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6.000 Euro futsch: Mutter leert Klassenkasse

Entsetzen an der Oberschule Reichenbach: Das über Jahre von den Kindern gesammelte Geld für die Abschlussfahrt ist weg - das Vertrauen ebenso.

Von Constanze Junghanß
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Eltern von Schülern einer 10. Klasse an der Oberschule Reichenbach haben reagiert und die Polizei eingeschaltet.
Eltern von Schülern einer 10. Klasse an der Oberschule Reichenbach haben reagiert und die Polizei eingeschaltet. © Constanze Junghanß

Der Vertrauensbruch ist enorm, das Entsetzen groß: Eine hohe Geldsumme aus der Klassenkasse ist weg. Rund 6.000 Euro sind verschwunden. Das Geld soll von der mit der Klassenkasse betrauten Mutter veruntreut worden sein. Eltern sind entsetzt, Schüler traurig.

Jahrelang sparten die Mädchen und Jungen der 10b an der Reichenbacher Oberschule mit ihren Eltern auf ihre Abschlussfahrt nach Hamburg. Für die Reise wurde die Klassenkasse angelegt und ein Konto eingerichtet. Die Fahrt fiel wegen der Corona-Pandemie flach. Damit hatten sich die Jugendlichen bereits abfinden müssen. Das Geld aus der Klassenkasse sollte ausgezahlt werden. Die vierstellige Summe war im Laufe der Zeit durch eisernes Sparen zusammengekommen. Eine hoher Betrag.

Geld ist ausgegeben

"Die Mutter, der wir seit der 5. Klasse die Ersparnisse anvertraut haben, hat die 6.000 Euro unterschlagen", berichtet Torsten Rohne, ein betroffener Vater. Das Geld ist weg. Drei Monate lang sei versucht worden, Kontakt mit der Hüterin der Klassenkasse aufzunehmen. Anfangs sei das noch gelungen, dann nicht mehr. "Sie hat zugegeben, das Geld ausgegeben zu haben", sagt Torsten Rohne. Aus Reichenbach sei die Frau im letzten Jahr weggezogen, ein direkter Kommunikationsweg so nicht mehr möglich gewesen.

Der Vater ist aufgebracht. "Seit der 5. Klasse haben unsere Kinder für die Klassenfahrt Geld gesammelt, Altpapiersammlungen durchgeführt, Selbstgemachtes auf dem Weihnachtsmarkt gegen Spenden abgegeben und Preisgelder von Schülerwettbewerben in die Klassenkasse getan", sagt er. Immer im Bewusstsein, dass das so Ersparte zum Abschluss der Schulzeit den Mädchen und Jungen zugutekommt. Nun ist alles futsch, das Geld nicht mehr greifbar. Was die Frau damit gemacht hat, bleibt ungewiss. War sie in einer finanziellen Notlage, hat sie das Geld für privaten Konsum ausgegeben? Antworten darauf gibt es bisher nicht. Am Donnerstag erreichte die SZ die Frau für eine Stellungsnahme telefonisch bis 14 Uhr nicht. Sie ging nicht an ihr Handy.

In 41 Jahren als Lehrerin nicht erlebt

"Wir haben ihr vertraut", sagt die Klassenlehrerin, die anonym bleiben möchte. 41 Jahre unterrichtet sie Kinder, hat sogar ihren Ruhestand um ein Jahr verschoben, um ihre 10. Klasse zum Abschluss zu führen. "So etwas gab es noch nie in meiner ganzen Berufszeit", sagt sie. 25 Schüler und ihre Eltern sind betroffen. Das Geld sei auf ein Einzelkonto gegangen, das die Kassenwartin verwaltete und auf das sie Zugriff hatte.

Die Lehrerin bekam von der Beschuldigten nur einen Anruf, wo diese sich für ihr Verhalten wortreich entschuldigt und die Unterschlagung zugegeben habe. Annehmen kann die Klassenleiterin die Entschuldigung nicht, zumal alle weiteren Kontaktversuche fehlschlugen. Die Lehrerin versuchte mehrfach, wie sie sagt, die Frau telefonisch zu erreichen – auch um zu hinterfragen, ob und wie sie die 6.000 Euro an die Schüler zurückzahlen will. Ohne Erfolg. Die Telefonate seien weggedrückt worden.

Die Eltern haben letztlich reagiert. Sie zeigten den Vorfall der Polizei in Görlitz am Mittwoch an. Das bestätigt Polizeisprecherin Katharina Korch gegenüber der SZ. "Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts der Untreue", sagt sie. Bürgermeisterin Carina Dittrich zeigt sich geschockt, als sie von der Sache durch die SZ erfährt. Das ist ein großer Vertrauensmissbrauch", sagt sie.

Schulkonto im Gespräch

Für Schulleiterin Karin Schnaubelt ist das keine leichte Situation. "Wir überlegen, in Zukunft ein Schulkonto einzurichten“, sagt sie. Das sei schon mehrfach im Gespräch gewesen, bisher aber in Reichenbach nicht umgesetzt worden. Ein solches Schulkonto bietet ein Stück weit mehr Sicherheit, wie Jens Drummer, Pressebauftragter des Landesamtes für Schule und Bildung (Lasub) in Bautzen weiß. "Viele Schulen haben ein solches Konto mittlerweile", sagt er. "Ein neues Gesetz seit 1,5 Jahren macht das möglich." Beim Sächsischen Kultusministerium heißt es dazu: "Das Schulkonto bietet einen geringeren Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte und schafft mehr Sicherheit, denn es erhöht den Schutz vor Diebstahl und Veruntreuung." Verpflichtet sind die Schulen zur Konteneinrichtung aber nicht. 

Bisher sind dem Lasub – zuständig für die Landkreise Görlitz und Bautzen – keine weiteren ähnlichen Fälle wie in Reichenbach bekannt. Um möglicherweise an das Geld heranzukommen, müssten Eltern den privatrechtlichen Weg wählen. Der Schulbehörde selbst und auch der Schule sind die Hände gebunden.

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