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Ruinen, Plünderungen und nichts zu essen

Löbaus Rückkehr zum normalen Leben im Mai 1945 gestaltete sich sehr schwierig.

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Bekanntmachung vom 23. Mai 1945. Der Bürgermeister mahnte zu Ruhe, Ordnung und Disziplin, um normale Zustände herbeizuführen.
Bekanntmachung vom 23. Mai 1945. Der Bürgermeister mahnte zu Ruhe, Ordnung und Disziplin, um normale Zustände herbeizuführen. ©  Repro: SZ

Löbau Mitte Mai 1945. Die Stadt war gezeichnet von der Sinnlosigkeit des Krieges. In allerletzter Minute hatten die Nazis sämtliche bedeutende Brücken der Stadt geprengt, darunter die Seltenreintalbrücke (heute Brücke der Jugend), die Weißenberger Brücke, den Eisenbahnviadukt unweit des Bahnhofs und die Eisenbahnbrücke AltLöbau. Die Sprengung der Seltenreintalbrücke hatte auch zu schweren bzw. mittelschweren Schäden an der Heilig-Geist-Kirche und am Stadtkrankenhaus geführt. Die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser war stark beeinträchtigt. 26 Wohngebäude und 14 Produktionsstätten waren total zerstört.

Um das öffentliche Leben wieder in Gang zu bekommen, traf sich am 11. Mai die sowjetische Militärkommandantur mit Löbauer Antifaschisten. Der Kommandant setzte den parteilosen Lehrer Dr. Bobeth als Bürgermeister ein und berief Verantwortliche für Ernährung, Handel und Gewerbe, für Industrie, Gesundheitswesen, Finanzen und Sozialwesen. Zunächst wurde versucht, das Kraftwerk der Firma Römer am Mühlweg (später Lautex, heute Messepark) wieder in Betrieb zu nehmen.

Am 13. Mai, einem Sonntag, speiste es den ersten Strom ins Stadtnetz ein, später stabilisierte sich die Energieversorgung mit der Zuschaltung des Kraftwerkes Hirschfelde weiter. Am 18. Mai begann das Stadtkrankenhaus (heute Awo) mit einem Notbetrieb. Dort fehlte es an Instrumenten, Verbandsmaterial und Wäsche, da sie gestohlen bzw. geplündert worden war.

Was die Lebensmittelbereitstellung betraf, so hatten bereits am 10. Mai zwei Bäcker wieder mit dem Brotbacken begonnen, ein dritter hatte seinen Ofen gar nicht kalt werden lassen. Mit Hilfe der Roten Armee wurde eine Volksküche eingerichtet, die täglich Mittagessen an die Einwohner ausgab. Einheimische Frauen und Mädchen, die im russischen Feldlazarett an der Pestalozzistraße tätig waren, wurden mit Lebensmitteln bezahlt.

In einer „1. Bekanntmachung“ forderte der Bürgermeister am 23. Mai die Bevölkerung zur sofortigen Arbeitsaufnahme, zur Bewahrung von Ruhe, Ordnung und Disziplin und zur Rückgabe geraubter Gegenstände wie Möbel, Kleidung, Lebensmittel und Vieh „ganz energisch einmalig auf“. Einen Tag später ordnete der Stadtrat die „Arbeitspflicht aller männlichen Personen vom 14. bis 55. und aller weiblichen Personen vom 14. bis 45. Lebensjahr“ an.

Die Bewältigung der Flüchtlingsströme stellte die Löbauer Verantwortlichen vor große Herausforderungen. So hatten am 23. Mai über 100 Flüchtlinge im Gasthaus „Jägerhof“ an der Bahnhofstraße und danach in Kerns Restaurant an der Schulgasse übernachtet. Ab 26. Mai wurde die Preuskerschule (heute technisches Rathaus) zum Domizil von täglich 800 bis 1.200 vorwiegend schlesischen Umsiedlern, denen hier 24 Stunden Aufenthalt gewährt wurde.

Abenteuerlich waren die ersten Versuche, die Postbeförderung wiederzubeleben. Anfangs wurden nur Briefe zugestellt. Dazu lief aller zwei Tage ein Postmitarbeiter von Löbau nach Hochkirch. Dort traf er sich mit einem Kollegen aus Bautzen, um Sendungen auszutauschen. Weitere Löbauer Postübergabeorte waren Reichenbach in Richtung Görlitz und Herrnhut in Richtung Zittau. (dD)

Quelle: „Chronik der Stadt Löbau 1945-1949“ vonDr. Egon Storch, erschienen 1985

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