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So kommen 6.600 Erntehelfer auf Sachsens Felder

Noch herrscht am Flughafen Leipzig die Ruhe vor dem Ansturm. Anderswo sind bereits Hunderte Rumänen gelandet.

Von Michael Rothe
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Willkommen in Düsseldorf. Großstadtfeeling werden die Rumänen, die am Donnerstag mit einer der ersten Maschinen am Rhein landeten, nicht erleben. Für sie geht es zunächst zwei Wochen in betriebliche Quarantäne und aufs Feld.
Willkommen in Düsseldorf. Großstadtfeeling werden die Rumänen, die am Donnerstag mit einer der ersten Maschinen am Rhein landeten, nicht erleben. Für sie geht es zunächst zwei Wochen in betriebliche Quarantäne und aufs Feld. © dpa/Fabian Strauch

Aufatmen bei Deutschlands Obst- und Gemüsebauern. Am Donnerstag sind die ersten Erntehelfer aus Rumänien mit Chartermaschinen in Berlin-Schönefeld, Düsseldorf und Hamburg gelandet – trotz Corona-Krise. Auf der Liste der Landeplätze des Bundesinnenministeriums für solche Transporte stehen sieben der insgesamt 22 internationalen Verkehrsflughäfen, darunter Leipzig-Halle, nicht aber Dresden.

Der Deutsche Bauernverband hatte zu Wochenbeginn eine Website freigeschaltet, auf der interessierte Betriebe ihre einfliegenden Saisonkräfte aus Südosteuropa anmelden müssen. Diese Daten werden an die Bundespolizei weitergeleitet.

Sachsens Landesbauernverband (SLB) hofft auf 4.056 einfliegende Helfer – auch aus Bulgarien und Ungarn, dazu 2.430 Polen und 145 Tschechen, die per Auto einreisen. Die Zahlen seien über die Jahre stabil, statistisch belegt und deshalb so genau, sagt SLB-Chef Manfred Uhlemann.

Die Unternehmen melden den Bedarf an Sitzplätzen via Internet sowie den gewünschen Abflugs- und Ankunftsort, heißt es von Eurowings. Die Lufthansa-Tochter ist neben den zurzeit wegen Corona verhinderten Ferienfliegern SunExpress, Tuifly, Thomas Cook und dem Dienstleister Pro Sky ein Hauptakteur der Luftbrücke.

Vor gut einer Woche hatte die Bundesregierung angekündigt, dass im April und im Mai je 40.000 osteuropäische Saisonkräfte einreisen dürfen – in Gruppen und per Flugzeug. Vorher waren schon 20.000 der jährlich 300.000 ausländischen Erntehelfer im Land. Rumänien hat Saisonarbeitern per Sondergenehmigung die Ausreise per Flugzeug erlaubt. Eigentlich sind auch dort die Grenzen dicht und Flüge in Corona-Risikogebiete verboten.

Die Maschine aus Sibiu setzt auf. Die Insassen müssen zuerst zum Gesundheitscheck – wie an allen sieben Landeplätzen der Aktion in Deutschland.
Die Maschine aus Sibiu setzt auf. Die Insassen müssen zuerst zum Gesundheitscheck – wie an allen sieben Landeplätzen der Aktion in Deutschland. © Uli Deck/dpa

Die Nachfrage nach Erntehelfern ist gewaltig. In den ersten Apriltagen habe es über 700 Anfragen nach ganz Deutschland gegeben, sagt Armin Truger, Vorstand der Pro Sky AG. „Derzeit kontaktieren uns vor allem Landwirte, die Helfer brauchen, um ihre Spargel- und Erdbeeren-Ernte zu sichern. Wir stehen aber auch schon im Austausch für die Salat- und Hopfenernte.“

Trugers Unternehmen organisiert eigentlich und in Kooperation mit Airlines weltweit Programme für Veranstaltungen großer Unternehmen und zu Sport-Events. Pro Sky mit Sitz in Köln und Büros in Paris, Zürich und Sao Paulo bietet Linien- und Charterflüge an, aber auch Reisen per Privatjet und Helikopter. Der Dienstleister hat Erfahrung mit kurzfristigen Gruppentransporten. Abschiebeflüge für Flüchtlinge gehören, trotz wiederholter Anfragen, nicht dazu. „Wir wollen mit solchen Flügen kein Geschäft machen, denn Abschiebeflüge sind konträr zu den Werten von Pro Sky“, so der Manager. „Fliegen sollte Menschen verbinden, niemals trennen.“

Zum Start der Luftbrücke herrschte an den Abflugorten teilweise Chaos. Der Flughafen Cluj im rumänischen Siebenbürgen, wo ein Großteil der Erntehelfer abhob, sprach von dichtem Gedränge, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Bereits acht Stunden vor dem Start der ersten Maschine hätten dort 1.800 Menschen gewartet, die mit Bussen aus allen Landesteilen gekommen seien. Die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen das Seuchengesetz eingeleitet.

Beim Transport würden alle Auflagen der Behörden erfüllt, versichert Eurowings. Nach der Landung und vor dem Verlassen des Flughafens würden Medizin-Checks inklusive Temperaturmessungen durchgeführt. Die Passagiere müssten bereits im Flugzeug eine Selbstauskunft ausfüllen.

Zwar bleiben seit Ende März bei Eurowings die Nachbarplätze frei, aber nur auf Flügen innerhalb Deutschlands und von dort ins Ausland. In der Gegenrichtung gilt das nicht, weil bei Rückholflügen „das Nachhausebringen möglichst vieler Menschen höchste Priorität hat“, ebenso das Einfliegen dringend benötigter Saisonkräfte für die Felder, heißt es. Die Airline habe aber beim Check-in sowie beim Ein- und Austeigen den Abstand der Reisenden erhöht. Auch der Service an Bord wurde angepasst. In allen Maschinen gebe es Desinfektionsmittel und Handschuhen für die Crews. Die Boeings 737 und Airbuss der A-320-Serien sind laut Pro Sky regulär bestuhlt und wohl auch voll besetzt.

Die Helfer aus Südosteuropa werden mit Bussen an den Flughäfen abgeholt. Deren Transport organisieren und finanzieren die Besteller in Eigenregie.
Die Helfer aus Südosteuropa werden mit Bussen an den Flughäfen abgeholt. Deren Transport organisieren und finanzieren die Besteller in Eigenregie. © Fabian Strauch/dpa

Nach Angaben des Flughafens Leipzig-Halle sind dort noch keine Erntehelfer gelandet. Die Voranmeldungsmaske von Pro Sky sieht auch vom 11. bis 16. April noch keine Transporte in die Messestadt vor, aber 21 Flüge nach Hamburg, Karlsruhe und Düsseldorf. Außer Hilfstransporten und Frachtflügen – da kommen Mundschutzmasken für Sachsen-Anhalt auch mal per Passagiermaschine vom Typ Dreamliner – laufe so gut wie nichts, sagt Uwe Schuhart, Sprecher der Mitteldeutschen Flughafen AG. Das könne sich aber kurzfristig ändern, „spätestens wenn die Erdbeersaison beginnt“.

Wie viele Flüge nach Leipzig organisiert werden, hänge von der Nachfrage ab, sagt Pro-Sky-Chef Truger. Mehrere Kunden planten Vollcharter für Ende April. Die Bauernverbände von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hätten für diesen Airport plädiert, sagt SLB-Hauptgeschäftsführer Uhlemann. Alternativ kämen für hiesige Betriebe auch Berlin-Schönefeld und Nürnberg zur Abholung von Saisonkräften infrage. Den Transport müssten die Unternehmen selbst organisieren – wie auch die 170 bis 200 Euro teuren Oneway-Flüge, für die es keine Zuschüsse gebe. „Wegen der Mehrkosten werden zwangsläufig auch Erdbeeren und Spargel zehn bis 15 Prozent teurer als im Vorjahr“, sagt Uhlemann. Der Handel sei bereits informiert. Er baue darauf, dass der sich nicht mit billigem Obst und Gemüse aus dem Ausland eindeckt.

Der Rücktransport der Helfer ist offen, „womöglich ja mit dem günstigeren Flixbus“, hofft Uhlemann. Geht es nach den Bauern, sollen die Helfer möglichst lange bleiben, zumal sie erst 14 Tage getrennt von anderen Beschäftigten leben und nur auf dem Betriebsgelände arbeiten dürfen. Und es gibt noch einen Grund: Uhlemann schätzt zwar auch die Hilfe von Arbeitslosen, Studenten, Asylbewerbern und Kurzarbeitern, doch die sei nicht nachhaltig. „Sie kommen einen Tag und dann nie wieder“, sagt er. „Dann tun ihnen vom Spargelstechen der Rücken oder vom Erdbeerpflücken die Knie weh“, da seien die bewährten Saisonkräfte belastbarer. Für sie spiele auch der Wochentag keine Rolle. „Spargel wird auch zu Ostern gestochen, und Erdbeeren wachsen auch am Wochenende.“

Luftbrücke für Erntehelfer