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Tour mit Kasper: So leben Puppenspieler

Familie Schmidt hat keine Wohnung, sondern einen Wohnwagen. Vier Wochen machten sie Station in Reichenbach. Nicht ganz zufällig.

Von Constanze Junghanß
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Jerome (28), Santino (16) und der 19-jährige Ricardo Schmidt (von links) lassen die Puppen tanzen. Bald startet die Saison und die Proben sind in vollem Gange.
Jerome (28), Santino (16) und der 19-jährige Ricardo Schmidt (von links) lassen die Puppen tanzen. Bald startet die Saison und die Proben sind in vollem Gange. © Constanze Junghanß

Das Wohnzimmer von Familie Schmidt steht auf Rädern. In wenigen Tagen verlassen Manuela und Heinz Schmidt mit ihren drei Jungs den Parkplatz vom Freibad wieder. Vier Wochen machte die Puppenspieler-Familie da Station. Winterquartier in der „Wagenburg“.

Kein festes Haus, keine Mietwohnung: Stattdessen Campingwagen als Schlafzimmer – mit hübschen selbst genähten Gardinen vorm Fenster. Dazu der „Küchenwagen“, in dem alles untergebracht ist was eine Familie so zum Leben braucht: Tisch, gemütliche Sitzecke, Dusche, kleine Küchenzeile und Fernseher. Der Ofen wird mit Öl beheizt, gekocht wird auf Gas – am liebsten Spaghetti. Das Wasser kommt – je nach Standort – aus der Leitung oder aus dem Tank. Ein Notstromaggregat ist immer dabei. Alles blitzsauber, zweckmäßig eingerichtet und eben etwas kleiner, als in einer Mietwohnung.

Kaffee blubbert in der Maschine und Heinz Schmidt zeigt seinen Ausweis: „Schauen Sie mal, wo mein Geburtsort ist“, sagt er. „Barcelona“ steht in dem Dokument. Dabei ist der 59-Jährige gar kein Spanier. „Ich stamme aus einer alten Zirkusfamilie“, erzählt er. Bei seiner Geburt gastierte der Zirkus in Barcelona. Bei seinen Söhnen ist das ähnlich: Alle drei sind in unterschiedlichen Städten geboren.

Da, wo „Schmidt's Figurentheater“ gerade einen Auftritt hatte. Jerome erblickte in Bayern das Licht der Welt, sein Bruder Santino in Weimar. Ricardo, der Mittlere, wurde vor 20 Jahren im Görlitzer Klinikum geboren und in Rothenburg getauft. Die Puppenspieler sind Christen.

In ganz Deutschland auf Tour

Ein Leben immer auf dem Sprung, unterwegs in ganz Deutschland mit dem bunten Zelt, dem Kasper und 20 anderen Puppen. Dass die Familie nun einige Zeit in Reichenbach Station machte, hängt mit ihrer Oberlausitz-Tour zusammen. Im Vorjahr war die Puppenbühne zuletzt in Löbau unterwegs gewesen. Da hat Ricardo auch seine Fahrerlaubnis gemacht. „Weil das ja einige Wochen dauert, sind wir gleich in der Nähe zur Fahrschule geblieben“, sagt der Familienvater.

Der 19-Jährige hat es geschafft und darf nun Auto fahren. Das ist wichtig für die Künstler: Schließlich sind sie ständig auf Tour. Als die Jungs noch die Schule besuchten, wechselte das Klassenzimmer von Stadt zu Stadt. Nicht unbedingt einfach und auch Heinz Schmidt räumt ein, dass für Künstler wie sie, das Leben immer schwerer werde. „Es gibt keine Garantie für ein volles Zelt bei unseren Aufführungen“, sagt er.

Ohne Einnahmen jedoch geht es nicht: Krankenkassenbeiträge müssen ebenso bezahlt werden, wie die Kosten für die Fahrzeuge, Strom und Heizung. Was übrig bleibt, muss zum Leben reichen. Nein, wohlhabend mache diese Arbeit keinesfalls. An die künftige Rente möchten Schmidts lieber nicht denken. So weit sei es ja auch noch nicht. „Wir sind aber dankbar, wenn es zum Leben reicht“, sagt Manuela Schmidt und ihr Mann ergänzt: „So ist unser Leben nun mal und wir nehmen die beruflichen Risiken in Kauf.“

Großes Lob von den Behörden

Denn die Arbeit macht der Familie viel Freude – vor allem dann, wenn sie in glückliche Kindergesichter schauen können und es gute Resonanz auf die Aufführungen gibt. Neben dem Küchenschrank steht der blaue Ordner mit Referenzen: Von vielen Aufführungsorten gibt es von den Behörden großes Lob.

So bescheinigt beispielsweise das Liegenschaftsamt Görlitz den Puppenspielern in einem Schreiben vom September 2019: „Man kann schon sagen: „Schmidt's Figurentheater: klein aber fein! Die Vorstellung mit den original Hohnsteiner Handpuppen ist sehenswert.“ Oder „Wir freuen uns, dass ein so wunderbares Familientheater bei uns gastierte“, heißt es in einem Brief vom Messepark Löbau vom Januar dieses Jahres. Zu Recht sind die Schmidts stolz auf die zahlreichen positiven Rückmeldungen.

Die immer wieder neuen Geschichten mit Kasper, Hündchen, Hauptmann und Co. entspringen der eigenen Feder. Aktuell proben die Jungs das neue Programm unter dem Motto „Kasper auf Räuberjagd“. Der Spiegelschrank im Küchenwagen hängt voller Zettel: Da stehen die Texte, die alle auswendig gelernt werden müssen, drauf.

Heinz Schmidt übernimmt nur noch das Hündchen

Früher hat Heinz Schmidt viele der Rollen noch selbst gesprochen. Jetzt übernimmt er nur noch das Hündchen. Die Söhne sind in Vaters Fußstapfen getreten. Das Familienoberhaupt hat sich um die komplette Logistik zu kümmern, die Route und Stellplätze zu organisieren, Genehmigungen von den Behörden einzuholen, die Werbung zu verteilen.

Ein Vollzeit-Job, wie er sagt. Fünf Kinder haben Schmidts großgezogen – alle aufgewachsen in der „Wagenburg“. Die Töchter betreiben mittlerweile ihr eigenes Unternehmen im Schaustellerbereich. „Uns liegt das wohl im Blut“, bekräftigt Jerome Schmidt, der älteste Sohn. Wenn die Gesundheit mitspielt und auch das Publikum gerne kommt, möchten Schmidts noch lange Zeit weitermachen.

Die nächsten Auftritte im beheizten Zelt sind vom 28. Februar bis 1. März in Malschwitz, vom 6. bis 8. März in Niesky am Friesenplatz und vom 20. bis 22. März in Neukirch. Freitag und Sonnabend beginnt das Puppentheater jeweils 16 Uhr und am Sonntag immer um 14 Uhr

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