicht missen. 

Die heutige Oberhermsdorfer Glück-Auf-Gaststätte wurde erstmalig 1864 erwähnt. Damals gab es im Dorf noch zwei weitere Gaststätten.
Die heutige Oberhermsdorfer Glück-Auf-Gaststätte wurde erstmalig 1864 erwähnt. Damals gab es im Dorf noch zwei weitere Gaststätten. © privat/Meiling
Dieses Foto zeigt den früheren Besitzer Max Kiehsling. Dieser übernahm das Haus 1912 und betrieb dieses zusammen mit einer Fleischerei bis 1954.
Dieses Foto zeigt den früheren Besitzer Max Kiehsling. Dieser übernahm das Haus 1912 und betrieb dieses zusammen mit einer Fleischerei bis 1954. © privat/Meiling
Blick auf das Gasthaus von Braunsdorf kommend.  Das Foto entstand anlässlich des Schul- und Heimatfestes im Jahr 1958.
Blick auf das Gasthaus von Braunsdorf kommend.  Das Foto entstand anlässlich des Schul- und Heimatfestes im Jahr 1958. © privat/Meiling
Auch zum Himmelfahrtstag war die Glück-Auf-Gaststätte für viele ein beliebtes Ziel. Anfang der 1950er-Jahre kehrten diese Herren hier ein.
Auch zum Himmelfahrtstag war die Glück-Auf-Gaststätte für viele ein beliebtes Ziel. Anfang der 1950er-Jahre kehrten diese Herren hier ein. © privat/Meiling

1990 dann die Zäsur. Die Mauer fiel. Die Gästezahlen gingen zurück. Die Meilings haben nicht resigniert, sondern ganz schnell geschaltet. "Wir haben das Grundstück von der Gemeinde gekauft. Wir hatten auch keine Wahl", erinnert sich der Seniorchef. Denn nur als Eigentümer konnten sie das Haus umgestalten. Sie erneuerten die Heizung, das Dach die Inneneinrichtung "Das ist alles in Etappen passiert. Hin und wieder musste das Gasthaus für einen Monat geschlossen werden." Der Kindergarten, der sich seit Mitte der 1980er-Jahre im Obergeschoss befand, zog in einen Neubau in Braunsdorf." In den Räumen entstand eine Ferienwohnung. 1993 haben Meilings den alten Konsum übernommen und ihn zum Vereinszimmer umgebaut. Hier ist auch eine kleine Traditionsecke der Bergleute entstanden. 

Die Gäste kommen nicht nur aus Wilsdruff

Im Nachhinein haben die Meiling so gut wie alles richtig gemacht. Denn nach dem großen Umbruch dauerte es etwa ein Jahr, dann war das Gasthaus auch Dank des guten Rufs der Kegelbahn wieder ein beliebter Treffpunkt geworden. Die Herausforderungen für die beiden Gastwirte blieben. "Zu DDR-Zeiten war es schwierig gewesen, Waren zu beschaffen. Nun ist es schwierig, die Leute glücklich zu machen. Es gibt viel mehr Möglichkeiten als früher. Die Ansprüche sind höher geworden."

Andrea und Karlheinz Meiling ist es dennoch gelungen, ein Stammpublikum zu schaffen. Deshalb konnten sie das Gasthaus mit gutem Gewissen in jüngere Hände geben. 2010 übernommen Sohn Andreas und Schwiegertochter Michaela das Geschäft. Auch sie servieren gut-bürgerliche Küche. "Bei uns kommt nichts aus dem sogenannten Eimer, bei uns wird so viel wie möglich handgemacht, auch die Sülze und Salate. Da steckt viel Liebe drin", versichert Juniorchef Andreas Meiling. Auch die Preise halte man moderat, viele Hauptspeisen kosten um die zehn Euro. Das spricht sich herum. Nach wie vor kommen die Gäste nicht nur aus dem Wilsdruffer und Freitaler Stadtgebiet, sondern auch aus Pirna, Meißen und Heidenau angefahren.

Andrea und Karlheinz Meiling stehen vor der Traditions-Ecke. Die heutigen Seniorchefs haben das Gasthaus vor 45 Jahren übernommen.
Andrea und Karlheinz Meiling stehen vor der Traditions-Ecke. Die heutigen Seniorchefs haben das Gasthaus vor 45 Jahren übernommen. © Andreas Weihs
Andreas Meiling lässt am Tresen in der Glück-Auf Gaststätte ein Bier ein. Seit zehn Jahren ist er einer der beiden Geschäftsführer.
Andreas Meiling lässt am Tresen in der Glück-Auf Gaststätte ein Bier ein. Seit zehn Jahren ist er einer der beiden Geschäftsführer. © Andreas Weihs
Michaela Meiling, die Schwägerin von Andreas Meiling,  steht vor Kegelbahn. Auch sie ist Geschäftsführerin.
Michaela Meiling, die Schwägerin von Andreas Meiling,  steht vor Kegelbahn. Auch sie ist Geschäftsführerin. © Andreas Weihs

Und wie geht es weiter? Gastwirt Andreas hofft, dass die Gäste weiterhin kommen. Am Konzept möchte er nichts ändern, es soll familiär bleiben. "Jeder, der zu uns reinkommt, wird geduzt". Und, so dieser neu ist, wird er gefragt, wo er herkommt. Andreas Meiling sieht sich in der Tradition der Bergleute: Dort gab es auch kein Sie. "Bisher gab es mit dem Duzen keine Schwierigkeiten." Die gibt es an der Kegelbahn. Zwar können die Meilings Gruppen begrüßen, die seit 45 Jahren kegeln kommen. Dazu gehören die früheren Mitarbeiter des Kraftverkehrs und eine Gartensparte. Doch es gibt noch viel mehr Gruppen, die nicht mehr kommen. "Viele denken immer noch, bei Meilings gibt es keine freien Termine." Doch so ist es längst nicht mehr. Die Kegelbahn könnte noch mehr Auslastung vertragen. Und auch beim Thema Personal bekommt Andreas Meiling Stirnfalten. "Noch gelingt es, alle Feiern mithilfe der Familie abzusichern." Aber auch sein Gasthof braucht bald Unterstützung. Und in Richtung aller Gäste sagt er: "Wir Gastronomen leben von unseren Gästen. Die Menschen selbst entscheiden, wie lange es noch deutsche gut-bürgerliche Gaststätten gibt." Und dabei denkt er auch an seine Kollegen.

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