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Rentnern falsche Fuffziger angedreht

Wegen Geldfälschung sitzt ein Meißner seit Mittwoch vor dem Landgericht Dresden. Er hat eine Menge auf dem Kerbholz.

Von Jürgen Müller
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Einen gefälschten 50-Euro-Schein untersucht ein Falschgeldexperte. Die Geldscheine, die ein Meißner in Umlauf gebracht haben soll, waren auf primitivste Weise hergestellt: auf einem Tintenstrahldrucker.
Einen gefälschten 50-Euro-Schein untersucht ein Falschgeldexperte. Die Geldscheine, die ein Meißner in Umlauf gebracht haben soll, waren auf primitivste Weise hergestellt: auf einem Tintenstrahldrucker. © Jens Büttner/dpa

Meißen/Dresden. Mühsam bahnt sich der 82-jährige Meißner mit Gehstock den kurzen Weg zum Zeugenstuhl. Der Senior muss am Mittwoch am Landgericht Dresden aussagen. Er wurde wie so viele betrogen. Der mutmaßliche Betrüger, ein 35-jähriger Meißner, sitzt ihm nun gegenüber. Der zeigt keine Regung.

Der Rentner will Ende Mai vorigen Jahres mit dem Zug nach Dresden fahren. Der Mann hat kurze Elle, denn es ist nur wenig Zeit zum Umsteigen vom Bus in den Zug. Am Haltepunkt Meißen-Altstadt spricht ihn ein Mann Mitte 30 an. Der Fahrkartenautomat nehme keine 50-Euro-Scheine, ob er so freundlich sein könnte, ihm einen solchen Schein zu wechseln. 

„Ich wusste, dass der Automat eine Macke hatte, habe das getan“, sagt der Rentner. Danach fährt er weiter nach Dresden. Am Hauptbahnhof will er Lotto spielen, bezahlt mit dem 50-Euro-Schein, den er von dem Mann erhalten hatte. Doch die Verkäuferin sieht es sofort: „Das ist ein falscher Fuffziger.“ 

Er habe noch Glück gehabt, dass ihn die Verkäuferin nicht angezeigt habe. Der Mann geht selbst zur Polizei, macht eine Anzeige gegen unbekannt. Er macht sich Vorwürfe. „Ich hatte wenig Zeit, habe mir den Schein nicht genau angesehen. Man rechnet ja nicht mit so etwas“, sagt er entschuldigend. 

Seit 60 Jahren sei er bei der Feuerwehr und helfe anderen Menschen. Das habe er auch diesmal getan. „Ich würde es wieder machen, dann aber genau hinsehen“, sagt der Zeuge.

Auch ein Rentnerehepaar aus Dresden fällt auf den Betrüger herein. Der hatte die 81 und 82 Jahre alten Eheleute in einem Parkhaus angesprochen. Auch sie wechseln ihm einen Schein, gehen danach in eine Drogerie einkaufen. 

Auch hier erkennt die Verkäuferin das Falschgeld sofort, ruft die Polizei. Für die Rentner beginnt eine peinliche Prozedur. Später müssen sie noch Speichelproben abgeben, und es werden ihnen Fingerabdrücke abgenommen.

Falschgeld unter die Leute zu bringen, es zu wechseln und damit zu „waschen“, ist offenbar eine neue Methode des schwer Drogenabhängigen aus Meißen. Erst im vorigen Jahr wurde er in Meißen zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung wegen einer ganzen Reihe von Einbrüchen, Diebstählen und Betrügereien verurteilt.

 Das Amtsgericht Dresden stockte die Strafe vier Tage vor Weihnachten wegen weiterer ähnlicher Taten auf drei Jahre und sechs Monate auf. Das Urteil ist seit Mittwoch rechtskräftig, weil er die Berufung zurücknahm. Seit 21. August vorigen Jahres sitzt er im Gefängnis.

Für seine Betrügereien mit Falschgeld sucht er sich laut Anklage vor allem betagte Leute aus, so einen 77-jährigen Meißner, der ihm ebenfalls 50 Euro wechselt. Erst dessen Enkel bemerkt später, dass es Falschgeld ist. Aber auch eine Domführerin in Meißen fällt auf den Betrüger rein, ebenso eine junge Frau. 

Als die den erworbenen Schein bei der Commerzbank einzahlen will, fällt sie aus allen Wolken. Auch der Angeklagte selbst bezahlt mit Falschgeld. Beispielsweise in einer Niederauer Bäckerei, wo das nicht auffällt. Erst die Bank bemerkt den Schwindel. 

In Meißen soll er auch mit einem falschen Fuffziger eine Flasche Rotwein bezahlt haben. Erst als er den Laden verlassen hat, bemerkt die Verkäuferin, dass er mit einer „Blüte“ zahlte.

Die falschen Geldscheine wurden auf primitive Weise mit einem Tintenstrahldrucker hergestellt. Ob dies der Angeklagte selbst tat oder ob es Mittäter gibt, ist nicht klar. Zu den vorgeworfenen Taten will sich der Meißner nicht äußern, lediglich zu seiner Drogenproblematik. 

Nach eigenen Angaben nimmt er seit seinem zehnten Lebensjahr Rauschgift. Er habe alles genommen, was zu kriegen war, sei dann aber bei Crystal hängengeblieben. „Es ist meine Erfüllung“, sagt er. Zur Erfüllung nimmt er 0,5 bis zwei Gramm - pro Tag, sagt der Mann, der neun Klassen der Förderschule besuchte und zwei Ausbildungen anfing, aber beide hinschmiss. Hingeschmissen hat er nach zwei Monaten auch eine Drogentherapie, besser gesagt, er wurde rausgeschmissen.

Der Angeklagte stammt aus einer ordentlichen Familie. Seine Eltern kümmerten sich um ihn, doch genau das hat ihn gestört. Schon als Kind schwänzt er die Schule, nimmt Drogen, ist nachts verschwunden. 

„Die Liebe und Fürsorge meiner Eltern hat mich erdrückt. Ich wollte allein auf die Schnauze fliegen“, sagt er. Das ist ihm gründlich gelungen. 23 Mal wurde er bisher verurteilt, saß mehrfach im Gefängnis. Das Landgericht hat vorerst vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für den 7. Juni erwartet.