SZ + Weißwasser
Merken

Pappe satt

30 Jahre nach dem Ende der DDR sind die Ost-Mobile in der Region nicht totzukriegen – vor allem eine Marke nicht.

Von Matthias Klaus
 3 Min.
Teilen
Folgen
Jürgen Walter in Markersdorf mit seinem Trabant: Der Markersdorfer hat das Fahrzeug neu aufgebaut, fährt damit immer wieder mal zu Trabi-Treffen.
Jürgen Walter in Markersdorf mit seinem Trabant: Der Markersdorfer hat das Fahrzeug neu aufgebaut, fährt damit immer wieder mal zu Trabi-Treffen. ©  SZ-Archiv/Pawel Sosnowski

Zwickau ist immer noch drin. Wenn das Trabant-Treffen ruft, macht sich Jürgen Walter mit seinem Gefährt auf den Weg. Weiter weg sollte es dann aber nicht unbedingt gehen. „Eigentlich besuche ich mehr die regionalen Treffen“, sagt der Markersdorfer. Jürgen Walter fährt ein dunkelblaues Trabant-Cabrio. Ein Hingucker. Der Trabi ist mit einem Umbausatz der Firma Ostermann aus Osnabrück ausgestattet.

Über zehn Jahre lang hatte Jürgen Walter eine Autowerkstatt in Markersdorf. Inzwischen gab er den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen auf. Aber privat bastelt er weiter an Oldtimern. Ein paar Trabis hat er noch auf Halde stehen. „Wenn ich mal viel Zeit habe, kümmere ich mich um sie“, schmunzelt er. Der Trabant, eine Lebenseinstellung? Vielleicht. Fest steht: Die Pappe lebt. Ende 2018 waren im Landkreis Görlitz 742 Trabis zugelassen, Ende 2019 sogar 760. Deutschlandweit waren im vergangenen Jahr 36 000 Exemplare auf den Straßen unterwegs und damit etwa 1.000 mehr als 2018. Die meisten davon rollen auf sächsischen Pisten. Kein PKW mit Zweitaktmotor wurde länger als der Trabant gebaut. Große Stückzahlen erreichte von 1964 bis 1991 insbesondere der Trabant P 601. Insgesamt wurden drei Millionen Trabis in Zwickau gebaut.

Volkspolizei, Made in UdSSR: Der Moskwitsch wurde unter anderem von den Ordnungshütern in der DDR eingesetzt. Ende 2019 war noch ein Exemplar des Sowjet-Exportes im Landkreis Görlitz zugelassen, genau wie im Jahr zuvor. Bereits 1947 liefen in Moskau die ersten Exemplare des Moskwitsch-400 vom Band. Der Export begann erst 1950 mit der Lieferung des Moskwitsch-400 nach Finnland.
Volkspolizei, Made in UdSSR: Der Moskwitsch wurde unter anderem von den Ordnungshütern in der DDR eingesetzt. Ende 2019 war noch ein Exemplar des Sowjet-Exportes im Landkreis Görlitz zugelassen, genau wie im Jahr zuvor. Bereits 1947 liefen in Moskau die ersten Exemplare des Moskwitsch-400 vom Band. Der Export begann erst 1950 mit der Lieferung des Moskwitsch-400 nach Finnland. © SZ-Archiv
Der Barkas wurde in der DDR auch als Sonderfahrzeug eingesetzt, wie hier beim Rettungsdienst. Außerdem nutzte ihn auch die Feuerwehr gern. Ihre Zahl im Landkreis Görlitz ist innerhalb eines Jahres ganz leicht gesunken. 2018 waren noch 67 Barkas zugelassen, im vergangenen Jahr 65. Der Barkas B 1000 wurde von 1961 bis 1990 im VEB Barkas-Werke in Karl-Marx-Stadt hergestellt.
Der Barkas wurde in der DDR auch als Sonderfahrzeug eingesetzt, wie hier beim Rettungsdienst. Außerdem nutzte ihn auch die Feuerwehr gern. Ihre Zahl im Landkreis Görlitz ist innerhalb eines Jahres ganz leicht gesunken. 2018 waren noch 67 Barkas zugelassen, im vergangenen Jahr 65. Der Barkas B 1000 wurde von 1961 bis 1990 im VEB Barkas-Werke in Karl-Marx-Stadt hergestellt. © SZ-Archiv
In dieser 1972 gebauten Tatra-Limousine wurde einst der Rektor der Technischen Universität Dresden chauffiert. Vier Tatras waren Ende 2019 im Landkreis zumindest noch zugelassen, ebenso viele wie im Jahr zuvor. Mit dem Tatra 700 kam 1996 der letzte Pkw der Tschechen auf den Markt, der letzte lief 1999 vom Band. Seither werden bei Tatra nur noch Laster hergestellt.
In dieser 1972 gebauten Tatra-Limousine wurde einst der Rektor der Technischen Universität Dresden chauffiert. Vier Tatras waren Ende 2019 im Landkreis zumindest noch zugelassen, ebenso viele wie im Jahr zuvor. Mit dem Tatra 700 kam 1996 der letzte Pkw der Tschechen auf den Markt, der letzte lief 1999 vom Band. Seither werden bei Tatra nur noch Laster hergestellt. © SZ-Archiv
Ganz, ganz böse Zungen verspotteten dieses formschöne Mobil auch schon mal als „Kremlwanze“. Dabei kam das Auto doch aus der Ukraine. Gut, etwas laut war und ist der Motor eines Saporoshez zugegebenermaßen schon. Fünf Stück davon waren Ende 2019 im Kreis zugelassen, 2018 waren es noch sieben. Der Sapo wurde von 1960 bis 1994 hergestellt.
Ganz, ganz böse Zungen verspotteten dieses formschöne Mobil auch schon mal als „Kremlwanze“. Dabei kam das Auto doch aus der Ukraine. Gut, etwas laut war und ist der Motor eines Saporoshez zugegebenermaßen schon. Fünf Stück davon waren Ende 2019 im Kreis zugelassen, 2018 waren es noch sieben. Der Sapo wurde von 1960 bis 1994 hergestellt. © SZ-Archiv
Der Wartburg ist nach dem Trabant das zweitbeliebteste Ost-Mobil im Landkreis Görlitz. 142 Fahrzeuge waren 2019 hier zugelassen, ebenso viele wie im Jahr zuvor. Insgesamt gibt es im Landkreis übrigens rund 1.100 Oldtimer unter über 200.000 Fahrzeugen. Von 1956 bis zum 10. April 1991 wurde der Wartburg vom VEB Automobilwerk Eisenach hergestellt. 1,6 Millionen der Fahrzeuge wurden produziert.
Der Wartburg ist nach dem Trabant das zweitbeliebteste Ost-Mobil im Landkreis Görlitz. 142 Fahrzeuge waren 2019 hier zugelassen, ebenso viele wie im Jahr zuvor. Insgesamt gibt es im Landkreis übrigens rund 1.100 Oldtimer unter über 200.000 Fahrzeugen. Von 1956 bis zum 10. April 1991 wurde der Wartburg vom VEB Automobilwerk Eisenach hergestellt. 1,6 Millionen der Fahrzeuge wurden produziert. © SZ-Archiv
Die Marke Wolga überlebte immerhin bis ins Jahr 2010. Die Fahrzeuge, die auf den Straßen im Landkreis zugelassen sind, dürften etwas älter sein. 65 Wolgas waren 2018 hier zugelassen, im vergangenen Jahr 58. Der Wolga wurde vom Gorkier Automobilwerk hergestellt. 2008 startete die Produktion des Wolga Siber, entwickelt aus dem Crysler Sebrig, allerdings ohne Erfolg.
Die Marke Wolga überlebte immerhin bis ins Jahr 2010. Die Fahrzeuge, die auf den Straßen im Landkreis zugelassen sind, dürften etwas älter sein. 65 Wolgas waren 2018 hier zugelassen, im vergangenen Jahr 58. Der Wolga wurde vom Gorkier Automobilwerk hergestellt. 2008 startete die Produktion des Wolga Siber, entwickelt aus dem Crysler Sebrig, allerdings ohne Erfolg. © SZ-Archiv

Kurz nach den gesellschaftlichen Veränderungen nach 1989 von den DDR-Bürgern eher geschmäht, für kleines Geld verkauft, verschenkt oder gar entsorgt, erlebt der Trabant heute eine kleine Renaissance. Was den prozentualen Zuwachs angeht, hatte der Trabant 2019 sogar ein größeres Plus als Volkswagen. Offensichtlich werden demnach viele Trabis restauriert und wieder in den Verkehr gebracht.

Trabant, das ist inzwischen auch ein Stück Erlebnistourismus. Man kann die Fahrzeuge leihen, es gibt Trabi-Safaris, Rundfahrten übers Land und durch Städte, unzählige Treffen und, und, und. Und eben Leute wie Jürgen Walter, die sie erhalten und daran schrauben. Es sei die einfache, alte Technik, die ihn reize, sagt er. „Da kann fast jeder was dran machen“, so Jürgen Walter. Außerdem: Trabant, das bedeutet für ihn auch ein Stück Kindheitserinnerung.

Dabei kann so ein (Neu-)Aufbau durchaus Tücken haben, weiß der Experte. Abzuschätzen, was eine Vollrestaurierung am Ende für einen zeitlichen und finanziellen Aufwand mit sich bringt, sei sehr schwierig. Was unter dem Duroplast steckt, sieht man eben erst, wenn das gute Stück zerlegt ist. Auch bei der Pappe spielt der Rost, etwa an den Schwellern eine Rolle. Manche Teile sind so verschlissen, dass sie neu angefertigt werden müssen. „Mancher Trabi-Freund streicht dann die Segel“, sagt Jürgen Walter. Und nur halben Herzens mit der Restaurierung zu beginnen, bringe auch nichts.

Trotz allem, missen möchte Jürgen Walter das Trabant-Gefühl keinesfalls. Um den Nachschub an Ersatzteilen macht er sich keine Sorgen. Der Markt ist groß. „Wer noch an die Original-Ersatzteile aus DDR-Zeiten kommt, hat den Hauptgewinn. Die halten einfach länger“, schildert Jürgen Walter. Inzwischen gibt es aber auch Firmen, beispielsweise in Ungarn, die sich auf den Nachbau konzentriert haben.