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Streit in der Görlitzer AfD findet kein Ende

Das Postengeschacher geht weiter. Zersetzung, psychischer Druck, Machenschaften – die Vorwürfe im Machtkampf wiegen schwer.

Von Sebastian Beutler
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Da einte sie die Freude über den Sieg: Tino Chrupalla (li.) und Sylvia Littke-Hennersdorf (re.).
Da einte sie die Freude über den Sieg: Tino Chrupalla (li.) und Sylvia Littke-Hennersdorf (re.). © Sosnowski

An diesem Sonnabend versucht die Görlitzer AfD zum zweiten Mal, Direktkandidaten für die Landtagswahl im September aufzustellen. Mitte Januar wählten 93 der 220 Mitglieder an der Neiße vier Kandidaten in Niesky, an einem Sonntag, über zehn Stunden lang. Doch das Ergebnis wurde am Tag danach vom Kreisvorstand wegen Formfehlern kassiert. Seitdem kommt die AfD nicht zur Ruhe, gegenseitige Vorwürfe der Manipulation und des Drucks reißen nicht ab. Der Spruch „Feind, Todfeind, Parteifreund“ ist mittlerweile auch unter AfD-Mitgliedern verbreitet.

Nun steht die langjährige AfD-Mitarbeiterin Sylvia Littke-Hennersdorf im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Sie hat beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende in Markneukirchen versucht, gegen den eigenen Kreisverband einen Listenplatz zu gewinnen und sich dafür mit einer Rede beworben, die ihr von den Görlitzer AfD-Delegierten schwer übel genommen wird. Littke-Hennersdorf, die einst in der CDU Mitglied und im Vorstand des Fördervereins Kulturstadt Görlitz/Zgorzelec sowie bei der Kulturhauptstadtbewerbung aktiv war, leitet für Bundestagsabgeordneten und AfD-Kreisvorsitzenden Tino Chrupalla ein Wahlkreisbüro und organisierte nach eigenen Angaben dessen Wahlkampf.

Nun kritisierte sie in Markneukirchen, was auch schon zuvor Zittauer Mitglieder moniert hatten und Chrupalla immer dementierte: Eine Gruppe von etwa fünf Personen arbeite seit Sommer 2018 an dem Ziel, an die Landtagsmandate zu kommen. Sie nennt den Weißwasseraner Robert Kuhnert, den Schöpstaler Hajo Exner und den Weißkeißeler Jens Oberhoffner. Ihnen wird auch eine Nähe zur extremen Rechte vorgeworfen. Dafür würden die „Realpolitiker der Anfangsjahre zur Seite“ gedrängt, „um dann später alles wegzuputzen, was sich auch nur in Ansätzen kritisch dagegen stellt.“ In Görlitz richten sich diese Angriffe vor allem gegen die Zittauer Landtagsabgeordnete Silke Grimm und den Fraktionschef im Kreistag, Hans-Gerd Hübner. Ähnliche Vorgänge laufen nach den Worten von Frau Littke-Hennersdorf auch in anderen sächsischen Verbänden. Das habe ihrer Ansicht nach nichts mit dem „völlig legitimen Wettbewerb um die besten Köpfe“ zu tun. Verteidiger von Chrupalla sagen hingegen, Frau Grimm und Herr Hübner seien bei der Basis nicht mehr beliebt.

Deren Gegner, so Frau Littke-Hennersdorf, würden nicht davor zurückschrecken, psychischen und physischen Druck gegen Andersdenkende in der AfD auszuüben. Sie wirft ihnen „Zersetzungsversuche“ vor, „Machenschaften“ und „Unterwanderung“. Sylvia Littke-Hennersdorf selbst scheiterte mit einem Listenplatz, wurde von den anderen Mitgliedern anschließend geschnitten, soll jetzt auch vor der Kündigung durch Chrupalla stehen. Der hatte in einem Interview mit der „Lausitzer Rundschau“ jegliche Flügelbildung in der Görlitzer AfD dementiert, zugleich aber jede Aussage zu seiner Aufforderung verweigert, schwarze Listen von Journalisten anzulegen.

Das Postengeschacher könnte am Sonnabend aber auch für den Görlitzer OB-Wahlkampf interessant werden. Hajo Exner, Chef der Görlitzer Regionalgruppe, will sich nach SZ-Informationen um eine Direktkandidatur bewerben. Möglicherweise sogar in Görlitz, wahrscheinlich aber in Löbau. AfD-Kreischef Tino Chrupalla deutete eine solche Entwicklung auf Facebook an, als er auf die Frage eines Anhängers, warum denn Roberto Kuhnert und Hajo Exner nicht auf der Liste der AfD erscheinen, schrieb: „Sie ziehen direkt ein“. Als wäre die Wahl bereits gelaufen. Nach letzten Informationen erwägt auch AfD-Chef Tino Chrupalla bei der Landtagswahl in Görlitz direkt gegen CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer anzutreten.

Eigentlich wollte das Sebastian Wippel, der noch im Januar für den Görlitzer Wahlkreis kandidierte und sich gegen Martin Poplawski durchsetzte. Wippel könnte wegen seiner Görlitzer OB-Kandidatur verzichten. Er will sich dazu aber erst nach der Mitgliederversammlung am Sonnabend erklären, teilte er der SZ mit. Grund könnten Terminprobleme sein. Der zweite OB-Wahlgang findet erst am 16. Juni statt. Sollte er als OB gewählt werden, würde es der AfD schwerfallen, den Direktkandidaten in der vorgeschriebenen Frist noch auszutauschen. Sollte die OB-Wahl aber schiefgehen, hat sich Wippel gut abgesichert: Er steht auf Platz 5 der Landesliste, der Wiedereinzug ins Landesparlament ist sicher.

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