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Plötzlich ist der Pass da

Der Asylantrag eines Inders wird abgelehnt. Ohne Papiere kann er jahrelang nicht abgeschoben werden. Dann will er heiraten.

Von Jürgen Müller
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Stempel im Reisepass eines abgelehnten Asylbewerbers aus Albanien. Einen solchen Stempel hätte auch der Inder bekommen. Doch er hatte angeblich keinen Pass. Bis zu dem Tag, an dem er heiraten wollte.
Stempel im Reisepass eines abgelehnten Asylbewerbers aus Albanien. Einen solchen Stempel hätte auch der Inder bekommen. Doch er hatte angeblich keinen Pass. Bis zu dem Tag, an dem er heiraten wollte. ©  Daniel Förster

2011 ist der heute 40-jährige Inder illegal nach Deutschland eingereist. Er stellt einen Antrag auf Asyl, gibt Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Adresse an. Sein Asylantrag wird kurz darauf abgelehnt. Er müsste Deutschland verlassen, doch es gibt ein Abschiebehindernis. Er besitzt nach eigenen Angaben keinen Pass. So wird er geduldet, diese Duldung wird elfmal jeweils um ein halbes Jahr verlängert. Ersatzdokumente in seinem Heimatland zu besorgen, gelingt nicht oder wird gar nicht erst versucht.

Dann aber die große Wende. Im September 2017 will der Mann heiraten. Und, oh Wunder, plötzlich besitzt der Inder doch ein Reisdokument. Aber nicht nur das. Es stellt sich heraus, dass alle Angaben, die er vor der Ausländerbehörde gemacht hat, falsch waren. Weder der Name, noch das Geburtsdatum noch der Geburtsort, noch die Adresse stimmen überein. Er hat sich durch die falschen Angaben über Jahre einen Aufenthaltstitel und eine Duldung in Deutschland erschlichen. Deshalb sitzt er nun vor Gericht.

„Sein Asylantrag wurde sofort abgelehnt, von da an war er ausreisepflichtig. Hätte er einen Pass vorgelegt, wäre er sofort abgeschoben worden,“ sagt die Mitarbeiterin der Dresdner Ausländerbehörde vor Gericht. Das weiß der Mann natürlich ganz genau. Und er weiß auch, dass die Anerkennungsquote von Indern auf Asyl in Deutschland äußerst gering ist. So wurden im vergangenen Jahr von 832 Asylanträgen nur elf positiv entschieden, was einer Anerkennungsquote von gerade mal 1,5 Prozent entspricht.

Er habe den Pass seit seiner Einreise nicht bei sich gehabt, sagt der Angeklagte. Den habe sein Schlepper behalten, er habe sehr viel Geld von ihm verlangt, damit er ihn zurückbekomme. Wieso er den Pass plötzlich wieder besaß, als er heiraten wollte, erklärt der Mann nicht, sagt nur, der Schlepper habe das Dokument nach Haus zu seiner Familie geschickt. Die habe ihm den Pass nach Deutschland gesendet. 

Selbst wenn das stimmen sollte, bleibt die Frage, wieso er bei der Ausländerbehörde falsche Angaben gemacht hatte. Doch diese Frage wird gar nicht gestellt, auch die nicht, welchen Asylgrund er eigentlich hatte. Dann fliegt der Mann plötzlich zurück nach Indien, weil er dort einiges zu erledigen hatte, wie er sagt. Vielleicht war auch ein Grund, dass in Deutschland eine Gerichtsverhandlung anstand? Jedenfalls wird er nach der Rückkehr am Hauptbahnhof in Dresden von der Polizei gefasst.

Der Mann, der keinen Beruf hat und nach eigenen Angaben in einem Dönerladen arbeitet, entschuldigt sich, er habe einen „Fehler“ gemacht, es tue ihm leid. Inzwischen ist er mit einer Deutschen verheiratet, hatte eine Duldung bis zum 28. September dieses Jahres. Die Ausländerbehörde des Landkreises Meißen hat ihm nun für drei weitere Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung bis August 2022 erteilt.

Das Strafmaß beträgt eine Geldstrafe bis zu einem Jahr Haft pro Tat, sagt Staatsanwältin Claudia Jentzsch. Sie hält eine Geldstrafe von 2.400 Euro für angemessen. Das sieht Richter Andreas Poth ganz anders. Zwar spricht er den Inder schuldig, gibt ihm aber nur eine Verwarnung. Die Geldstrafe von 1.200 Euro, die er verhängt, wird auf ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt. Der Mann habe einmal falsche Angaben gemacht und diese dann zwangsläufig immer wiederholt. „Dann sind Sie aus der Nummer nicht mehr rausgekommen“, so der Richter. Die Ursprungsstraftat, die illegale Einreise, sei inzwischen verjährt.